Frankreich: Häftling brutal befreit – Das ist über die „Fliege“ bekannt

15 Mai 2024

Panorama Polizisten getötet

Häftling in Frankreich brutal befreit – Das ist über die „Fliege“ bekannt

Stand: 13:30 Uhr | Lesedauer: 5 Minuten

Frankreich - Figure 1
Foto DIE WELT

Video zeigt spektakuläre Flucht von Drogenboss „Die Fliege“

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Nach dem Überfall auf einen Gefangenentransporter in Frankreich jagt die Polizei den entflohenen Häftling und die Täter. Gesucht wird nach einem 30-Jährigen mit Spitznamen „die Fliege“. Sein Anwalt gibt sich „völlig verblüfft“ von der Aktion.

Unter Hochdruck sucht die Polizei in Frankreich nach den Tätern, die am Dienstag gegen 11 Uhr einen Gefangenentransporter überfielen und einen Häftling befreiten. Zwei Beamte wurden dabei vor den Augen anderer Autofahrer an einer Mautstelle in der Normandie getötet, weitere verletzt.

Die Behörden haben inzwischen das Fahndungsfoto des Häftlings veröffentlicht, den die Moderatoren des französischen Senders BFMTV als „Staatsfeind Nummer 1“ bezeichnen.

Die französische Polizei veröffentlichte das Fahndungsfoto des Flüchtigen: Mohamed Amra

Quelle: AFP/-

Innenminister Gérald Darmanin versprach in einer Nachricht auf X, dass „alle Mittel eingesetzt werden, um diese Kriminellen zu finden“. Allein im Département Eure seien 450 Polizisten und Gendarme im Einsatz, sagte Innenminister Gérald Darmanin am Mittwoch dem Sender RTL. Die Pariser Staatsanwaltschaft leitete zudem ein Verfahren wegen Mordes und versuchten Mordes, aber auch den Erwerb und Besitz von Kriegswaffen ein.

Bei dem entflohenen Häftling soll es sich demnach um Mohamed Amra, genannt „die Fliege“ („La mouche“), handeln. Der 30-Jährige war am 10. Mai wegen eines Einbruchs in sieben Fällen – unter anderem in Supermärkten – zu einer 18-monatigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Anklage hatte 24 Monate gefordert, berichten französische Medien.

13 Vorstrafen wegen kleinerer Vergehen

Bei dieser einen Verurteilung wäre es für Amra wohl nicht geblieben, denn die Staatsanwaltschaft wirft ihm auch eine „Entführung und Freiheitsberaubung mit Todesfolge“ im Juni 2022 vor. Damals war die Leiche eines Mannes in einem ausgebrannten Auto entdeckt worden, später stellte sich heraus, dass er mit einem Kopfschuss getötet worden war. Als das bewaffnete Kommando am Dienstag zuschlug, befand sich Amra gerade wegen dieser neuen Anklagepunkte auf dem Weg von einem Gerichtstermin in das Gefängnis Val de Reuil in der Nähe von Rouen.

Die Ermittler vermuten, dass Amra in enger Verbindung mit einer Drogenbande in Marseille stehe. Die französische Zeitung „Le Parisien“ bezieht sich auf eine unbenannte Polizeiquelle, wonach der 30-Jährige verdächtigt wird, an der Spitze eines Drogenrings zu stehen, der sowohl auf dem französischen Festland als auch in der Karibik agiert.

Gegen ihn wird laut „Le Parisien“ auch ermittelt, weil er im Juli 2023 einem Rivalen ein Killerkommando geschickt haben soll. Der Attentäter schoss mitten am Tag in dem spanischen Urlaubsort Puerto Banus auf einen jungen Franzosen, mutmaßlich einem Drogenschmuggler. Zahlreiche Passanten gerieten während der Schießerei in Panik. Amra selbst saß zu der Zeit jedoch im Gefängnis, zudem gelang dem Täter die Flucht.

