Südkoreanische Autorin: Literaturnobelpreis an Han Kang

3 Stunden vor

Südkoreanische Autorin

Die Südkoreanerin Han Kang erhält den Literaturnobelpreis 2024. Diese Entscheidung gab die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm bekannt. Prämiert wird die 53-jährige Autorin „für ihre intensive poetische Prosa, die sich historischen Traumata stellt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt“, wie der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, bei der Preisbekanntgabe in Stockholm sagte.

Han Kang - Figure 1
Foto ORF

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Han ist die 18. Frau, die den Literaturnobelpreis erhält – und die erste Frau unter den bisher verkündeten Nobelpreisträgern dieses Jahres. Die Entscheidung fällt auf keine Unbekannte, ist aber doch überraschend: Keiner der Buchmacher hatte die am 27. November 1970 in der Provinzhauptstadt Gwangju geborene Südkoreanerin auf der Liste gehabt, die ihren internationalen Durchbruch 2016 mit dem Roman „Die Vegetarierin“ erlebte.

Durch das mit dem International Booker Prize ausgezeichnete Buch ist Han auch einer deutschsprachigen Leserschaft bekannt. Die Geschichte dreht sich um eine südkoreanische Hausfrau und deren passive Rebellion in einer strikt konformen Gesellschaft. Die Booker-Prize-Jury lobte damals den „bewegenden und suggestiven“ Roman, der „durch die Tiefe seiner Fremdartigkeit überrascht“.

Aus der zunächst skizzierten Biografie einer „völlig unscheinbaren“ Frau, die sich entschließt, Vegetarierin zu werden, wird in dem 2009 auch verfilmten Roman eine schillernde Geschichte voller Abgründe und Leidenschaften, bei der die Verweigerung von Normen der glatten gesellschaftlichen Oberfläche einen tiefen Riss zufügt.

Große Überraschung auch für Han

„Ich konnte mit Han Kang am Telefon sprechen“, sagte Malm nach der Bekanntgabe der Gewinnerin. „Sie schien einen ganz normalen Tag zu haben – sie hatte gerade mit ihrem Sohn zu Abend gegessen. Sie war nicht wirklich darauf vorbereitet, aber wir haben begonnen, die Vorbereitungen für Dezember zu besprechen.“ Mit dem Gewinn des Literaturnobelpreises, der im Dezember verliehen wird, steigt Han endgültig zur populärsten Autorin ihres Heimatlandes auf.

Sükoreanerin Han Kang erhält Literaturnobelpreis

Der Südkoreanerin Han Kang wird heuer der Literaturnobelpreis verliehen. Sie ist die 18. Frau, die den Preis erhält, und die erste Frau unter den bisher verkündeten Nobelpreisträgern dieses Jahres.

Wichtigste literarische Stimme Koreas

Auch der deutsche Aufbau Verlag, der seit 2016 sechs Romane publiziert hat, lobt Han auf seiner Homepage als „die wichtigste literarische Stimme Koreas“. Ihre Werke, die bewusst mit weltliterarischen Traditionen spielen, beschäftigen sich insbesondere mit Entwurzelung und Kommunikations- und Identitätsverlust des modernen Menschen.

Hans „Einfühlungsvermögen in verletzliche, oft weibliche Lebenssituationen ist spürbar und wird durch ihre metaphorisch aufgeladene Prosa noch verstärkt“, sagte Anders Olsson, Vorsitzender des Nobelkomitees. Sie „hat ein einzigartiges Bewusstsein für die Verbindungen zwischen Körper und Seele, den Lebenden und den Toten und ist mit ihrem poetischen und experimentellen Stil zu einer Innovatorin der zeitgenössischen Prosa geworden“.

Mit „Die Vegetarierin“ – im Original 2007 erschienen – erlangte Han ihren Durchbruch. Ebenfalls Booker-Prize-nominiert war das autofiktionale „Weiß“. „Weiß“ und „Griechischstunden“

Ihr Debüt feierte die Südkoreanerin, die ab ihrem elften Lebensjahr in Seoul aufwuchs, 1993 mit in einer Zeitschrift erschienenen Gedichten, zwei Jahre später veröffentlichte sie eine erste Sammlung an Kurzgeschichten. Bereits ihr Vater war ein renommierter Autor.

Auch Hans Roman „Weiß“ (2020 auf Deutsch erschienen), in dem sie in poetischen Verdichtungen den Tod ihrer unmittelbar nach der Geburt gestorbenen Schwester betrauerte, war für den Booker Prize nominiert. Für „Menschenwerk“ (2017) erhielt sie zuvor den renommierten italienischen Malaparte-Preis. Das Buch dreht sich um einen Studentenaufstand des Jahres 1980, der vom damaligen Militärregime mit Gewalt beantwortet wurde.

Im Aufbau Verlag erschienen außerdem „Deine kalten Hände“ und zuletzt „Griechischstunden“. Wie schon in „Die Vegetarierin“ setzt sich die südkoreanische Autorin darin erneut mit Menschen in körperlichen wie seelischen Ausnahmesituationen auseinander – diesmal anhand der Geschichte einer stummen Frau und ihres Griechischlehrers, der von Tag zu Tag mehr sein Augenlicht verliert.

Gasser (ORF) zur Literaturnobelpreisträgerin

Der Literaturnobelpreis geht heuer an die südkoreanische Schriftstellerin Han Kang. Katja Gasser von der Kulturredaktion mit einer Analyse zur Vergabe des Literaturnobelpreises.

„Gelungene Wahl“

Zuverlässig sorge die Nobelpreisjury für Überraschungen, kommentierte ORF-Literaturexpertin Katja Gasser, dass Han auf keiner der Listen der Wettanbieter gestanden hatte. Aber man kenne die Autorin seit ihrem Erfolg mit „Die Vegetarierin" auch im deutschsprachigen Raum gut. „Ihre Literatur steht für eine Mischung aus Groteske und Rebellion und bietet Röntgenbilder nicht nur der südkoreanischen Gesellschaft.“

Bereits zu Wort meldete sich auch der deutsche Literaturkritiker Denis Scheck, der die Kür der Südkoreanerin für eine gelungene Wahl hält. „Die Akademie hat eine glückliche Hand bewiesen“, sagte Scheck kurz nach der Preisbekanntgabe der dpa. Die Überraschung sei „eine angenehme“, so Scheck, der Hans „ganz wunderbare Geschichten“ lobte.

2023 Fosse, 2022 Ernaux

In den vergangenen beiden Jahren war der Literaturnobelpreis an den Norweger Jon Fosse und die Französin Annie Ernaux gegangen. Beide hatten damals vorab jeweils zum engeren Favoritenkreis gezählt.

Heuer war damit gerechnet worden, dass die Jury ihren Blick wieder stärker auf „die Welt“ richten werde – und dass möglicherweise eine Frau zum Zug kommen könnte. Eine Konstante des Literaturnobelpreises in seiner 123 Jahre dauernden Geschichte ist, dass die Auszeichnung fast immer an männliche Autoren aus Europa ging. Von 120 Preisträgern waren vor der Auszeichnung für Han nur 17 Frauen, acht davon in den vergangenen 20 Jahren.

Verleihung am 10. Dezember

Der Nobelpreis ist mit elf Millionen schwedischen Kronen (rund 970.000 Euro) dotiert und ist der prestigeträchtigste Literaturpreis der Welt. Die Verleihung findet am 10. Dezember in Stockholm statt, dem Todestag des 1896 gestorbenen Erfinders Alfred Nobel.

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