Trainings-Analyse zur Formel 1 Las Vegas: Alles bloß ein ...

8 Stunden vor

Die Top-Teams laborieren in den Formel-1-Trainings von Las Vegas an Problemen. Pacesetter Mercedes und Lando Norris winken ab. Was ist eigentlich mit Ferrari?

Formel 1 Las Vegas - Figure 1
Foto Motorsport-Magazin.com

Markus Steinrisser22.11.2024, 12:47 UhrAnalyse

Markus Steinrisser

Formel 1 Ressort

Seit 2018 im F1-Team. Der Mann fürs Textliche. Nichts ist schöner als Action auf- und abseits der Strecke, fusioniert zum großen Feature.MEHR

Ferrari hat bisher in Las Vegas noch nicht viel gezeigt, Foto: LAT Images

Vor dem Beginn des Las-Vegas-GP wurde Ferrari vom Großteil der Formel 1 zum Favoriten auf den Sieg erklärt. Gilt es dieses Urteil nach den ersten beiden Trainings am Freitag zu revidieren? Schließlich waren Mercedes und Lando Norris deutlich stärker, als abgerechnet wurde. Ein Eindruck, den die Fahrer allerdings nur bedingt unterschreiben. Wie auch die Trainings-Analyse von Motorsport-Magazin.com Zweifel hervorhebt.

Wobei sehr wohl die Zeitentabelle des 2. Freien Trainings am Ende nicht lügt. Beide Mercedes, beide Ferrari und zumindest der McLaren von Lando Norris hatten eine saubere Runde stehen, als Alex Albon 23 Minuten vor Schluss mit einem defekten Benzinsystem ausrollte und mit einer roten Flagge die Qualifying-Simulationen vorzeitig beendete. Wirklich verlor dadurch nur Red Bull, wo beide Fahrer zu dem Zeitpunkt noch keine schnelle Runde auf Soft stehen hatten.

Red Bull in Las Vegas im Training kein Faktor

Die hätte aber - um diese Frage gleich einmal zu beantworten - nichts an dem bereits gebrauchten Freitag von Max Verstappen und Sergio Perez geändert. Beide hatten nämlich da sehr wohl schon eine schnelle Runde auf Soft versucht und die nach Fehlern abbrechen müssen. Beide klagten über viel zu wenig Grip.

Das Team hat als größtes Problem den großen Heckflügel des RB20 ausgemacht. Wie schon in Monza kommt auch auf dem Highspeed-Stadtkurs von Las Vegas bloß einer aus dem mittleren Abtriebsbereich zum Einsatz, den man mittels recht simpler Einschnitte eher behelfsmäßig verkleinert hat. "Wir haben leider keinen Kleineren im Programm", bedauert Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko im ORF-Interview.

So fehlt dem Red Bull Speed auf der Geraden. Genauso schlimm: Mit dem zwangsweise vielen Abtrieb am Heck bekommt man die Balance im Zusammenspiel mit der Vorderachse bislang nicht austariert. Auf einer Strecke, auf der die Vorderachse gerade kritisch ist. Die Nacht ist hier kühl, die Asphalttemperatur blieb nur mit Mühe zweistellig. Die Vorderreifen verlässlich in einem engen Arbeitsfenster zu halten ist absolut essenziell für Erfolg.

Perfektes Wetter in Las Vegas für Mercedes

Vorerst hat Red Bull wenig Hoffnung, die Fahrer-WM in Las Vegas einzutüten und in der Team-WM eine Wende zu schaffen. "Für mich ist es massiv von den Reifen abhängig", urteilt Max Verstappen. "Die Balance ist nicht mal so schlecht, wir haben einfach keinen Grip." Wie man mit dem verfügbaren Material bis zum Qualifying in ein vernünftiges Arbeitsfenster kommt, steht in den Sternen. Momentan hat man mit der Spitze wenig zu tun.

Mercedes ist praktisch das Gegenteil zum Red Bull. Lewis Hamilton holte beide Trainings-Bestzeiten. Zeitweise schien der W15 unschlagbar. Das muss nur nichts mit der Realität zu tun haben. Nach 21 Wochenenden ist das dem Team nur allzu schmerzlich bewusst. "Wir hatten schon ein paar so gute Freitage", erinnert Teamchef Toto Wolff im ORF. Wenn kein Grip da ist und die Autos rutschen, so rutscht der W15 oft am besten.

