Acht Fitness-Mythen im Fakten-Check
Mi 20.11.24 | 16:42 Uhr | Von Shea Westhoff
"Muskelkater ist gut", "je mehr Training, desto besser": Einige Missverständnisse beim Thema Fitness halten sich hartnäckig. Bewegungswissenschaftler Tom Krüger liefert Fakten - und Tipps, wie man das Training wirklich effektiv gestalten kann.
1. Muskelkater ist ein Zeichen für gutes Training.
Nein. "Muskelkater bedeutet, wir haben etwas kaputt gemacht", sagt Tom Krüger, der an der Uni Potsdam vor allem für die leichtathletische Ausbildung der Sportstudierenden zuständig ist. Ein Muskelkater entsteht durch Einrisse in den Strukturen der Muskelfasern, den sogenannten Z-Scheiben. Dort kann Wasser eindringen, was zu Schmerzen führt. "Ein gutes Training endet kurz bevor die Z-Scheiben einreißen." Die Kunst sei es, das Training so zu dosieren, dass der Muskel erschöpft wird, aber nicht strukturell geschädigt wird. Das Problem: Da sich der Muskelkater im nachgang des Trainings einstellt, weiß man erst hinterher, ob man die Muskeln überlastet hat. Die Erfahrungswerte aus vergangenen Trainingseinheiten können aber als Orientierung dienen.
Dr. Tom Krüger ist Mitarbeiter in der Professur für Trainings- und Bewegungswissenschaft an der Uni Potsdam. Seine Hauptaufgabe ist die leichtathletische Ausbildung der Studierenden. Im Bereich der Trainingswissenschaft forscht er schwerpunktmäßig zu konditionellen Fähigkeiten.
2. Je mehr Training, desto besser
Nein. "Der Muskel wächst in der Pause", stellt Krüger klar. Der Körper benötigt Zeit, um sich anzupassen oder sich ggf. zu reparieren – siehe Muskelkater. Es gehe daher um eine wohldosierte Abwechslung zwischen Belastung und Erholung.
3. Mindestens 10.000 Schritte am Tag halten fit.
Weitgehend korrekt. "Wer 10.000 Schritte schafft, ist schon mal ordentlich unterwegs", sagt Tom Krüger. Die körperliche Leistungsfähigkeit werde dadurch aber nicht gesteigert, sondern eher stabilisiert, also gehalten. Die Gene der Ur-Vorfahren "stecken noch in uns", sagt Krüger. "Sie mussten teilweise 20 Kilometer am Tag zurücklegen für die Jagd oder Nahrungssuche." Auch heute noch seien Menschen daher vielmehr fürs Gehen und Laufen angelegt als fürs Sitzen und Autofahren.
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4. Je mehr man schwitzt, desto mehr Kalorien verbrennt man.
Jein. Zunächst soll Schwitzen die Körpertemperatur regulieren. "Wasser auf der Haut führt zu einem Kühlungseffekt und hält die Betriebstemperatur des Körpers optimal." Mit dem Schwitzen gehen auch Prozesse im Körper einher, die Energie verbrauchen. Aber: "Die Schweißmenge steht nicht proportional zu den verbrannten Kalorien." Entscheidend seien auch äußere Umstände, wie Temperaturen oder individuelle physiologische und genetische Anlagen.
5. Stretching vor dem Training beugt Verletzungen vor.
Nicht unbedingt. Einerseits: "Ein gut gedehnter Muskel ist leistungsfähiger und besser vorbereitet auf die Belastungsinhalte, Belastungsreize, die ihn erwarten." Allerdings hätten Studien etwa im Bereich des Fußballs keinen Zusammenhang feststellen können zwischen Verletzungen und mangelnder Dehnung, so Krüger. Das Thema muskuläre Ermüdung spiele nämlich ebenfalls eine Rolle. Sobald diese einsetzt, funktioniere "die entsprechende Ansteuerung nicht mehr ganz so gut". Das könne besonders bei unerwarteten Situationen riskant sein, wenn der Muskel oder das Gelenk nicht adäquat aktiviert würden.
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6. Das Stemmen besonders schwerer Gewichte lässt die Muskeln wachsen.
Ja - aber Vorsicht. Tom Krüger drückt es so aus: "Natürlich lässt sich mit einer größeren Last der Muskel dazu bringen, dass er den Querschnitt anpasst." Die erwünschte Hypertrophie, also das Größer- und Stärkerwerden des Muskels, passiert tatsächlich durch "die systematische Anpassung der Gewichte", wie Krüger sagt. Wenn man den Muskel dabei allerdings überlastet, ermüdet er schnell und kommt rasch an seine Grenzen, was die Gefahr an Einrissen in den Muskelfaser-Strukturen erhöhe, siehe Muskelkater. Möglich seien bei übermäßigen Belastungen auch muskuläre Schäden in Form einer kompletten Zerstörung der Fasern.
7. Direkt nach dem Training braucht der Körper Proteine.
Ja. Es gebe ein paar Aminosäuren – vereinfacht gesagt: Bausteine, aus denen Proteine bestehen –, die der Körper nicht selbst herstellen könne und die man daher zuführen müsse, etwa in Form von Proteinshakes im Fitnessstudio. Die sind allerdings oft kostenintensiv. Krüger empfiehlt daher, dass man die Zufuhr entsprechender Aminosäuren auch durch eine ausgewogene, eiweißreiche Ernährung funktioniere.
8. Trainieren am Tag nach dem Alkohol-Rausch bringt nichts.
Tendenziell richtig. Zumindest seien "nach dem Alkoholrausch viele Prozesse im Körper durcheinandergebracht", sagt Krüger. Diese müssten sich regulieren. "Wer den Kater mit sich herumschleppt, dem würde ich sagen: Verzichte aufs Training, versuch' lieber durch den Tag zu kommen." Alkohol ist ein Gift. Nach dem Konsum würden die Zellen "auf Hochtouren laufen", um sich zu entgiften. Wenn die Zellen durch das Training zusätzlich gereizt würden, "kann das auch zu Überforderungen führen".
Sendung: rbb GESUND +, 18.11.2024, 21 Uhr