Eine Reihe von Vorwürfen gegen Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger, weitere Regisseure und einen Schauspieler sowie „strukturelles Versagen“ der Theaterleitung im Umgang mit Missständen: Das führt die Zusammenfassung des Endberichts der Kanzlei Dorda zu Vorwürfen von „sexueller oder struktureller Gewalt“ am Theater in der Josefstadt an. Die vom Stiftungsvorstand gezogenen Konsequenzen bleiben aber überschaubar.
Denn die Formulierungen im Bericht bleiben vorsichtig: In mehreren Fällen gäbe es Vorwürfe, die den „Tatbestand einer sexuellen Belästigung grundsätzlich erfüllen“, oder „als Mobbing oder Bossing qualifiziert werden könnten“, wenn sie „von einem im Streitfall angerufenen Gericht für wahr erachtet werden“. Da „die Betroffenen ausdrücklich anonym bleiben wollten“, werden die Vorwürfe in der zugänglich gemachten Zusammenfassung. Im Fall von Föttinger als Regisseur wird man etwas konkreter. „Auch Herbert Föttinger wird übergriffiges, beleidigendes und herabwürdigendes Verhalten gegenüber Schauspielern und Mitarbeitern, die bei den Proben unmittelbar mitwirken, vorgeworfen. Niemand im Theater traue sich, gegen ihn das Wort zu ergreifen oder einzuschreiten.“
Während der Proben wird Klima schlechterAllerdings: „Das Vorliegen eines permanenten Angstklimas wurde von unseren Gesprächspartnern nahezu einheitlich dementiert“, heißt es in dem Untersuchungsbericht. Er liegt im Entwurf seit Oktober vor, die Endfassung wurde aber aufgrund neuer Aussagen verschoben. Eingearbeitet wurden 18 neue , über die Rechtsanwaltskanzlei Parlaw erhaltene schriftliche Stellungnahmen. Dennoch sieht der Bericht ein Versagen der gesamten Führung des Theaters, beim Entstehen eines Betriebsklimas, das etwa so geschildert wird: „Der zwischenmenschliche Umgang wird während der Proben vor einer Premiere sukzessive schlechter (abwertend, übergriffig, aggressiv).“ Die Empfehlungen zielten daher auf einen „Kulturwandel“ ab.
„Zu hinterfragen ist, ob ein Kulturwandel durch die bestehende Direktion erfolgen wird (können).“ Die vom Stiftungsvorstand veranlassten Maßnahmen sehen deshalb eine rasche stärkere Einbindung der künftigen Leitung vor. Ab der Saison 2026/27 soll Marie Rötzer, jetzt Chefin des Landestheaters Niederösterreich, Föttinger in der künstlerischen Leitung ablösen. Dem künftigen kaufmännischen Geschäftsführer Stefan Mehrens, der Alexander Götz ablöst, soll „ehestmöglich Prokura erteilt“ werden. Personalentscheidungen setzen ab sofort das „Einvernehmen mit der designierten neuen Direktion“ voraus. Bei künftigen Produktionen soll künftig besonders auf den Verhaltenskodex und eine Liste von Vertrauenspersonen verwiesen und regelmäßige Reflexions-Sitzungen abgehalten werden. Bereits vor mehreren Monaten hat Föttinger von sich aus vorgeschlagen, bis Ende seiner Direktion keine Regie mehr zu übernehmen. Das wird vom Stiftungsvorstand „befürwortet“.
Föttinger: „Kann diese Vorwürfe nicht nachvollziehen“Föttinger selbst sagte der APA: „Bei den Übergriffen, die man hier aus dem Kontext reißt, möchte ich sagen: Das hat in der Form nie stattgefunden“, so der Theaterdirektor. „Ich würde nie einen Schauspieler beleidigen wollen. In einem Probenprozess kann schon mal passieren, dass sich ein Schauspieler beleidigt fühlt. Denn es ist schon ein mühsamer Weg zum Ziel, da kann jeder kleinste Satz Unglaubliches auslösen.“ Er zeigt sich beeindruckt von der „anonymen Menge von 18 Leuten“, ist aber verärgert darüber, dass er sich nicht adäquat wehren könne. „Ich stehe hier Anschuldigen gegenüber, wo ich felsenfest überzeugt bin, dass es so, wie es geschrieben ist, nicht war. Ich würde es sofort begrüßen, wenn man das vor Gericht klären würde.“
Offenbar beziehen sich viele Vorwürfe auf seine Inszenierung von Thomas Arzts „Leben und Sterben in Wien“, die er schon davor zu seiner letzten Inszenierung am Haus erklärt hatte. Es sei klar gewesen, dass das ein „sehr aufgeladener Abend“ werden und dies sich auch in heftigen Bühnenaktionen ausdrücken müsse, erinnert er sich und schildert eine Waterboarding-Szene, bei deren Probe sich der anwesende Bewegungschor angeblich erschüttert gezeigt habe. So werde eben emotionales Theater gemacht, meint er. „Ich kann diese Vorwürfe nicht nachvollziehen.“
„Veränderungen dieser Zeit ein bisserl vernachlässigt“„Dass es im Laufe dieser vielen Jahre Verletzungen gegeben hat, das will ich überhaupt nicht bestreiten, und das tut mir auch sehr leid. In meiner überbordenden Leidenschaft für das Theater werde ich Menschen gekränkt und verletzt haben“, sagte Föttinger, räumte aber auch ein: „Vielleicht habe ich die Veränderungen dieser Zeit ein bisserl vernachlässigt. Das gebe ich wirklich gerne zu. Das bedaure ich.“ Allerdings führt er ins Treffen: „In 19 Jahren habe ich nichts von diesen Vorwürfen mitbekommen.“ Niemand sei zu ihm gekommen, habe Vertrauenspersonen oder Intimacy Coaches angeregt. „Es kam nichts vom Ensemble. Ich habe auch noch von keinem Regisseur gehört: Zu euch komme ich nicht, denn dort ist so ein schlechtes Klima. Im Gegenteil: Unser Haus zeichnet sich aus, dass hier ein besonders gutes Arbeitsklima ist.“
Er stehe voll und ganz hinter dem nun geforderten Kulturwandel, versichert er, und auch die designierte neue Direktion „soll eingebunden sein in den Prozess, damit es mittel- und langfristig zu diesem Kulturwandel kommt“. Als Entmachtung will er das nicht sehen, und ob in seinen Worten auch ein wenig Ironie mitschwingt, ist schwer auszumachen: „Ich fühle mich nicht entmachtet, weil ich ja nicht Macht ausübe! Insofern kann ich das nicht als Entmachtung sehen. Ich sehe das als Fortschritt.“ (APA)