"Hasse Holland wie die Pest": Die Wurzeln der deutsch ...

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"Hasse Holland wie die Pest" Die Wurzeln der deutsch-niederländischen Fußball-Rivalität liegen tief

Von Ben Redelings 14.10.2024, 12:28 Uhr

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Wenn im Fußball die deutsche Nationalmannschaft auf die niederländische Elftal trifft, dann liegt immer ein Hauch von Extra-Spannung über der Partie. Und tatsächlich sind die Wurzeln dieser ganz besonderen Rivalität tiefer, als man denken könnte - und gehen weit übers Sportliche hinaus.

"Ich liebe Super Skunk und ich liebe Sause speciaal. Aber eine Sache gibt's, da bin ich meganational. Es kam über die Jahre und jetzt sitzt es ziemlich fest. Solange es um Fußball geht, hasse ich Holland wie die Pest." Götz Widmann von der Band "Joint Venture" hat einst mit diesen Zeilen die spezielle Hass-Liebe zwischen den deutschen und niederländischen Fußballnationen auf den Punkt gebracht. Es ist eine außergewöhnliche Beziehung, die von Generation zu Generation weitergegeben wird, aber vermutlich ihre intensivsten Phasen mittlerweile hinter sich hat. Aber bei dieser speziellen Rivalität weiß man es eigentlich nie.

Kinder, die in den 1970er-Jahren geboren worden sind, erinnern sich bis heute an einen Klassiker unter den Witzen. Spätestens bei jedem Besuch bei unseren Nachbarn musste er einmal vorgetragen werden: "Papa, warum haben die niederländischen Kinder eigentlich so große Ohren?" "Das kommt davon, mein Junge, dass ihre Väter die Kleinen an der Grenze immer an den Ohren gen Osten in die Lüfte gehoben und gesagt haben: Guck mal, da drüben wohnt der Weltmeister!"

"Echte Hassgefühle"

Und tatsächlich war das Endspiel der WM 1974 ein echter Nackenschlag für gleich mehrere Generationen von Niederländern. Der Torhüter der siegreichen EM-Mannschaft von 1988, Hans van Breuckelen, schilderte einst nach dem Halbfinalsieg der Elftal gegen Deutschland seine Erinnerungen an die WM 1974: "Ich war damals 17 und saß in mein orangefarbenes Shirt gehüllt vor der Röhre. Ich weiß noch gut, wie krank ich mich nach dem Spiel fühlte." Kein Wunder also, dass sich sein Kollege und heutige Bondscoach Ronald Koeman damals nach der Partie 1988 im Hamburger Volksparkstadion dazu hinreißen ließ, mit dem getauschten Trikot von Olaf Thon demonstrativ seinen Hintern abzuputzen. "Echte Hassgefühle" hätten ihn an diesem emotionalen Abend angetrieben, erzählte er später einmal.

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"Endlich Rache!" schrieb der "De Telegraaf" damals - und erinnerte damit an die Schmach von 1974. "Diese Deutschen können uns nie schlagen", hatte vor dem Finale in München der spätere Bundesligatrainer und damalige Spieler Arie Haan gemeint - und damit ein Gefühl ausgedrückt, das der deutsche Nationalspieler Bernd Hölzenbein nach dem Endspiel so beschrieb: "Wir nahmen uns vor, ihnen in die Augen zu schauen und so zu zeigen, dass wir genauso groß waren wie sie. Sie hatten das Gefühl, unschlagbar zu sein - man konnte es ihren Blicken ansehen. Ihre Haltung uns gegenüber war: Mit wie vielen Toren Unterschied wollt ihr heute verlieren, Jungs."

"Hau nicht immer auf die Knochen"

Dass es damals nicht so kam, lag insbesondere auch an einem - Berti Vogts - wie die schwedische Zeitung "Aftonbladet" nach dem Finale schrieb: "Der lebende Rasenmäher Vogts schaffte das Unmögliche und brachte Cruyff aus dem Gleichgewicht." Der große niederländische Nationalspieler soll sich übrigens schon nach sieben Minuten im Finale bei Vogts höchstpersönlich beschwert haben: "Spiel Fußball, hau doch nicht immer auf die Knochen." Doch der deutsche "Rasenmäher" erwiderte nur schulterzuckend: "Tut mir leid. Anders kann ich dich doch nicht halten!" Dass Johan Cruyff an diesem Tag allerdings ohnehin nicht ganz so fit war, lag an einer anderen delikaten Geschichte, die mit "Sekt, nackten Mädchen und einem kühlen Bad" zu tun hatte - und damals zusätzlich Öl ins Feuer dieser speziellen Beziehung goss.

