Frankreich-Wahl: Front gegen Sieg von Le Pen

3 Tage vor

Frankreich-Wahl

In Frankreich kämpfen Rechtspopulisten einerseits und Linksparteien und Liberale andererseits nach der ersten Runde der Parlamentswahl am Sonntag um die Macht im Land. Da ein Mehrheitswahlrecht gilt, fällt die Entscheidung für viele Abgeordnetensitze erst nächsten Sonntag in der zweiten Wahlrunde.

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Online seit heute, 7.25 Uhr (Update: 13.08 Uhr)

Marine Le Pens rechtspopulistischer Rassemblement National (RN) hofft nach dem herausragenden Abschneiden in der ersten Runde, in einer Woche die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu holen und so an die Regierung zu kommen. Präsident Emmanuel Macron und das linke Lager wollen versuchen, das mit einer gemeinsamen Front bei der Stichwahl am 7. Juli zu verhindern.

Wie erwartet landete der RN mit seinen Verbündeten in der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl mit 33 Prozent vorne. Damit könnten die Rechtspopulisten laut Prognosen im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden. An der absoluten Mehrheit von 289 Sitzen scheitern sie aber womöglich klar oder knapp.

Macrons Partei nur auf Platz drei

Das Mitte-Lager Macrons landete mit 20 Prozent auf Platz drei hinter dem Linksbündnis Nouveau Front populaire mit 28 Prozent. Die Linken könnten auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken. In der ersten Wahlrunde wurden davon 76 Wahlkreise direkt entschieden, 37 gingen an Kandidaten des RN und zwei weitere an Rechtsaußen-Kandidaten.

Bardella freute sich Sonntagabend über den Wahlerfolg in der ersten Runde Rückzug aus taktischen Gründen

Sowohl aus dem Linksbündnis als auch von Macrons Partei hieß es noch Sonntagabend, man werde in den Wahlkreisen, in denen man auf dem dritten Platz gelandet sei, zugunsten der Kandidatinnen und Kandidaten zurücktreten, die in der Lage sind, den RN zu schlagen.

Premier Gabriel Attal, der um seinen Posten bangen muss, mahnte am Sonntag: „Noch nie in unserer Demokratie war die Nationalversammlung wie heute Abend dem Risiko ausgesetzt, von der extremen Rechten dominiert zu werden.“ Es sei eine moralische Pflicht, alles zu tun, um das Schlimmste zu verhindern.

Wirtschaftsminister schert aus

Wirtschaftsminister Bruno Le Maire rief allerdings dazu auf, der linkspopulistischen Partei La France insoumise (LFI), die federführend zum Linksblock Nouveau Front populaire (NFP) gehört, auch dann keine Stimme zu geben, wenn damit der Sieg eines RN-Kandidaten in einem Wahlkreis verhindert werden könnte. Grünen-Chefin Marine Tondelier reagierte mit Entsetzen auf Le Maires Wahlempfehlung. „Das ist feige und der historischen Tragweite nicht angemessen“, sagte sie unter Tränen dem Sender France Inter.

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Le Pen versucht zu mobilisieren

Le Pen rief dazu auf, ihrer Partei bei den kommenden Stichwahlen zu einer absoluten Mehrheit zu verhelfen. „Nichts ist gewonnen, die zweite Runde ist entscheidend.“ RN-Parteichef Jordan Bardella kündigte an, mit einer absoluten Mehrheit im Parlament als Ministerpräsident die Regierung übernehmen zu wollen.

Heitz (ORF): Allianz der Le-Pen-Gegner

ORF-Korrespondentin Leonie Heitz erklärt, dass das Macron-Lager und das Linksbündnis eine Allianz gegen den rechtspopulistischen Rassemblement National bilden werden.

Macron vor Cohabitation

Frankreich steht vor einer Cohabitation – Präsident und Regierungschef oder -chefin kommen aus unterschiedlichen Parteien – und damit politischen instabilen Zeiten. Sollte der RN tatsächlich die absolute Mehrheit holen, wäre Macron faktisch gezwungen, einen Premier aus den Reihen der Rechtsaußen-Partei zu ernennen. Denn das Unterhaus kann die Regierung stürzen.

Aber auch wenn das linke Lager künftig den Regierungschef bzw. die Regierungschefin stellt, ist Macrons Handlungsspielraum künftig deutlich eingeschränkt. Mit dem Ausrufen der vorzeitigen Parlamentswahl hatte sich Macron, der vor allem mit dem Versprechen, Le Pen von der Macht fernzuhalten, angetreten war, vertan.

Demos gegen extreme Rechte

Während die Anhänger des RN auf den Machtwechsel hoffen, fürchtet sich ein Großteil der Franzosen vor einer Machtübernahme der Rechtspopulisten. Am Sonntagabend demonstrierten Tausende Menschen in Paris und etlichen anderen Städten gegen die extreme Rechte.

Jean-Luc Melenchon mit anderen Vertreterinnen des linken Wahlbündnisses Sonntagabend Folgen für ganz Europa

Europa müsste sich in dem Fall darauf einstellen, dass das gespaltene Land keinen klaren Kurs mehr verfolgt und unzuverlässiger wird. Als Präsident hat zwar Macron in der Außenpolitik Vorrang. Sollte aber der 28-jährige RN-Spitzenkandidat Bardella Premier werden, dürfte Macron seine Linie schwerlich ungehindert fortsetzen können. Statt neuer Initiativen stünde in Frankreich Verwaltung an der Tagesordnung.

Im Gegensatz zu Macron gibt der RN wenig auf die enge Zusammenarbeit mit Deutschland. Die deutsch-französische Achse gilt seit jeher als Motor des europäischen Einigungsprozesses. Auch möchte die Partei den Einfluss der Europäischen Union in Frankreich eindämmen.

Frankreich droht Stillstand

Sollten sich die aktuellen Prognosen hingegen bewahrheiten und keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Koalitionsverhandlungen. Derzeit ist nicht absehbar, wie die grundverschiedenen politischen Akteure für eine Regierung zusammenkommen können.

Wird keine Lösung gefunden, könnte die aktuelle Regierung als eine Art Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich würde in einem solchen Szenario politischer Stillstand drohen. Neue Vorhaben könnte eine Regierung ohne Mehrheit nicht auf den Weg bringen.

Die Börsenkurse in Paris und der Euro kletterten nach dem Wahlabend nach oben. Der RN schnitt schlechter ab, als in manchen Umfragen vorhergesagt war, und bei Bildung eines Anti-rechts-Blocks ist die absolute Mehrheit der Partei von Le Pen nicht gesichert. Die Ankündigung der vorgezogenen Neuwahl hatte die Börsen absacken lassen. Aus Österreich kam am Montag eine Gratulation der FPÖ für den RN.

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