ÖFB 2024: Mehr als dieser eine perfekte Moment
Analyse
Österreichs Fußball-Fans haben 2024 über ihr Nationalteam gestaunt, mit ihm gefeiert und getrauert. Doch was war Rangnicks Highlight? Eine Bilanz:
Das gesamte ÖFB-Team steht Arm im Arm vor einer rot-weiß-roten Wand aus ÖFB-Fans. Es läuft Fendrichs "I am from Austria", Tausende Menschen singen mit. Über dem Dach des Berliner Olympia-Stadions brechen die abendlichen Sonnenstrahlen durch. Golden hour, auch für das ÖFB-Team.
In Summe 1.260 Minuten, das sind 21 Stunden, ist das ÖFB-Team 2024 auf dem Rasen gestanden.
Doch es ist dieser eine Moment, als der Ball nicht mehr rollt, der sich in das kollektive Gedächtnis der österreichischen Fußball-Fans eingebrannt hat. Dieser eine Moment, an dem sich alle Fans dieses Landes darauf einigen konnten, dass jetzt gerade alles perfekt ist.
Staunen über und trauern mit BaumgartnerNein, das Länderspieljahr 2024 war nicht nur das Spiel gegen die Niederlande. Es war auch der Auftakt in der Slowakei mit Christoph Baumgartners Weltrekord-Tor nach 6,3 Sekunden - ein kollektiver Moment des Staunens.
Foto © GETTY
Bittere Tränen in Leipzig
Und es war auch Baumgartners vergebener Sitzer in den Schlussminuten gegen die Türkei mitsamt der vielen, vielen bitteren Tränen der ÖFB-Stars auf dem regengetränkten Leipziger Rasen nach dem Schlusspfiff - ein kollektiver Moment der Trauer.
Rangnicks HighlightAuf sein Highlight 2024 angesprochen, sagt Teamchef Ralf Rangnick: "Spontan mit Sicherheit gegen Holland. Nicht nur das Spiel, sondern vor allem auch die Atmosphäre im Stadion. Das war etwas ganz Besonderes. Ich war schon bei Vereinen mit super Fans und toller Stimmung, ob das Schalke ist oder der VfB Stuttgart oder Manchester United. Aber so eine Atmosphäre, wie sie dort nach dem Spiel geherrscht hat, war Gänsehaut, etwas ganz Besonderes."
Am Ende stehen aber auch ganz nüchterne Zahlen und Fakten. Ausscheiden im Achtelfinale der EURO, 2. Platz in der Liga B der UEFA Nations League.
Die Bilanz:Spiele
S/U/N
Tore
Punkteschnitt
14
8/3/3
32:14
1,93
2,3 Tore hat das ÖFB-Team 2024 im Schnitt pro Spiel erzielt.
Nur ein einziges Mal - zum EM-Auftakt gegen Frankreich - hat Österreich nicht getroffen. In fünf Spielen, also mehr als einem Drittel der absolvierten Partien, gelangen drei oder mehr Treffer.
Die Gala beim 6:1-Heimsieg gegen die Türkei mit drei Toren von Michael Gregoritsch im Ernst-Happel-Stadion etwa. Oder der furiose 5:1-Heimsieg gegen Norwegen in Linz.
Der Haaland-Moment in LinzLetzteres streicht Rangnick noch einmal extra hervor.
Foto © GEPA
Haaland ist in Linz auf Schadensbegrenzung aus
"Wenn der Erling Haaland seine Mannschaft 15 Minuten vor Schluss zusammenholt, bevor sie Wiederanstoß machen, und sagt: 'Passt auf, jetzt geht es nur mehr darum, nicht sechs, sieben oder acht zu kriegen!' Das ist schon ein besonderer Moment, das passiert auch nicht so oft ohne Weiteres", sagt der Teamchef.
Noch mehr möglichUnd dennoch wurde man in einigen Spielen das Gefühl nicht los, da wäre vor dem gegnerischen Tor mehr möglich.
