FDP in der Krise: Eine Politik nur für Eliten hilft nicht

Drei bis vier Prozent in den Umfragen, erfolglose Regierungsjahre und ein verunglücktes Ampel-Aus – die FDP schreitet in Richtung Bedeutungslosigkeit. Die internen Strategiepapiere rund um den „D-Day“ verärgern nun auch noch die Letzten, die ihr die Treue gehalten haben, in der Hoffnung, dass die Bundespolitik endlich auf einen liberaleren Kurs einschwenkt. Dabei hätte das Land eine starke liberale Kraft bitter nötig: Die Wirtschaft steckt in der größten Krise seit Langem, das Land braucht frische Ideen und Reformen, einen progressiven, angebotsorientierten Wurf. Wer soll einen solchen Modernisierungsplan liefern, wenn nicht eine liberale Partei?

FDP - Figure 1
Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Der Lindner-FDP wird ein solcher Wurf nicht gelingen. Trotz der ihr noch immer zugeschriebenen Wirtschaftskompetenz traut nur ein Prozent der Deutschen ihr noch zu, die Probleme des Landes lösen zu können. Mehr ist nicht drin für eine Partei, die sich personell und inhaltlich so sehr verengt hat, dass sie für breitere Wählerschichten unattraktiv geworden ist. Dabei können viele Menschen mit grundlegend liberalen Dingen durchaus etwas anfangen: Eigenverantwortung, Selbstverwirklichung, Dezentralität. In der deutschen Debatte sind sie nur zu oft zu Leerphrasen verkommen, oder sie haben sich auf bestimmte Gruppen verengt. Freiheit, den Kern der liberalen Sache, verteidigt die FDP vor allem dann, wenn sie der eigenen Sache dient.

Die Malaise hat nicht nur die Politik befallen, sondern auch die Parteistrukturen: Lindner und sein engster Führungskreis steuern die Partei zen­tralistisch und mit einer Machtkonzentration, die jeden Liberalen stutzig machen sollte. Wo ist der Wettbewerb der Ideen? Und wo der Widerspruch in inhaltlichen Debatten, der den Liberalen mehr Tiefgang geben könnte? Es spricht Bände, dass in der vielleicht tiefsten Krise der Partei nicht ein einziger Widersacher zu Lindner erkennbar ist. Und eine Widersacherin sowieso nicht. Selbst die Julis, die Nachwuchsorganisation der Partei, sind selten kritisches Korrektiv, sondern Echokammer etablierter Positionen. Dabei machen es Vielfalt und Dezen­tralität überhaupt erst möglich, dass sich liberale Kräfte entfalten können. Möge sich der beste Ansatz durchsetzen – statt alles weiter wie bisher!

Einseitige Fokussierung auf eher priveligierte Gruppen

Diese Verengung im Inneren der Partei spiegelt sich in ihrer Programmatik. Wirtschaftspolitisch verfolgt die Partei im Grundsatz zwar die richtige Stoßrichtung. In der wirtschaftlichen Strukturkrise braucht es angebotsorientierte Politik, die Wachstumskräfte freisetzt und nicht immer mehr Geld in Sozialtransfers umleitet. Auch die Begrenzung der Schulden ist richtig. Die Partei hat es aber versäumt, diese Positionen nachvollziehbarer zu vertreten und potentiellen Verlierern Hoffnung zu machen.

Stattdessen hat sich die liberale Partei in Deutschland für den vollständigen Abbau des Soli und die Einführung von Park-Flatrates in Innenstädten verkämpft. Der Abbau des Soli ist richtig, auch Autofahrer brauchen eine Lobby. Dennoch steht eine solch einseitige Fokussierung auf eher privilegierte Gruppen im Gegensatz zur liberalen Idee, möglichst gleiche Startchancen zu schaffen und eben auch die Freiheit der anderen im Blick zu haben. Ralf Dahrendorf hat das einmal als „gemeinsamen Fußboden“ bezeichnet. Den gibt es zu selten.

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Über den eigenen Erfolg bestimmen in Deutschland vor allem der Bildungsstand und das Vermögen der Eltern. Diese Abhängigkeit gilt hierzulande ganz besonders. Als Thema wie gemacht für eine liberale Partei – gerade jetzt, da die wachsende ökonomische Unsicherheit die Fliehkräfte an die Ränder immer weiter verstärkt. Marktwirtschaftliche Instrumente können Wachstum schaffen, eine ­zielgerichtete Sozialpolitik kann Aufstiegschancen ermöglichen. Nur überlässt die FDP diese Felder den Sozialdemokraten mit ihren Umverteilungsversprechen und den Populisten, die einfache Lösungen vorgaukeln.

Die FDP ist in zentralen Punkten zu unsichtbar

In zentralen Themen ist die FDP zu unsichtbar. Im Kampf gegen den Klimawandel benennt die FDP zwar die richtigen Instrumente, zuallererst den Preis für Emissionen. Den Verdacht, es damit im Zweifelsfall aber doch nicht so ganz ernst zu nehmen, konnte sie nach dem Tankrabatt im Sommer 2022 aber nie ganz ausräumen. In der Migrationspolitik, einem Freiheitsthema erster Güte, begleitet die FDP eine merkwürdige Sprachlosigkeit.

Ziel der FDP muss es sein, als Reformpartei wahrgenommen zu werden. Für einen kurzen Moment, zu Beginn des Ampel-Experiments, schaffte sie das. Die Lindner-FDP erweckte den Anschein, eine progressive Kraft zu sein, die auch jüngere Menschen begeistern konnte. Heute ist sie in ihrer Mischung aus Marktliberalismus und Konservatismus kaum von einem Friedrich Merz zu unterscheiden.

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