USA-Reise: Was Habeck mit deutschen Gründern in einem New ...
Auf seiner USA-Reise trifft Robert Habeck auch mit deutschen Gründern zusammen, die dorthin expandieren. Viele ihrer Probleme sind bekannt. Doch hier zeigt der Minister eine Seite, die in Berlin zu verkümmern droht.
Ein Keller irgendwo Soho, New York, ein halbes Dutzend Tische steht hier, es gibt Soda, Kaffee und Cookies. Um die Tische sitzen Gründer und ihre Mentoren und warten auf: Robert Habeck. Nicht irgendwelche Gründer, darunter sind die Besten, die Deutschland zu bieten hat: Alexander Rinke von Celonis etwa, Deutschlands wertvollster Tech-Hoffnung seit SAP. Oder Andreas Sedlmayr, Co-Gründer des Batterie-Start-ups Instagrid aus Stuttgart. Oder Malte Kosub, ein KI-Seriengründer.
Dann kommt der Bundeswirtschaftsminister herein, die Gründer verstummen höflich. Habeck spricht von den „Juwelen“, die Deutschland zu bieten habe, und fügt eine halbe Entschuldigung an, warum er nicht immer genug Zeit für die Gründer hat: Es war halt viel los in der Welt, Krieg, Energie, Wachstum. Nun aber will er reden und lernen, einen „deep dive“ machen. „Crazy“, sagt Habeck, „dass wir es in New York machen.“
Es war ein langer Tag für den Minister, morgens hat er an der Business School der Columbia University vor Studenten gesprochen und mit dem F-Wort Schlagzeilen gemacht, als er die USA für ihre Klimapolitik ungewöhnlich scharf anging. „Die USA sind nicht auf dem Pfad“, wetterte er, sondern „weit, weit zurück“, sie hätten die höchsten CO2-Emissionen pro Kopf. Und es passiert ihm zu wenig, Inflation Reduction Act (IRA) hin oder her. „Ich sehe nicht, dass die USA auf dem Weg zur Klimaneutralität sind.“
Politik – er nannte die Fiskalpolitik – sei eben nicht, das zu tun, was man seit 30 Jahren für richtig hielte, sondern „to solve the f***ing problems“. Eine Entgleisung, einerseits – andererseits ein erfrischender Habeck. Zum Glück schienen in dem überschaubar großen Publikum viele Deutsche zu sitzen. Im Anschluss fuhr Habeck zu den Vereinten Nationen und traf Uno-Generalsekretär Antonio Guterres, mit dem er unter anderem über Israel und den Krieg in Nahost sprach.
„It‘s like the Bausparvertrag“
Nun also, nach einer halben Stunde Fahrt durch dichten New Yorker Verkehr, die Gründer. Es wird ein Termin, in den Habeck eintaucht und den er genießt, der weniger inszeniert ist als die Statements vor dem Weißen Haus oder der Uno; wo er das tut, was er kann: zuhören. Er schreibt sogar mit, als die Gründer ihr Lied singen und Leid klagen, auch wenn es bekannte Probleme sind: zu wenig Kapital, zu viel Bürokratie, komplizierte Visa für ausländische Mitarbeiter und absurde Anträge für Zuschüsse.
Lesen Sie auch: Wirtschaftsministerium kürzt Zuschüsse für Business Angels
Der Keller gehört zum German Accelerator, einer Einrichtung, die deutsche Start-ups weltweit mit Mentoren, Geld und Netzwerken unterstützt. 850 jungen Firmen hat der Accelerator schon geholfen, dazu zählen die Neo-Bank N26, die Sparplattform Raisin oder das Berliner Logistik-Start-up Forto.
Am ersten Tisch legen Celonis-Gründer Rinke und Sedlmayer von Instagrid gleich mit dem Thema Nr. 1 los: Wagniskapital. Gründer bekommen in Deutschland zwar inzwischen viel bessere Zuschüsse beim Start und auch Geld für die ersten Finanzierungsrunden. Aber das große Geld lockt immer noch in den USA.
