Bildung: Bildungsdirektor Himmer tritt zurück

2 Tage vor

Bildung

Der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer wird seine Funktion mit Ende Juni zurücklegen, wie er im „Wien heute“-Interview sagt. Grund ist seine Kandidatur bei der Nationalratswahl. Für Wiens Schulen wünscht er sich weniger Bürokratie und mehr unterstützendes Personal.

Heinrich Himmer - Figure 1
Foto ORF Wien

Online seit gestern, 12.00 Uhr

Himmer steht seit 2017 an der Spitze der Wiener Schulbehörde – zuerst als Stadtschulratspräsident und nach der Umwandlung in die Bildungsdirektion 2018 als Bildungsdirektor. Eigentlich wäre der 45-Jährige fix bis Ende 2025 im Amt, nun will er sich aber auf andere Aufgaben konzentrieren. Als Simmeringer Spitzenkandidat steht er auf der SPÖ-Liste für die Nationalratswahl. Der ehemalige Lehrer-Gewerkschafter darf nach der Wahl mit einem sicheren Nationalratsmandat rechnen.

„Das wäre nicht fair gegenüber allen, die so hart in diesem Schulsystem arbeiten, dass man die Wiener Schulen hier in den Wahlkampf mit hinein nimmt. Und wir sehen, die Wahlkämpfe sind schwierig. Das heißt, ich werde meine Tätigkeit mit Ende Juni einstellen, das heißt, ich trete zurück von dieser Funktion und damit haben die Wiener Schulen die Möglichkeit, hier auch unabhängig vom Wahlkampf aufzutreten“, sagt Himmer im Interview mit ORF-Wien-Chefredakteur Oliver Ortner. Wer Himmer nachfolgen wird, ist derzeit noch nicht klar.

Im Gespräch mit Chefredakteur Oliver Ortner kündigt Bildungsdirektor Heinrich Himmer seinen Rücktritt an „Ja, es braucht mehr Unterstützung“

Wiens Schulen sind derzeit Dauerthema. Für das abgelaufene Schuljahr will Himmer zwar keine Noten verteilen, findet aber: „Ich glaube, wir haben angesichts der Rahmenbedingungen und der Möglichkeiten tatsächlich eine gute Basis geliefert, dass unsere Schülerinnen und Schüler, unsere Pädagoginnen und Pädagogen dieses Jahr mit Freude, aber auch mit Erfolg abschließen konnten.“ Dennoch gebe es natürlich weiterhin offene Baustellen, etwa wenn es um Kritik von Pädagoginnen und Pädagogen geht, die sich zu wenig unterstützt fühlen. Thema sind dabei etwa immer wieder Gewalt und Respektlosigkeit in den Schulen.

„Ich gebe insofern allen recht, die sagen ja, es braucht mehr Unterstützung. Die Frage ist, wo kann man sie bekommen? Das österreichische Schulsystem ist sehr stark an Gesetze und Verordnungen gebunden, die vom Bund erlassen werden. Das heißt, wir bewegen uns in den Rahmenbedingungen, die es gibt, und versuchen, in diesen Rahmenbedingungen das meiste herauszuholen“, so Himmer. So habe man etwa im Herbst ein Gewaltschutzpaket präsentiert, zudem gebe es regelmäßig Runde Tische und das Gewaltschutztelefon.

Wunsch nach diverseren Teams an Schulen

Himmer plädierte auch erneut für diversere Teams an den Schulen, eine Diskussion die man schon zu lange führe: „Wir brauchen neben den Pädagoginnen und Pädagogen, die sich stärker auch auf die Pädagogik konzentrieren müssen, auch einen größeren Anteil an Teamplayerinnen und Teamplayer, die in der Schule von der Sozialarbeit über die Sprache, über die Integrationsarbeit auch unterstützen können. Und ja, die Wiener Schulen sind groß genug, dass sie natürlich auch mehr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und am besten jeden Standort, jemanden zu haben.“

Auch in Sachen Bürokratie habe man bereits geschraubt, schildert Himmer und in seiner Zeit etwa 4.000 Erlässe gestrichen. Offensichtlich reiche das aber noch nicht: „Das System ist so überfrachtet mit Anforderungen, mit Messungen, mit Ergebnissicherungen, mit Gesprächen. Und dann bleibt oft zu wenig Zeit, sich um die zu kümmern, um die es geht, nämlich um die Kinder und Jugendlichen. Und ja, viele haben das Gefühl, sie arbeiten mehr am System als mit dem Kind.“ Mehr Pädagoginnen und Pädagogen brauche es dabei nicht zwingend, eher mehr Entlastung von Sozialarbeit und Bürokratie im Schulalltag.

Heinrich Himmer im Interview

In der Bildungsdirektion selbst brauche es allerdings mehr Personal, denn inzwischen sei man ein „Riesenbetrieb“ mit rund 30.000 angestellten Pädagoginnen und Pädagogen, so der scheidende Bildungsdirektor: „Ja, wir könnten mehr Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter vertragen. Auch das ist ein Wunsch an die Bundesregierung hier vielleicht in den nächsten Jahren, wenn man über die Bildungsdirektionen allgemein nachdenkt, auch hier zu wissen, dass die Anforderungen heute größer sind.“

Bessere Lösungen für fehlendes Deutsch

Angesprochen auf die jüngsten Studien, dass einem Drittel der Schulanfängerinnen und -anfänger die nötigen Deutschkenntnisse fehlen, obwohl sie in Österreich geboren sind, plädiert Himmer darauf, die neun Jahre Schulpflicht zu nutzen, um alle mitzunehmen. „Wir haben dafür schon auch genug Zeit. Wir haben aber offensichtlich manchmal die falschen Konzepte. Es gibt ja durchaus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zurückmelden: So wie wir heute zum Beispiel Deutsch lernen, ist es nicht optimal. Da wären andere Lösungen am Tisch. Es geht auch um die politische Machbarkeit.“

Probleme im Wiener Schulsystem

Ein Beispiel wäre etwa ein integrativer Deutschunterricht, der schulautonom von den Pädagoginnen und Pädagogen so gestaltet werden könne, wie es das Kind und die Situation in der Klasse braucht. „Denn wir haben 242.000 Schülerinnen und Schüler in Wien. Und jedes Kind ist anders und braucht noch etwas anderes. Und derzeit haben wir noch die Gießkanne“, so Himmer.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche