Josefstadt-Chef Herbert Föttinger soll "Kultur der Angst" etabliert ...
Mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter üben laut einem Bericht des Standard scharfe Kritik am Direktor des Theaters in der Josefstadt, Herbert Föttinger. Er habe demnach eine "Kultur der Angst" etabliert und keine Maßnahmen gesetzt, um Mitarbeitende gegen Übergriffe und Machtmissbrauch zu schützen. Durch Föttingers Führungsstil gebe es eine "permanente Angststimmung". Er brülle regelmäßig "Mitarbeiter in Grund und Boden" oder drohe ihnen "mit Existenzvernichtung".
In einem internen Schreibenhabe sich Föttinger entschuldigt: "Ich muss an meinem Verhalten arbeiten." Seine Wutausbrüche und Drohungen rechtfertigt Föttinger demnach damit, dass er "für das Theater brenne".
Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer betonte auf Anfrage des KURIER in einem Statement: "Es ist für mich unerträglich, wenn inkorrektes oder gar missbräuchliches Verhalten mit der Freiheit der Kunst gerechtfertigt wird. Das muss aufhören."
"Die Stadt Wien als Fördergeberin erwartet sich den Bericht einer lückenlosen Aufklärung", sagt Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler auf Anfrage des KURIER. Sie nehme die Vorwürfe sehr ernst: Arbeitnehmer haben "das Recht auf einen angstfreien, sicheren Arbeitsplatz".
„Missbräuchliches Verhalten hat in Kunst und Kultur nichts verloren und muss endlich der Vergangenheit angehören. Das gilt ganz besonders für jene Institutionen, die zu großen Teilen durch öffentliche Gelder finanziert werden.
Es ist für mich unerträglich, wenn inkorrektes oder gar missbräuchliches Verhalten mit der Freiheit der Kunst gerechtfertigt wird. Das muss aufhören.
Auch wenn sich Herbert Föttinger bereits entschuldigt hat, wiegen die vom Standard recherchierten Vorwürfe schwer und sind ernst zu nehmen. Wir sind mit dem Stiftungsvorstand des Theaters in der Josefstadt im engen Austausch dazu, dieser hat dem BMKÖS gegenüber eine umfassende Aufklärung unter externer Begleitung angekündigt. Die Ergebnisse dieser Auswertung sind abzuwarten.“
Sowohl der künstlerische Direktor Herbert Föttinger als auch Geschäftsführung und Stiftungsrat nehmen diese Anschuldigungen sehr ernst, eine Untersuchung wurde eingeleitet, hieß es aus dem Theater auf Anfrage des KURIER. Ein erstes Ergebnis sei, dass "kein einzig strafrechtlich relevanter Vorwurf vorliegt", heißt es in einem Statement des Stiftungsvorstands.
Von Seiten der Ensemblevertretung und Vertrauenspersonen der Josefstadt heiße es dazu, "dass man die im Standard geäußerten Vorwürfe gegen Direktor Föttinger nicht unerwidert im Raum stehen lassen wolle und ausführliche Gespräche mit den MitarbeiterInnen führen werde".
Er habe "das Gespräch mit Menschen gesucht, mit denen ich an der Josefstadt schon lange zusammenarbeite", schrieb Föttinger in dem internen Mail "Sie haben mir bewusst gemacht, dass meine Art zu kommunizieren, auf andere verschreckend oder einschüchternd wirken kann. Das entspricht nie meiner Intention." Deshalb möchte er sich "ehrlich bei jenen entschuldigen, die sich in der Zusammenarbeit mit mir gekränkt, herabgewürdigt oder unter Druck gesetzt gefühlt haben."
In dem Schreiben nimmt die Josefstadt auch zu einzelnen Vorwürfen Stellung, etwa die Vorwürfe einer Regieassistentin. Nach Kritik von ihr habe Föttinger sie in einem Raum gebeten: "Dann hat er die Tür geschlossen, sich ganz nah vor mich gestellt und angefangen zu brüllen." Föttinger habe dies "nicht in Erinnerung. Dennoch, wenn Frau Ringhof sich an ein Gespräch mit mir erinnert, das sie als bedrohlich empfunden hat, dann tut mir das außerordentlich leid."
