Merz an Scholz im Bundestag: „Sie leben in Ihrer eigenen Welt“
Der Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz (CDU) hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorgeworfen, für die Spaltung des Landes verantwortlich zu sein. „Sie spalten das Land“, sagte er am Mittwoch im Bundestag. „So kann man ein Land einfach nicht regieren.“ Merz kritisierte scharf das Agieren des Bundeskanzlers nach dem Bruch der Ampelkoalition vor einer Woche, und nannte dessen Umgang mit der Vertrauensfrage „vollkommen inakzeptabel“. Zuvor hatte Scholz in seiner Regierungserklärung seine Entscheidung zur Entlassung des Finanzminister Christian Lindner (FDP) und dem damit verbundenen Ende der Ampelkoalition verteidigt. „Diese Entscheidung war richtig und auch unvermeidlich“, sagte er. Lindner sagte: „Manchmal ist eine Entlassung auch eine Befreiung.“
Scholz umwarb die Union in seiner Rede und forderte sie auf, bis zur Neuwahl zusammenzuarbeiten, um noch Gesetze im Bundestag zu beschließen. „Lassen Sie uns da, wo wir uns einig sind, auch einig handeln“, sagte er. Als Beispiele führte Scholz den Abbau der kalten Progression, die Wachstumsinitiative, die Erhöhung des Kindergeldes und den Schutz des Bundesverfassungsgerichtes an, auf den sich die Ampel-Partner bereits mit der Unions-Fraktion geeinigt hatten. „Ich bitte um den Schutz des Bundesverfassungsgerichts“, sagte Scholz. Es könne manchmal schwer werden, wenn Populisten stark würden, zeige ein Blick in Nachbarländer. Scholz hob auch mit Blick auf den anstehenden Wahlkampf in Deutschland und die Wahl in Amerika hervor: „Es gibt keine Politik ohne Kompromisse.“
Merz, der auch Kanzlerkandidat der Union ist, erklärte zwar die Bereitschaft, zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts das Grundgesetz zu ändern. Er machte aber auch deutlich, dass eine weitere Zusammenarbeit erst möglich ist, wenn über die Vertrauensfrage entschieden worden sei. „Sie haben hier von dieser Stelle aus keine Bedingungen zu stellen“, sagte Merz in Richtung Scholz. „Wir sind nicht der Auswechselspieler für Ihre auseinandergebrochene Regierung.“ Die Regierungserklärung von Scholz kritisierte er scharf: „Das, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Bundeskanzler, ist nicht von dieser Welt“, sagte Merz. „Sie leben offensichtlich in Ihrem eigenen Kosmos, in Ihrer eigenen Welt.“
Scholz zeigte sich erleichtert, dass die Fraktionen von Union und SPD sich zuvor auf einen Fahrplan zu den Neuwahlen geeinigt hatten: am 16. Dezember soll Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag stellen, und nachdem er diese verloren hat, soll es am 23. Februar kommenden Jahres Neuwahlen geben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der nach einer verlorenen Vertrauensfrage über die Auflösung des Bundestages entscheiden muss, hatte bereits nach einem Treffen mit den Spitzen der Fraktionen von SPD, Union und Grünen mitgeteilt, dass er den Termin für die Neuwahl für realistisch halte.
Vor genau einer Woche war die Ampelkoalition am Streit über einen Überschreitungsbeschluss unter anderem für mehr Hilfe für die Ukraine gescheitert – Scholz hatte eine Zusage des Finanzministers Lindner dazu eingefordert, und nachdem diese ausgeblieben war, Lindner als Minister entlassen. Scholz verband die Entlassung Lindners im Anschluss mit scharfen Vorwürfen gegen ihn.