Frankreich: Hohe Wahlbeteiligung sorgt für Spannung

2 Tage vor
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Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich ist die Wahlbeteiligung am Sonntag zu Mittag deutlich höher gelegen als bei früheren Urnengängen. Bis 17.00 Uhr hatten knapp 60 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, wie das Innenministerium mitteilte. Das ist die höchste Beteiligung seit 46 Jahren. Und das macht die Aufgabe der Wahlhochrechner schwieriger – und die zweite Runde mit den Stichwahlen in einer Woche wohl noch spannender.

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Auch in den französischen Überseegebieten, wo die Wahl wegen der Zeitverschiebung am Samstag begonnen hatte, zeichnete sich eine deutlich höhere Wahlbeteiligung ab. Umfragen zufolge könnte die Wahlbeteiligung bei insgesamt bis zu 65 Prozent liegen, das ist deutlich mehr als bei der Wahl 2022, wo sie bei 47,5 Prozent lag. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatte die Neuwahl überraschend nach der Wahlschlappe des Regierungslagers bei der Europawahl Anfang Juni ausgerufen.

Seine Hoffnung, die Franzosen würden bei einer nationalen Wahl anders abstimmen als bei dem EU-weiten Urnengang, scheint sich den Umfragen zufolge nicht zu bestätigen – im Gegenteil: Die Rechtspopulisten vom Rassemblement National (RN) werden wohl als stärkste Fraktion aus dem ersten Wahlgang hervorgehen. Mit ersten Ergebnissen wird mit dem Schließen der Wahllokale um 20.00 Uhr gerechnet.

Parlamentswahl in Frankreich startet

In Frankreich findet am Sonntag die erste Runde der Parlamentswahl statt, die für das Land, Europa und darüber hinaus weitreichende Folgen haben könnte. Der liberale Präsident Emmanuel Macron rief nach seiner Niederlage bei der EU-Parlamentswahl sofort die Neuwahl aus und pokert damit hoch. Denn sein Lager ist mit Abstand am schwächsten. Ob sein Kalkül, alle Gegner der extremen Rechten hinter sich scharen zu können, aufgeht, ist fraglich.

Wahlkreise entscheidend

Doch die Parteiergebnisse haben nur relativ geringe Aussagekraft: Die 577 Sitze werden im Mehrheitswahlrecht vergeben. Für den Mandatsgewinn ist im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit im Wahlkreis nötig – aber auch 25 Prozent der Stimmen der insgesamt Wahlberechtigten.

Mit einer hohen Wahlbeteiligung ist die zweite Hürde leichter zu nehmen, damit werde am Sonntag in mehr Wahlkreisen ein zweiter Wahlgang wohl obsolet, schreibt „Le Monde“. Während bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren gerade einmal vier Sitze in der ersten Runde errungen wurden, könnten dem Umfrageinstitut Ipsos zufolge dieses Mal bereits 80 bis 90 Sitze direkt gewonnen werden.

Spannender zweiter Wahlgang

Umgekehrt sorgt die hohe Wahlbeteiligung aber laut „Le Monde“ auch dafür, dass in mehr Wahlkreisen kommenden Sonntag mehr als zwei Kandidaten um das Mandat kämpfen: Im zweiten Wahlgang dürfen die beiden Erstplatzierten antreten – plus weitere Kandidatinnen und Kandidaten, die mehr als 12,5 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten auf sich vereinen konnten. Dann wiederum stellt sich die Frage, wie viele Kandidatinnen und Kandidaten sich möglicherweise zurückziehen, um den Sieg eines RN-Kandidaten zu verhindern.

In einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage lag RN mit 36 Prozent voran – gefolgt vom links-grünen Wahlbündnis Neue Volksfront mit 29 Prozent der Stimmen. Das Regierungslager folgt weit abgeschlagen mit 19,5 Prozent. Für eine absolute Mehrheit sind 289 der 577 Sitze notwendig.

Stimmung am Wahltag in Frankreich „explosiv“

ORF-Korrespondentin Leonie Heitz berichtet aus in Paris und spricht über die „explosive“ Stimmung am Tag der Parlamentswahl nach einem turbulenten Wahlkampf. Sie gibt außerdem einen Ausblick, was ein Sieg des Rassemblement National für die politische Zukunft Frankreichs bedeuten würde.

Macron muss Cohabitation fürchten

Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen. Sollte der RN die absolute Mehrheit erreichen, hätte das schwerwiegende Folgen. Macron wäre de facto gezwungen, den 28 Jahre alten Parteichef Jordan Bardella zum Premierminister zu machen.

Es gäbe dann eine Cohabitation. Macrons Macht würde deutlich schrumpfen, der Premier würde wichtiger. In einem solchen Szenario hätte Macron Schwierigkeiten, seine Linien international durchzusetzen. Das wiederum könnte der früheren RN-Parteichefin Marine Le Pen den Weg ebnen, 2027 Präsidentin zu werden.

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