Der Streit zwischen der russischen Gazprom und der österreichischen OMV eskaliert. Ab Samstag will Gazprom keine weiteren Gasmengen mehr an den teilstaatlichen Energiekonzern liefern, gab das Unternehmen am späten Freitagnachmittag bekannt. Die Preise an den europäischen Börsen zogen daraufhin prompt an. Hintergrund ist ein Urteil eines Schiedsgerichts, das der OMV 230 Millionen Euro plus Zinsen an Schadenersatz von Gazprom für unregelmäßige Lieferungen zugesprochen hat. Das österreichische Unternehmen kündigte danach an, nichts mehr für russische Erdgaslieferungen bezahlen zu wollen, bis die Schuld getilgt sei.
Österreich bezieht als eines der letzten Länder in der Europäischen Union mehr als zwei Jahre nach Kriegsausbruch in der Ukraine zwei Drittel seines Erdgases aus Russland. Im August kamen 82 Prozent aller Gasimporte aus dem Land. Ein Grund dafür ist, dass die OMV einen langfristigen Liefervertrag mit Gazprom hat, der noch bis 2040 läuft. Dieser Vertrag enthält auch eine Take-or-Pay-Klausel, welche die OMV verpflichtet zu zahlen, unabhängig davon, ob das Gas bezogen wird oder nicht. Pro Monat erhielt die OMV bisher etwa vier bis fünf Terawattstunden (TWh) Gas aus Russland.
Kein Gasmangel zu befürchtenÖsterreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) war bei einem eilig einberufenen Pressetermin am Freitagabend um Beruhigung bemüht: „Wir haben diesen Schritt lange erwartet und sind darauf vorbereitet“, sagte er. Die Speicher seien voll und niemand im Land werde deshalb heuer frieren müssen. Die Republik werde auch „wachsam“ gegenüber allen Arten der Spekulation auf den Gaspreis bleiben. „Das Vorgehen der russischen Gazprom beweist heute einmal mehr: Russland ist kein Partner“, merkte Umweltministerin Eleonore Gewessler (Grüne) bereits im Vorfeld an. Aber am Samstag ende auch eine Gefahr: „Wenn wir keine russischen Lieferungen mehr beziehen, sind wir nicht mehr erpressbar“.
Der heimische Energieregulator E-Control betonte am ebenfalls Freitag, dass Österreich trotz des Lieferstopps keinen Gasmangel zu befürchten habe. Auch die OMV sieht sich aufgrund der vollen Gasspeicher und einer veränderten Lieferantenstruktur gut auf die aktuelle Situation vorbereitet. Die eigene Gasproduktion in Norwegen und etliche langfristige Verträge würden die notwendigen Gasmengen garantieren. Zudem habe man sich Transportkapazitäten via Italien und Deutschland für 45 TWh im Jahr gesichert. Das ist mehr als die Hälfte des Jahresbedarfs in Österreich. Fällt Russland aus, würde das die OMV einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag kosten, sonst aber nicht viel verändern.
Preise werden steigenE-Control-Chef Alfons Haber warnte allerdings davor, dass der Lieferstopp aus Russland kurzfristig zu Preiserhöhungen führen werde, die allerdings nicht auf dem Niveau von 2022 liegen sollten. Kompensieren könne Österreich das russische Erdgas mit LNG über Deutschland oder Italien. Die Gaspreise in Europa waren bereits am Donnerstag auf den höchsten Stand seit einem Jahr gestiegen. Terminkontrakte am niederländischen Handelspunkt stiegen um fünf Prozent auf 45 Euro pro Megawattstunde.