KULTUR: Theater in der Josefstadt: Kulturwandel nötig
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Der Endbericht über Vorwürfe sexueller und struktureller Gewalt am Theater in der Josefstadt ist fertig. Heute wurde er öffentlich gemacht. Gefordert wird unter anderem ein Kulturwandel im Theater.
Online seit heute, 5.00 Uhr (Update: 15.13 Uhr)
Zahlreiche konkrete Vorwürfe gegen Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger, weitere Regisseure und einen Schauspieler sowie strukturelles Versagen der Theaterleitung im Umgang mit Missständen führte die „Executive Summary“ des Endberichts der Kanzlei Dorda zu Vorwürfen sexueller oder struktureller Gewalt am Theater in der Josefstadt an. Am Freitag wurde der Endbericht auf der Website des Theaters veröffentlicht.
In mehreren Fällen gebe es Vorwürfe, die den „Tatbestand einer sexuellen Belästigung grundsätzlich erfüllen“ oder „als Mobbing oder Bossing qualifiziert werden könnten“, so sie „von einem im Streitfall angerufenen Gericht für wahr erachtet werden“, hieß es. Da „die Betroffenen ausdrücklich anonym bleiben wollten“, wurden in der zugänglich gemachten Zusammenfassung die erhobenen Vorwürfe nicht weiter konkretisiert.
Theaterdirektor Föttinger in der KritikIm Fall des Regisseurs Föttinger wurde man etwas konkreter. „Auch Herbert Föttinger wird ein übergriffiges, beleidigendes und herabwürdigendes Verhalten gegenüber Schauspielern und Mitarbeitern, die bei den Proben unmittelbar mitwirken, vorgeworfen. Niemand im Theater traue sich, gegen ihn das Wort zu ergreifen oder einzuschreiten.“
„Das Vorliegen eines permanenten Angstklimas wurde von unseren Gesprächspartnern nahezu einheitlich dementiert“, hieß es in dem Untersuchungsbericht. Dennoch sah der Bericht ein Versagen der gesamten Führung des Theaters beim Entstehen eines Betriebsklimas, das unter anderem so geschildert wurde: „Nahezu sämtliche Interviewten berichten von (stark) verbesserungswürdiger Kommunikation im täglichen Betrieb. Der zwischenmenschliche Umgang wird während der Proben vor einer Premiere sukzessive schlechter (abwertend, übergriffig, aggressiv).“
Kulturwandel von nächster Direktion gefordertDie Empfehlungen zielten daher „auf einen erforderlichen Kulturwandel im Theater in der Josefstadt“ ab. „Zu hinterfragen ist, ob ein Kulturwandel durch die bestehende Direktion erfolgen wird (können).“ Das schien auch der Vorstand der „Theater in der Josefstadt – Privatstiftung“ zu glauben, denn die in der „Executive Summary“ geschilderten, nun vom Stiftungsvorstand veranlassten Maßnahmen sahen vor allem eine rasche stärkere Einbindung der künftigen Leitung vor.
Die ab der Saison 2026/27 Föttinger in der künstlerischen Leitung ablösende jetzige Chefin des Landestheaters Niederösterreich, Marie Rötzer, soll den Maßnahmen für den angestrebten Kulturwandel besonderes Augenmerk schenken, dem Alexander Götz ablösenden künftigen kaufmännischen Geschäftsführer Stefan Mehrens soll „ehestmöglich Prokura erteilt“ werden, um die empfohlenen Change-Management-Maßnahmen „unverzüglich auf allen Ebenen des Theaters umzusetzen“.
Verhaltenskodex und VertrauenspersonenPersonalentscheidungen würden ab sofort das „Einvernehmen mit der designierten neuen Direktion“ voraussetzen. Bei künftigen Produktionen soll besonders auf den Verhaltenskodex und eine Liste von Vertrauenspersonen verwiesen, und es sollen regelmäßige Reflexionssitzungen abgehalten werden. Föttingers „bereits vor mehreren Monaten von sich aus erstatteten Vorschlag“, bis Ende seiner Direktion keine Regie übernehmen zu wollen, wurde vom Stiftungsvorstand „befürwortet“.
Thomas Drozda, Vorstand der „Theater in der Josefstadt – Privatstiftung“, betonte im Interview mit der APA, dass das Thema Transparenz und Aufklärung von Anfang an die Richtschnur des Handelns gewesen sei. „Deswegen hat es eine monatelange forensische Untersuchung gegeben, um ein repräsentatives Bild zu erhalten.“ Und das sei hinsichtlich Kommunikation, Governance, Führungsverhalten eines, das auf einen deutlichen und dringlichen Handlungsbedarf hinweise. „Die Schlussfolgerung ist die, dass sich Dinge, die hier beschrieben wurden, nie wiederholen dürfen“, so Drozda.
Herbert Föttinger leitet das Theater seit 2006 Föttinger weist Vorwürfe zurückJosefstadt-Direktor Herbert Föttinger wehrte sich gegen die Anschuldigungen. Die Übergriffe haben „in der Form nie stattgefunden“. Er würde nie einen Schauspieler beleidigen wollen. In einem Probenprozess könne es schon mal passieren, dass sich ein Schauspieler beleidigt fühlt. Denn es sei schon ein mühsamer Weg zum Ziel, da könne jeder kleinste Satz Unglaubliches auslösen, sagte Föttinger. Er würde eine gerichtliche Aufarbeitung begrüßen.
Er stehe jedenfalls voll und ganz hinter dem nun geforderte Kulturwandel, versicherte Föttinger, und auch die designierte neue Direktion „soll eingebunden sein in den Prozess, damit es mittel- und langfristig zu diesem Kulturwandel kommt“. Als Entmachtung wolle er das nicht sehen, denn er übe ja auch nicht Macht aus. Er sehe das als Fortschritt, betonte Föttinger.
Die designierte Direktorin des Theaters in der Josefstadt, Marie Rötzer, betonte in einem Interview mit der APA: „Diese Vorwürfe müssen sehr ernst genommen werden“. Sie stehe für „Theaterkunst innerhalb eines zeitgemäßen Wertekanons“.
Kritik der OppositionNach der Veröffentlichung des Endberichts forderte der Kultursprecher der Wiener FPÖ, Stefan Berger, dass Föttinger mit sofortiger Wirkung dienstfrei gestellt werden müsse. Zudem solle geprüft werden, ob Föttingers zuvor bezogenes Gehalt regressiert werden kann.
Die Kultursprecherin der Grünen Wien, Ursula Berner, forderte die Verankerung von Anlaufstellen für Awareness- und Gewaltschutz besonders innerhalb großer Theaterinstitutionen. Gerade im Theaterbetrieb, wo die Abhängigkeiten groß seien, werde oft zu lange geschwiegen. Aber Männerbündelei dürften nicht über dem Gewaltschutz stehen, so Berner.