Debatte zur Regierungserklärung: Scholz sucht Kompromisse, Merz ...
Unionschef Friedrich Merz hält Scholz nicht für regierungsfähig, FDP-Chef Christian Lindner bemängelt dessen Wirtschaftspolitik. Der Kanzler selbst fordert Kompromisse.
Aktualisiert am 13. November 2024, 17:44 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters, als
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Nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz hat es im Bundestag heftige Kritik an seiner Arbeit der vergangenen Jahre gegeben. CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sprach Scholz jede Regierungs- und Führungskompetenz ab. "Sie spalten das Land, Herr Bundeskanzler", sagte Merz. "Sie sind derjenige, der für diese Kontroversen und für diese Spaltung in Deutschland verantwortlich ist." So könne man ein Land nicht regieren. Auch von FDP-Chef Christian Lindner und CSU-Chef Markus Söder gab es heftige Kritik, SPD-Chef Mützenich rief zur Zusammenarbeit auf.
Scholz hatte zuvor in einer Regierungserklärung die Entlassung Lindners als Finanzminister und das damit verbundene Aus der Ampel-Koalition als "unvermeidlich" verteidigt. Gleichzeitig warnte er vor einer Spaltung des Landes und rief dazu auf, in der Politik weiter auf Kompromisse zu setzen. Er sei überzeugt: "Der Weg des Kompromisses bleibt der einzig richtige Weg."
Sowohl Scholz als auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich appellierten vor allem an Oppositionsführer Merz, er solle dazu beitragen, dass etliche Gesetzesvorhaben noch vom Bundestag beschlossen werden könnten. "Mein Appell an dieses Haus: Lassen Sie uns da, wo wir einig sind, auch einig sein", sagte der Kanzler. Mützenich rief zu einer sachlichen Zusammenarbeit auf. "Schlagen Sie sich dort nicht in die Büsche. Es ist wichtig, dass die Menschen Sicherheit haben", sagte er in Richtung Merz. Er verwies auf die Erhöhung des Kindergelds, die Abmilderung der kalten Progression, das Deutschland-Ticket und Gesetzesvorhaben zur Entlastung der Wirtschaft.
Merz und Lindner fordern neuen Kurs bei Wirtschaft und MigrationOppositionsführer Merz wies diese Forderungen zurück. "Sie haben hier von dieser Stelle aus keine Bedingungen mehr zu stellen", sagte er in Richtung Scholz. "Wir sind nicht der Auswechselspieler für ihre auseinandergebrochene Regierung." Merz forderte einen grundlegenden Neustart in der Wirtschafts- und Migrationspolitik.
FDP-Chef Lindner warf Scholz eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor. "Wer nur im Kreis läuft, kann keine Fortschrittskoalition führen", sagte der frühere Bundesfinanzminister. Die Regierung sei auch daran gescheitert, "dass wir im Kabinett nicht mehr über dasselbe Land gesprochen haben", sagte Lindner. Er fügte hinzu: "Wer schon die Herausforderung nicht gemeinsam beschreiben kann, der musste an ihrer Bewältigung scheitern." Er warf Scholz vor, den Bruch der Koalition provoziert zu haben. Die Neuwahl bezeichnete er als Chance. Er forderte, ebenso wie Merz, einen neuen Kurs bei Wirtschaft und Migration.
Söder spricht bereits von "Kanzler Merz""Keine Regierung hat dieses Land tiefer gespalten als die Ampel-Regierung", sagte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder. Scholz warf er einen "totalen Realitätsverlust" vor. Außerdem kritisierte Söder die "gescheiterte Wirtschaftspolitik" von Vizekanzler Robert Habeck. Die Ampel habe die Wirtschaftskrise selbst verschuldet. Er sprach bereits von einem "Kanzler Friedrich Merz".
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) war wegen einer Panne eines Regierungsfliegers nicht anwesend. Stattdessen sprach seine Parteikollegin und Außenministerin Annalena Baerbock. Sie räumte Probleme in der Ampel-Koalition ein, die ein schwieriges Bündnis gewesen sei. Allerdings sei der Versuch, eine Ampel-Regierung zu bilden und zusammenzuhalten, immer noch verantwortungsvoller als das Vorgehen von CSU-Chef Söder, der 2021 ein Jamaika-Bündnis verhindert habe.
Baerbock erhebt Vorwürfe gegen CDUDie Grünen würden sich an "diesem Wettbewerb: 'Wer redet Deutschland schlechter'" nicht beteiligen, sagte Baerbock. "In schwierigen Zeiten steht Deutschland zusammen, und genau das müssen wir jetzt wieder tun", forderte die Außenministerin.
AfD-Chefin Alice Weidel übte deutliche Kritik an Scholz und Merz. Die Ampel habe wie keine Regierung zuvor Wohlstand zerstört und das Land geschädigt, sagte sie. Dem Unionsfraktionschef warf sie Heuchelei vor. Er wolle keine Politikwende für Deutschland. "Ihnen geht es ganz allein um sich selbst, um Ihre Macht, um Partei-Taktiererei und vor allen Dingen um Ihre Eitelkeit. Mit Ihnen als 'Ersatz-Scholz' kommt Deutschland nicht voran", sagte sie. Auch Merz' Aussage, die Union werde nicht mit der AfD zusammenarbeiten, kritisierte sie deutlich.
Auch die Vorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, zeigte sich unzufrieden mit Scholz und Merz. "Das Erbe der Ampel ist eine tiefe Wirtschaftskrise und ein verunsichertes Land, in dem Existenzsorgen und Zukunftsängste viele Menschen belasten", sagte Wagenknecht. Zugleich warf sie Merz vor, er mache Politik für die "oberen Zehntausend" in Deutschland.
Am 16. Dezember will Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Die Neuwahl soll am 23. Februar stattfinden.
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