Frankreich: Brandanschläge auf TGV-Strecken

26 Jul 2024

Frankreich

Wenige Stunden vor der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Paris haben Unbekannte das Bahnnetz in Frankreich beschädigt und einige der wichtigsten Verbindungen erheblich gestört – die französische Bahngesellschaft SNCF sprach von einem „gravierenden Angriff“. Brandstifter hätten gezielt und koordiniert Feuer an Anlagen entlang dreier Strecken des Hochgeschwindigkeitszugs TGV gelegt. Der Bahnverkehr werde das ganze Wochenende über beeinträchtigt sein, hieß es. Die Suche nach den Tätern läuft auf Hochtouren.

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Foto ORF

Online seit heute, 11.50 Uhr (Update: 19.32 Uhr)

Wer hinter den Anschlägen steckt und ob sie politisch motiviert sind, ist nicht klar – Geheimdienste und Sicherheitskräfte seien mobilisiert, „um die Täter dieser kriminellen Taten zu finden und zu bestrafen“, sagte Premierminister Gabriel Attal. Die Staatsanwaltschaft führt Ermittlungen wegen Schädigung von Staatsinteressen. Laut Verkehrsminister Patrice Vergriete „weist alles darauf hin, dass es sich um mutwillige Aktionen handelt“.

Sportministerin Amelie Oudea-Castera verurteilte den Vandalismus. „Das ist absolut entsetzlich“, sagte sie dem Fernsehsender BFMTV. „Die Spiele ins Visier zu nehmen heißt, Frankreich ins Visier zu nehmen.“ Sie sprach „mit Vorsicht und nach ersten Analysen“ von einer Art koordinierten Sabotage. Regionalpräsidentin Valerie Pecresse sprach im Sender France Info von einem „Akt der Destabilisierung“.

Leitungen mit Glasfaserkabeln in Brand gesetzt

Der Verkehr auf den Strecken sei „stark beeinträchtigt“, betroffen sind jene Verbindungen, die die Hauptstadt mit dem Westen, Norden und Osten des Landes verbinden, hieß es von SNCF – also konkret die TGV-Strecken Richtung Lille im Norden, Bordeaux im Westen und Straßburg im Osten. An den Stellen wurden demnach jeweils Leitungen mit zahlreichen Glasfaserkabeln in Brand gesetzt, die für die Sicherheit der Züge und die Weichenstellungen wichtig sind.

Die Taten seien in der Nacht verübt worden. Die Bahnlinie im Südosten des Landes sei nicht betroffen, dort wurde laut SNCF „ein böswilliger Akt vereitelt“. Insgesamt wirken sich die entstandenen Ausfälle laut SNCF auf etwa 800.000 Fahrgäste aus – sie wurden aufgerufen, die für Freitag geplanten Reisen nicht anzutreten.

„Koordinierte Sabotageakte“

Premierminister Attal nahm am Mittag an einer Sitzung des Krisenzentrums im Verkehrsministerium teil. Zuvor sprach Attal von „koordinierten Sabotageakten“. „Diese Operation wurde vorbereitet und koordiniert, es wurden neuralgische Punkte ins Visier genommen“, sagte Attal. Er denke an alle, die sich auf ihren Urlaub vorbereiteten: „Ich teile ihre Wut und begrüße ihre Geduld, ihr Verständnis und ihren Bürgersinn, den sie an den Tag legen.“

Zahlreiche Passagiere warteten am Gare de Paris-Montparnasse SNCF-Chef: „Anschläge geplant und kalkuliert“

SNCF-Chef Jean-Pierre Farandou sprach von einem „traurigen Tag“. „Es ist ein Anschlag auf die Urlaubsreisen, auf die Franzosen“, sagte er mit Blick auf das Wochenende drei Wochen nach Beginn der Sommerferien, an dem mit starkem Ferienverkehr zu rechnen war. Eine „Bande von Spinnern“ habe das verhindert, erklärte er.

„Wir können annehmen, dass die Anschläge geplant und kalkuliert waren“, sagte Farandou. Die Brandorte entsprächen Gabelungen. Der Zeitung „Le Parisien“ zufolge fanden die Anschläge in Verginy, Courtalain, Croisilles und Pagny-sur-Moselle statt. Laut SNCF wurde eine Tat auf der Südostachse verhindert.

Reparaturen laufen auf Hochtouren

Tausende SNCF-Mitarbeiter seien im Einsatz, um die Schäden zu reparieren. „Heute hätte ein großes Fest sein sollen, die Urlaubsreisen, die Eröffnung der Olympischen Spiele (…), all das ist nun dahin“, erklärte er. Die Bahn rief dazu auf, für den Freitag geplante Reisen nicht anzutreten. Die Fahrkarten würden zurückerstattet.

Ebenso betroffen von den Ausfällen ist auch der Eurostar, der London unter dem Ärmelkanal hindurch mit dem Kontinent verbindet. Züge von und nach Paris würden umgeleitet, teilte die Gesellschaft Eurostar mit. Mehrere Züge seien gestrichen worden. Später bat das Unternehmen Passagiere, am Freitag keine Reise mit dem Eurostar anzutreten, wie die BBC berichtet.

Die ÖBB bieten als Direktverbindung dreimal wöchentlich den Nightjet von Wien über Salzburg nach Paris an. „Die Nightjets fahren in Frankreich aber nicht über die TGV-Strecken. Einschränkungen dieser Züge sind uns nicht bekannt“, hieß es auf APA-Anfrage.

Eröffnungsfeier am Abend

Am Abend hat in der Hauptstadt die Olympiaeröffnungsfeier begonnen. Die Bereiche der Seine, an denen die Feier stattfindet, sind weitläufig für den Autoverkehr gesperrt. Die Sicherheitsvorkehrungen sind bereits sehr hoch, rund um den Flussverlauf ist eine Zone mit hohen Metallzäunen abgeriegelt. Der Luftraum über der Stadt und ihrer Umgebung ist vorübergehend gesperrt.

Mehr als 45.000 Polizisten, 10.000 Soldaten und 2.000 Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen waren im Einsatz. Scharfschützen wurden auf Dächern postiert.

IOC: „Volles Vertrauen in Behörden“

IOC-Präsident Thomas Bach zeigte sich nach den Anschlägen nicht beunruhigt. „Wir haben volles Vertrauen in die französischen Behörden“, sagte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen seien getroffen worden. Die französischen Behörden würden zudem von 180 weiteren Geheimdiensten aus der ganzen Welt unterstützt.

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