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Die kriminelle Karriere Amras begann nach Recherchen französischer Medien offenbar früh: Der Sender Europa 1 berichtet, dass er ein sehr langes Vorstrafenregister habe. Allein im Alter zwischen elf und 14 Jahren sei insgesamt 19 Mal auffällig geworden – darunter wegen Gewalttätigkeiten, Erpressung und Einbrüchen. Die Fälle seien jedoch jedes Mal zu den Akten gelegt worden.

Später, als Volljähriger, wurde er dann mehrfach verurteilt, sodass sich insgesamt 13 Vorstrafen angesammelt haben – unter anderem wegen Fahrens ohne Führerschein, Diebstahl oder Beleidigung. Auch soll er bei Verkehrskontrollen trotz Anweisung der Polizei mehrfach nicht angehalten haben.

Mit 21 Jahren rutschte Amra dann vermutlich weiter in die kriminelle Szene ab. In nur wenigen Monaten wurden laut Europa 1 sechs Verfahren von der Polizei gegen Amra eröffnet, darunter wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. So wurde seine DNA am Tatort einer Schießerei gefunden, außerdem soll er an einer Erpressung beteiligt gewesen sein – mehrere Täter hatten von dem Opfer 55.000 Euro gefordert.

Trotz seiner Akte galt Amra nicht als „streng bewachter Häftling“, wie Staatsanwältin Laure Beccuau bestätigte. Dabei hatte Amra nach Aussage von Mithäftlingen bereits am Wochenende zuvor einen Fluchtversuch unternommen und die Gitterstäbe seiner Zelle zersägt.

Am Morgen vor dem Überfall war er „völlig normal“

Nach dem Überfall äußerte sich Amras Anwalt zu der Tat: Hugues Vigier zeigte sich „völlig verblüfft“ von der Gewalttätigkeit seines Mandanten: „Dies entspricht nicht dem Eindruck, den ich von ihm hatte“, so Vigier im Interview mit BFMTV. Es habe noch am Dienstagvormittag ein Treffen mit ihm gegeben. „Für den Morgen war ein kurzes, etwa einstündiges Treffen geplant, mein Assistent hat Herrn Amra gesehen und er war völlig normal“, sagte Vigier. Sein Mandant wusste allerdings von dem Transport und es sei möglich, dass er anderen davon erzählt habe. Seine Komplizen schienen jedenfalls bestens informiert gewesen zu sein, da sie bereits an der Mautstelle auf den Transporter warteten.

Auch die Mutter Amras wird in der französischen Presse zitiert: „Er redet nicht mit mir. Er ist mein Sohn, er redet mit mir über gar nichts.“ Sie habe ihren Sohn mehrfach im Gefängnis besucht. Demnach sei er öfter verlegt worden und schließlich in Isolationshaft gekommen. Französische Medien berichten, dass Amra tatsächlich in mindestens drei verschiedenen Gefängnissen untergebracht war.

Zuletzt hatte es mehrfach Berichte über die zunehmende Gewalt durch Drogenbanden in Frankreich gegeben. Ein Lagebericht des französischen Senats bezeichnete die Situation als dramatisch. „Die Ausbreitung der Drogenkriminalität ist nicht nur das Ergebnis ausländischer Mafias. Sie ist auch das Werk strukturierter und gefährlicher französischer Organisationen, die ohne jede Einschränkung agieren, sei es finanziell, territorial oder in der Ausübung von Gewalt“, heißt es in dem Bericht.

Nicolas Bessone, der Staatsanwalt der Region Marseille, erklärte in französischen Medien, dass die Drogenbanden mittlerweile so reich und mächtig geworden seien, dass sie erfolgreich das Gerichtssystem in Marseille infiltrierten und Beamte korrumpierten. In Marseille waren im Jahr 2023 rund 50 Menschen in Zusammenhang mit Drogenkriminalität getötet worden.

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