Nach dem 1:1 gegen Slowenien zum Jahresausklang sagte etwa Philipp Lienhart: "Der nächste Schritt wird sein, in Zukunft in solchen Spielen den Deckel schneller zuzumachen."
Die Scorerliste 2024:Spieler
Tore
Assist
Scorer
Christoph Baumgartner
7
7
14
Michael Gregoritsch
6
1
7
Marcel Sabitzer
3
3
6
Romano Schmid
2
4
6
Marko Arnautovic
3
1
4
Stefan Posch
1
3
4
Philipp Lienhart
2
-
2
Xaver Schlager
1
1
2
Konrad Laimer
1
1
2
Patrick Wimmer
1
1
2
Phillipp Mwene
-
2
2
Florian Grillitsch
-
2
2
Alexander Prass
-
2
2
Andreas Weimann
1
-
1
Maximilian Entrup
1
-
1
Gernot Trauner
1
-
1
Matthias Seidl
1
-
1
Florianz Kainz
-
1
1
Nicolas Seiwald
-
1
1
14 verschiedene Torschützen und 14 verschiedene Assistgeber beweisen, dass die Scorerlast im Nationalteam auf sehr viele Schultern verteilt wurde.
Nichtsdestoweniger hat sich Christoph Baumgartner 2024 in der Offensive als Go-to-Guy etabliert. Mit sieben Toren und sieben Assists war er an 43,75 Prozent aller ÖFB-Treffer 2024 direkt beteiligt.
Der Leipzig-Legionär war es auch, der das ÖFB-Jahr mit seinem Weltrekord-Tor nach 6,3 Sekunden gegen die Slowakei eingeläutet hat.
Wann sind die Tore gefallen?1.-15.
16.-30.
31.-45.
46.-60.
61.-75.
76.-90.
Tore
10
3
1
7
4
6
Gegentore
2
3
5
2
1
2
Tore in der Anfangs-Viertelstunde wurden 2024 zum Markenzeichen der Österreicher, oft wurde der Gegner überrumpelt. Öfter getroffen hat die Rangnick-Elf in Summe aber in der zweiten Hälfte.
Anders sieht es bei den Gegentoren aus, da war die Defensive nach der Pause in Summe sattelfester als davor.
Dann hatten wir diesen kleinen Dip, der irgendwie aber menschlich ist.
Christoph Baumgartner
Bei all den positiven Erlebnissen zeichnet das aktuelle ÖFB-Team die Fähigkeit zur Selbstkritik aus.
"Das Highlight EM war richtig cool. Dass da mehr drinnen gewesen wäre, wissen wir alle. Dann hatten wir diesen kleinen Dip, der irgendwie aber menschlich ist. Wir waren unfassbar enttäuscht und haben es nicht geschafft, direkt den Schalter wieder umzulegen. Am Ende des Tages ist uns das auf den Kopf gefallen. Die letzten zwei Lehrgänge waren wieder sehr positiv", sagt Baumgartner.
Es geht nur mit voller EnergieTatsächlich war der Start in die Nations League, das 1:1 in Slowenien und das 1:2 in Norwegen, die schwächste Phase in diesem Jahr. Es waren zwei Spiele, in denen das ÖFB-Team gelernt hat, dass es nur mit 100 Prozent geht.
"Bei uns geht alles über die Energie im Team", weiß Baumgartner. Diese gilt es eben immer abzurufen.
Arnautovic bringt es auf den PunktPhillipp Mwene sieht darin auch das größte Entwicklungspotenzial für 2025: "Die Konstanz, jedes Spiel genauso anzunehmen. Die ersten beiden Spiele nach der EM waren nicht so gut, da waren wir mit dem Kopf nicht so da, wie wir das gerne haben wollen."
Doch das ist ein Ausblick. Im Rückblick bringt Marko Arnautovic auf den Punkt, wie das ÖFB-Team 2024 in Erinnerung behalten werden wird: "Wir haben ein super Jahr hingelegt."