"Wenn der Grip einsetzt, dann fahren wir auf drei Rädern, eines steigt in die Luft, da verlierst du massiv Rundenzeit", erklärt Wolff. Und der Grip wird in Las Vegas massiv zunehmen, davon gehen alle aus. Pirelli-Chefingenieur Simone Berra prognostiziert: "Ähnlich wie 2023 war das Gripniveau sehr niedrig, aber die Entwicklung war äußerst hoch, nicht nur während des Tages, sogar während der Session, Runde für Runde."

Am Freitag brachte der Mercedes die Reifen sofort ins Arbeitsfenster. Das sieht man an der FP2-Bestzeit: Hamilton holte sich eineinhalb Zehntel Vorsprung auf Lando Norris in den ersten drei Kurven. Über den Rest der Runde fuhr der McLaren die Lücke wieder zu, am Ende blieben nur 11 Tausendstel übrig. Wie viel von dieser Top-Form im Qualifying bleibt, daran zweifelt jeder, auch Mercedes.

Zwischen FP2 und Qualifying gibt es schließlich nicht nur 60 Minuten F1-FP3, sondern 30 Minuten Qualifying und 30 Minuten Rennen der Ferrari Challenge im Rahmenprogramm. Das wird die Strecke noch deutlich sauberer und griffiger machen. George Russell rechnet: "Es ist wahrscheinlich, dass die Zeiten im morgigen Qualifying um drei Sekunden oder mehr schneller sein werden."

Norris mag Las Vegas nicht: McLaren nur Pole-Favorit?

So oder so ist jetzt schon Lando Norris vorne unter den Pole-Favoriten dabei. Und das wohl auch zurecht. Es steht außer Frage, dass der McLaren auf eine Runde schnell ist. Doch darüber hinaus macht sich Norris große Sorgen nach dem Blick auf die Longrun-Tabelle.

Sicher, Oscar Piastri führt hier, was augenscheinlich auch hier auf gute McLaren-Chancen hindeutet. Weniger gut: Beide Fahrer haben einen merklich schlechteren Rundenzeiten-Trend als die Konkurrenz. Der McLaren scheint stärker in den hier im Longrun äußerst gefährlichen Graining-Bereich kommen. Also dass sich die Oberfläche des Reifens abrubbelt.

Norris beschreibt seinen Longrun nach dem Training als schockierend: "Es ist eine Kombination an Dingen, Graining vorne und so. Ich bin da schlichtweg nicht gut darin. Das ist immer ein Problem für mich." Temperaturbedingt ist Graining in Las Vegas ein besonders großes Problem, und es unter Kontrolle zu halten eine regelrechte Kunst.

Auch der Medium-Reifen hat ein recht kleines Arbeitsfenster. Niemand will zu schnell fahren, um die Vorderreifen zu schonen. Doch fährt man zu langsam, so kühlt der Vorderreifen zu stark aus. Dann verschlimmert sich das Graining. Und je schlechter der Zustand des Reifens, desto schwieriger wird es, die Temperatur im Reifen zu halten.

Ferrari zehrt von starker Rennpace: Kompromiss fürs Qualifying zum Erfolg?

Das beste Team bei dieser Gratwanderung bleibt Ferrari. Charles Leclerc und Carlos Sainz fuhren im Longrun eine halbe Sekunde schneller als alle bis auf Oscar Piastri, und verzeichneten keinen merklichen Einbruch der Reifen. Leclerc kommt nicht umhin festzustellen: "Wir haben sehr starke Rennpace. Etwas weniger im Qualifying. Die Story unserer Saison."

Der Ferrari bezahlt sein Reifenschonen damit, dass er im Qualifying nicht auf Temperatur kommt. Leclerc und Sainz verloren im Parallelflug bis Kurve 9 vier Zehntel auf Lewis Hamiltons Bestzeit. Danach konnte Sainz sogar über ein Zehntel davon wieder aufholen.

Es gilt nun zu evaluieren, ob man etwas von den fünf Zehnteln Longrun-Vorsprung versucht gegen Qualifying-Pace einzutauschen, so Leclerc: "Denn momentan sind wir etwas weit weg." Noch weiß man nicht, wie man die Reifen am besten ins Qualifying-Arbeitsfenster bekommt. Leclerc und Sainz fuhren nach dem Verlassen der Box eine zusätzliche Vorbereitungsrunde, während die Konkurrenz direkt auf die schnelle Runde ging.

Trotzdem will Ferrari das Qualifying nicht überbewerten. Mit dem langen Strip war im Vorjahr Überholen einfach. Momentan scheint die Lücke zur Konkurrenz respektabel. Damit bleibt Ferrari erst einmal der Favorit in Las Vegas, auch wenn McLaren und Mercedes keinesfalls ignoriert werden dürfen. Besonders im Qualifying.

© Motorsport-Magazin

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