Die Lehrer aus Ontario investieren
Instagrid, die Batterien überall dort ersetzen wollen, wo Generatoren rattern, ist seit Januar in New York, hat hier zehn Mitarbeiter. Sedlmayr, ein ehemaliger Bosch-Manager, baut das US-Geschäft persönlich auf. Ein Tech-Fonds eines kanadischen Pensionsfonds – der Lehrer von Ontario – hat stolze 95 Millionen Dollar in die Stuttgarter Greentech-Firma investiert. „In Europa sind Pensionsfonds zu risikoavers“, findet Sedlmayr. Habeck nickt.
„It‘s like the Bausparvertrag“, witzelt einer am Tisch.
Rinke erinnert daran, dass die großen Unternehmen wie Siemens, Bosch oder BASF alle innerhalb kurzer Zeit entstanden. „We need a new Gründerzeit“, sagt er. Und dafür brauche es viel Geld. Die Ausbildung in Deutschland sei ja gut. Habeck nickt wieder, erinnert kurz daran, was man schon alles getan habe, etwa mit dem Zukunftsfonds, in dem zehn Milliarden Euro warten, die bis 2030 Investitionen in Höhe von 30 Milliarden Euro auslösen sollen. „Wir müssen öffentliche und private Gelder mergen“, kommentiert der Minister.
„What is Gründerzeit?“, fragt eine Dame am Tisch. Es ist Sarah Endline von der Harvard Business School, die als Mentorin für den Accelerator arbeitet. Habeck erklärt spontan den Begriff, spannt einen kurzen Bogen durch das 19. Jahrhundert. „Let’s bring it back!“, ruft Endline begeistert.
Dann füllt ChatGPT die Anträge aus
Habeck dankt und zieht weiter, zehn Minuten sind pro Tisch vorgesehen. So geht das Speed-Dating weiter, am letzten Tisch geht es nochmal um Bürokratie. Timon Ruban, Gründer des Lieferketten-Start-ups Luminovo, berichtet von einer jahrelangen Odyssee mit Anträgen, nachdem er Zuschüsse vom Wirtschaftsministerium erhalten habe, wofür er natürlich „sehr dankbar“ sei. Das ganze System sei jedoch nicht gut, die Anträge zu kompliziert.
„Wie viele Seiten?“, will Habeck wissen. Über einhundert, erzählt Ruban. Mit ChatGPT sei es nun einfacher, die auszufüllen, sagt der Gründer lächelnd, das meiste würde eh kein Mensch verstehen. Habeck hat nun auch eine Bürokratiemonstergeschichte, sagt, er habe einen „fun fact“, erzählt von einem Papier beim Bau von Stromnetzen, das über 19.000 Seiten hat.
„Da habe ich zunächst gelacht“, sagt der Minister. „Das liest doch kein Mensch“. KI, findet Habeck, sei eine gute Idee. Er hat sich manches spontan auf einem Zettel notiert, was den Gründern unter den Nägeln brennt. Dann muss er schon wieder los, es geht nach Chicago, die letzte Stadt seiner USA-Reise.
Was an diesem Nachmittag unklar bleibt: ob Habeck eigentlich bewusst ist, wem er da alles gegenübersitzt. Einen Celonis-Gründer müsste er eigentlich kennen – und alarmiert sein, wenn ein deutsches Batterie-Start-up seine Zukunft in den USA sucht und auf den IRA hofft.
Was bleibt also von dem Treffen? Gut, dass wir darüber geredet haben? Was passiert mit dem Zettel? Wird weitergereicht und abgearbeitet, versichert die Delegation. Und verweist auf die Start-up-Strategie der Bundesregierung, die 2022 verabschiedet wurde – und in der viele der Probleme, die hier in Soho besprochen wurden, schon auftauchen.
Man darf also hoffen, dass auch diese f***ing problems gelöst werden.
Lesen Sie auch: Trumps Geist verfolgt Habeck bei jedem Termin
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?