Tatsächlich muss man wohl sagen, dass die Rivalität seit Anbeginn an auf der niederländischen Seite etwas verbissener geführt wurde als auf der deutschen. Und das hatte vor allem etwas mit der Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg zu tun. Als damals die Wehrmacht schließlich das Land verlassen musste, klauten nicht wenige deutsche Soldaten das nächsterreichbare Zweirad. Daraus hat sich bis heute das geflügelte Wort für allzu unsensibel auftretende Deutsche im eigenen Land erhalten: "Gib mir mein Fahrrad zurück". Und als die Nachbarn 1988 bei der EM in Deutschland im Halbfinale auf den Gastgeber trafen, hingen im Volksparkstadion Banner auf denen stand: "Oma, wir haben dein Fahrrad gefunden!"

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"Passt auf, sie werden es wieder tun"

Wie tief diese Wurzeln aus Kriegszeiten liegen hat auch einmal der niederländische Schiedsrichter Frans Derks beschrieben, der durch die Darstellungen seines Vaters über diese Zeit geprägt war. Und so erzählte der frühere UEFA-Schiri einmal folgende Geschichte: "Als mein Vater starb, habe ich ihm kurz vor seinem Tod noch zwei Dinge versprochen: Ich werde erstens niemals nur aus Vergnügen nach Deutschland fahren. Und zweitens: Unter meiner Leitung wird ein deutscher Klub nie gewinnen. Daran habe ich mich gehalten. Wenn wir über Deutschland sprechen, dann reden wir auch über ein Volk, das solche Menschen wie Goethe und Schiller hervorgebracht hat. Nach jahrelangen Studien darf ich euch aber einen Ratschlag geben: Passt auf, denn sie werden es wieder tun!

Vor dem Europapokal-Spiel zwischen Katowice und dem 1. FC Köln habe ich damals Auschwitz besucht. Ich war danach vollkommen von der Rolle und hatte eigentlich keine Lust mehr, ein Spiel zu pfeifen. Das Einzige, was ich tun konnte, war, den Moffenverein nicht gewinnen zu lassen. Am Ende ging es unentschieden aus. Nach dem Abpfiff waren sie auch noch zufrieden mit mir. Das muss man sich mal vorstellen: Da habe ich bei den Arschlöchern auch noch einen guten Eindruck hinterlassen!"

Stasi kennt Neeskens nicht
Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.

Sein aktuelles Werk ist "Das neue Buch der Fußballsprüche" mit weit über 10.000 Sprüchen aus der bunten Welt des Fußballs.

Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Es ist eine Geschichte, die zeigt, wie intensiv diese sportliche Rivalität durch die gemeinsame Historie geprägt war und vermutlich immer noch in Teilen ist. Doch neben allen Misstönen waren und sind die Bewunderung und der gegenseitige Respekt stets auch hoch gewesen - wie eine kleine Anekdote über den jüngst unerwartet verstorbenen Johan Neeskens zeigt. Der DDR-Nationalspieler Gerd Kische sollte dereinst von der Stasi angeworben werden, verweigerte sich aber den drängenden Avancen. Einen möglichen Decknamen trugen sie aber dennoch in seine Akte ein: "IM Neesken"

Denn als Mitarbeiter der Stasi Kische eines Tages fragten, unter welchem Namen er geführt werden wolle und welchen Fußballer er bewundere, sagte er: "Johan Neeskens". Das "s" an seinem Namen als IM habe die Stasi aber wohl damals vergessen. Wahrscheinlich seien sie einfach keine Fußballfans gewesen, meinte Gerd Kische einmal - und freute sich immer noch darüber, dass er bei der WM 1974 gemeinsam mit seinem niederländischen Idol auf dem Platz hat stehen dürfen. Und auch das ist ein Teil der deutsch-niederländischen Fußball-Beziehungen. Ein versöhnlicher noch dazu.

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