Eine Ankleiderin gibt an, nach einem sexuellen Übergriff durch einen Schauspieler das Theater verlassen zu haben. Sie habe sich in einem Schreiben direkt an die Direktion gewendet, mit dem Hinweis, dass es "im Haus weder Wissen über sexuelle Belästigung noch Ansprechpersonen für ebensolche Fälle gebe" Und sie sei "nicht die Einzige, die eine 'MeToo'-Geschichte zu erzählen hat".
Da sie dem Schauspieler auch nach einer Versetzung weiter begegnen musste, verließ sie letztlich das Haus. Man habe das "Arbeitseinsatzgebiet der Mitarbeiterin bestmöglich von dem des Schauspielers getrennt und die Kosten einer Therapie für die Mitarbeiterin übernommen", schreibt nun Geschäftsfüher Alexander Götz. Und die Rechnung für eine Therapie übernommen. "Weder vor noch nach diesem Fall gab es Beschwerden über den besagten Schauspieler."
Föttinger: "Die Darstellung der drei Vorfälle durch die Mitarbeiterin und den Schauspieler unterschieden sich sehr – und es gab dafür keine Zeugen. Die Mitarbeiterin wollte keine Anzeige erstatten. Der Schauspieler entschuldigte sich bei ihr."
Föttinger betont: "Es lässt sich belegen, dass es in meiner Direktionszeit im Theater in der Josefstadt keine „Kündigungs-Kultur“ gibt und gegeben hat. Vielmehr sind langjährige Arbeitsverhältnisse unser Standard, die Fluktuation bei den MitarbeiterInnen ist als äußerst gering zu bezeichnen."
Auch bei den Förderstellen - der Stadt Wien und dem Bund - hat der KURIER um Reaktionen angefragt.
"Stiftungsvorstand setzt sich für eine lückenlose und umfassende Aufklärung der Vorwürfe ein"
Direktor Herbert Föttinger setzt sich seit bald zwei Jahrzehnten eindrucksvoll und mit leidenschaftlichem Engagement für das künstlerische und wirtschaftliche Wohl des Theaters in der Josefstadt ein. In seiner Mehrfachfunktion als Direktor, Regisseur und Schauspieler ist er im Haus omnipräsent und seinen Mitarbeiter:innen in kollegialer und loyaler Weise verbunden, was zu einer im deutschsprachigen Raum extrem niedrigen Fluktuation innerhalb der Belegschaft führt – und damit das Gegenteil einer sogenannten Kündigungskultur darstellt.
Wenn diese oft als familiär beschriebene Atmosphäre am Theater in der Josefstadt von manchen als toxisch empfunden wird, ist eine Objektivierung der Situation erforderlich. Eine unvoreingenommene Untersuchung hat daher etwaige Missstände lückenlos ans Tageslicht zu bringen und zu einer Klärung und Verbesserung beizutragen. Mediale Vorverurteilungen leisten zu dieser Objektivierung keinen Beitrag.
Der Stiftungsrat ist in einer ersten juristischen Prüfung der Vorwürfe zu dem Ergebnis gekommen, dass kein einzig strafrechtlich relevanter Vorwurf vorliegt. Nichtsdestotrotz ist eine weitergehende, lückenlose Untersuchung der Anschuldigungen vorzunehmen. Diese ist bereits eingeleitet und erfolgt sowohl unter Mithilfe von externen Ombudsstellen als auch internen Vertrauensstellen wie Ensemblevertretung, Betriebsrat und bestellten Vertrauenspersonen, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen und nur auf ausdrücklichen Wunsch Betroffener und im gewünschten Ausmaß handeln.
Der kürzlich unterzeichnete Code of Conduct stellt aus Sicht des Stiftungsvorstands eine Selbstverständlichkeit in einem Theaterbetrieb des 21. Jahrhunderts dar, daher sind die dort vereinbarten Prinzipien in die täglichen Arbeitsabläufe des Theaters zu integrieren.
Thomas Drozda