„D-Day“: FDP-Papier zeigt Details zu „Ampel“-Ausstieg
„D-Day“
Nach dem Ausstieg der FDP aus der deutschen „Ampelkoalition“ mit SPD und Grünen hat die liberale Partei weitere Details zu den Plänen für diesen Schritt publik gemacht. Auf der FDP-Website wurde am Donnerstag ein Strategiepapier veröffentlicht, in dem die Partei den idealen Zeitpunkt zum Verlassen der Koalition und Medienstrategien durchspielt. Von den Ex-Koalitionspartnern kam scharfe Kritik.
Online seit gestern, 21.57 Uhr (Update: heute, 11.01 Uhr)
Ein „avisierter Ausstieg“ könnte in der Kalenderwoche 45 zwischen dem 4. und 10. November liegen, heißt es im achtseitigen Papier. Am 6. November, einen Tag nach der US-Präsidentschaftswahl, kam es tatsächlich zum Bruch des Bündnisses – aber indem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses FDP-Chef Christian Lindner als Finanzminister entließ.
Festgehalten wird auch ein „Kernnarrativ“ – also eine Hauptbotschaft, mit der der Ausstieg verknüpft werden könnte. Fundamentale Gegensätze in der Wirtschaftspolitik zwischen Rot-Grün und der FDP seien nicht durch Kompromisse zu überbrücken. Auch ein vorbereitetes Statement von Lindner ist bereits enthalten und Szenarien, wann, wo und über welche Kanäle man den „Ampel“-Bruch am besten verkünden könnte.
„D-Day“ und „Feldschlacht“In dem Papier taucht die Formulierung „D-Day“ mehrfach auf. Bekannt ist sie vor allem in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg – am 6. Juni 1944, dem „D-Day“, begann die Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus.
Lindner, Robert Habeck (Grüne), Scholz (v. l.): Die FDP spielte Szenarien für den „Ampel“-Ausstieg durchAus der FDP war eine Verwendung bestritten worden, nachdem deutsche Medien vor knapp zwei Wochen erstmals über Inhalte aus dem Papier berichtet hatten. Im Papier wird in einer „D-Day-Ablaufpyramide“ auch eine letzte Phase namens „offene Feldschlacht“ aufgeführt.
FDP spricht von „Arbeitspapier“Die FDP bezeichnet das Dokument als „Arbeitspapier“, das vom Bundesgeschäftsführer der Partei zum ersten Mal am 24. Oktober erstellt worden sei, veröffentlicht nun in der letzten Version vom 5. November.
Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte: „Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns sogenannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte.“ Er sprach von einer Skandalisierung der Vorbereitung auf Szenarien. „Wenn die gesamte deutsche Medienlandschaft zu diesem Zeitpunkt bereits über das Ende der Ampel spekulierte, dann ist es nur professionell, sich auf diese Option einzustellen.“
Gegenüber der Zeitung „Welt“ bestritt Djir-Sarai, dass die Führung seiner Partei über ein Strategiepapier zu einem möglichen „Ampel“-Bruch informiert gewesen ist. „Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier“, sagte Djir-Sarai dem Blatt. Einen Grund zurückzutreten, sehe er nicht.
Lindner um Beschwichtigung bemühtFDP-Chef Linder bestritt den Vorwurf, dass seine Partei rund um den Koalitionsbruch ein falsches Spiel gespielt habe. „Nein“, sagte er der „Rheinischen Post“ auf eine entsprechende Frage. „Denn zu jedem Zeitpunkt ging und geht es uns um den Politikwechsel, den dieses Land braucht. Die Ampel konnte ihn nicht mehr liefern.“
Lindner war sichtlich um Beschwichtigung nach der Aufregung bemüht. „Hier ist ein Papier im Entwurfsstadium, das Mitarbeiter verfasst haben, in die Öffentlichkeit gebracht worden“, sagte er der Zeitung. Lindner betonte, „dass es professionell ist, wenn Mitarbeiterstäbe Eventualitäten durchspielen“. „Wir haben uns monatelang mit allen Optionen beschäftigt“, auch mit der Option eines Koalitionsbruchs, sagte Lindner. „Das wird niemanden angesichts des Streits und der Ablehnung dieser Regierung überraschen“, betonte er.
SPD und Grüne empörtSPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf der FDP-Führung vor, die Öffentlichkeit wiederholt getäuscht zu haben, und forderte eine Entschuldigung von Parteichef Lindner. Miersch kritisierte es gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) als „zynisch“, dass die FDP in dem Papier für den Zeitpunkt des „Ampel“-Bruchs in ihrem Papier das Wort „D-Day“ benutzt und den nachfolgenden Wahlkampf als „offene Feldschlacht“ bezeichnet.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann übte auf der Plattform X Kritik: „Ein Parlament ist kein Schlachtfeld, und das Ringen um die besten Ideen und Konzepte gehört zu unserer lebendigen Demokratie. Diese FDP sollte keine Verantwortung für unser Land übernehmen.“
Kritik auch FDP-internKritik am Papier übte auch FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann. „Jetzt ist ausschließlich Selbstkritik und Aufarbeitung gefragt“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. „Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar.“
Dass man sich aber in einer Situation, wie man sie in der Regierung gehabt habe, mit Ausstiegsszenarien auseinandersetze, sei folgerichtig gewesen, nicht nur für die FDP. Bei dem entsprechenden Treffen sei sie aber nicht dabei gewesen.