Katrin Göring-Eckardt: Tweet über DFB-Elf als antirassistischer ...

Goering Eckardt

Fußballerisch hatte Katrin Göring-Eckardt natürlich recht: Hätte Gündogan im Strafraum nicht so energisch nachgesetzt und Musiala den Ball nicht so cool verwandelt, dann weiß man nicht, was noch passiert wäre an diesem Abend. Es fing ja nicht gut an, mit dem lässigen Rückpass in den frühen Minuten. Wer daraus aber wie die Bundestagsvizepräsidentin schließt, dass eine DFB-Elf mit hellhäutigen Spielern weniger wünschenswert sei als eine regenbogenbunte, macht den gleichen Fehler wie die einundzwanzig Prozent der Befragten, die in einer WDR-Umfrage, die sich nicht aufgedrängt hatte, lieber mehr weiße Spieler im Nationaltrikot hatten sehen wollen: Er misst Menschen an der Hautfarbe.

Der Tweet war in der Welt, und die Häme des Netzes ergoss sich über die Grünen-Politikerin, die sich nach dem reuigen Rückzug auch im zweiten Anlauf die Bemerkung nicht sparen konnte, sie wolle auch die einundzwanzig Prozent noch überzeugen. Für ihre Netzkritiker hatte sie ihre Überzeugungskraft da schon verloren.

Das ist insofern verständlich, als die Freude der Grünen am Bunten oft abnimmt, wenn es um das Eigene geht und das Fremde gern eigenen Vorstellungen angepasst wird. Nach der Europawahl stehen die Zeichen auf Abrechnung mit grüner Moral. Ein User mit fußballerischem Sachverstand erinnerte Göring-Eckardt an die Mannschaftsaufstellungen von 1954 und 1974. Man könnte natürlich auch darauf hinweisen, welche Spieler halfen, die dunkle Epoche des Rumpelfußballs zu überwinden, aber da wäre man schon wieder in die Hautfarbenfalle getappt. Ganz egal, wie man über die Sache denkt, ist es nie schön zu sehen, wenn sich der Spott des Netzes über einen Menschen ergießt.

Im Labyrinth der Identitätspolitik kann sich der Fußball nur verirren. Das war schon so, als sich die FIFA, die es bei ihren Finanzgeschäften mit der Moral nicht übertreibt, den Anti-Rassismus-Kampf auf die Fahnen schrieb, und es wurde nicht besser, als Manuel Neuer den Moralbotschafter in sich entdeckte, bis ihm die FIFA das bei der WM in Qatar wieder ausredete. Am Mittwoch machte Neuer es besser. Er hielt den Mund – und den Ball.

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