EZB rührt Leitzins im Euroraum wie erwartet nicht an

14 Dez 2023
EZB-Zinsentscheid

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins wie erwartet bei 4,5 Prozent belassen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt die Zinsen im Euroraum zum zweiten Mal in Folge unverändert. Der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, bleibt nach einer Entscheidung des EZB-Rates bei 4,5 Prozent, wie die Währungshüter am Donnerstag in Frankfurt mitteilten. Die Inflation im gemeinsamen Währungsraum schwächte sich zuletzt überraschend deutlich ab. Zugleich wachsen die Sorgen um die Konjunktur. Zuvor hatte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Leitzins in den USA zum dritten Mal in Folge unverändert belassen und Zinssenkungen im kommenden Jahr in Aussicht gestellt.

Viele Volkswirte rechnen damit, dass auch die Euro-Währungshüter die Zinsen im kommenden Jahr senken werden. EZB-Präsidentin Christine Lagarde warnte jüngst aber davor, bereits den Sieg über die Inflation auszurufen. Vielmehr sei weiterhin geboten, aufmerksam zu bleiben, bis die Teuerungsrate wieder auf das Ziel von mittelfristig zwei Prozent zurückgehe. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte gemahnt: "Es wäre verfrüht, die Leitzinsen bald zu senken oder über solche Schritte zu spekulieren."

Die Teuerung im Euroraum schwächte sich im November deutlich ab. Die Verbraucherpreise lagen nach Angaben des Statistikamtes Eurostat um 2,4 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, nach 2,9 Prozent im Oktober. Im vergangenen Jahr war die Inflationsrate infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zeitweise noch zweistellig gewesen. Mittelfristig strebt die EZB für den gemeinsamen Währungsraum mit seinen 20 Mitgliedstaaten stabile Preise bei einer Inflationsrate von 2,0 Prozent an.

Serie von Zinserhöhungen im Kampf gegen hohe Inflation

Nach mit einer beispiellosen Serie von zehn Zinsanhebungen in Folge im Kampf gegen die hohe Inflation hatten die Währungshüter im Oktober die Zinsschraube erstmals nicht weiter angezogen. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken kann. Teurere Kredite sind zugleich eine Last für die Wirtschaft, weil sich kreditfinanzierte Investitionen verteuern.

Die Wirtschaft im Euroraum schwächelt. Im dritten Quartal schrumpfte die Wirtschaftsleistung nach Angaben von Eurostat zum Vorquartal um 0,1 Prozent. Im zweiten Vierteljahr war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent gewachsen nach einer Stagnation zu Jahresbeginn. Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung von Bundesregierung und Ökonomen auch im Gesamtjahr 2023 leicht schrumpfen.

Der Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder erhalten, verharrt nach der jüngsten Entscheidung des EZB-Rates bei 4,0 Prozent. Dies ist das höchste Niveau seit Bestehen der Währungsunion 1999.

EZB: Schnellerer Inflationsrückgang und schwächere Wirtschaft

Die Inflation im Euroraum wird nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) schneller zurückgehen als vor drei Monaten erwartet. Zugleich haben sich die Konjunkturaussichten stärker eingetrübt, wie aus der am Donnerstag veröffentlichten Prognose der Notenbank hervorgeht.

Für dieses Jahr rechnet sie nun mit einer Teuerungsrate von 5,4 Prozent. In ihrer September-Prognose war die EZB von 5,6 Prozent ausgegangen. Für 2024 sagt die Notenbank eine schwächere Teuerungsrate von 2,7 (September-Prognose: 3,2) Prozent voraus. 2025 wird eine unveränderte Rate von 2,1 Prozent erwartet. In der erstmals für 2026 vorgelegten Prognose rechnet die EZB mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 1,9 Prozent.

Die EZB strebt für den Währungsraum der 20 Länder mittelfristig ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an. Ein schnellerer Rückgang der Inflation könnte Spielräume für Zinssenkungen eröffnen.

Die Wirtschaft im Euroraum wird nach der neuesten EZB-Vorhersage in diesem Jahr um 0,6 Prozent wachsen. Im September war die Notenbank von 0,7 Prozent ausgegangen. Im kommenden Jahr soll die Wirtschaftsleistung der Prognose zufolge um 0,8 Prozent zulegen (September: 1,0) zulegen. Für 2025 und 2026 erwartet die EZB einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um jeweils 1,5 Prozent.

Lagarde: Überhaupt keine Diskussion über Zinssenkungen

Der Rat der Europäischen Zentralbank hat sich nach den Worten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht mit Zinssenkungen beschäftigt. Lagarde sagt in der Pressekonferenz nach der Sitzung des EZB-Rats: "Zinssenkungen wurden nicht diskutiert - überhaupt nicht." Lagarde machte klar, dass es zwischen dem Timing des Abbaus von PEPP-Anleihebeständen und den Leitzinsen keinen Zusammenhang gebe. Diese Entscheidungen fielen unabhängig voneinander, sagte sie.

Zuvor hatte der Rat beschlossen, seine Zinsen und die Zins-Guidance unverändert zu lassen und ab dem zweiten Halbjahr 2024 mit dem Abbau der unter dem PEPP-Programm erworbenen Anleihebestände zu beginnen.

Lagarde: EZB lässt in ihrer Wachsamkeit nicht nach

Die Europäische Zentralbank (EZB) kann nach den Worten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde in ihrer Wachsamkeit gegenüber der Inflation nicht nachlassen. Wie Lagarde in der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung erläuterte, liegt das vor allem an dem hohen binnenwirtschaftlichen Preisdruck und der Ungewissheit über die Entwicklung von Löhnen und Unternehmensgewinnen. "Wir müssen sicher sein, dass auch der binnenwirtschaftliche Inflationsdruck sinkt, aber dafür haben wir noch nicht genug Daten", sagte sie.

Lagarde zufolge wird die EZB in nächster Zeit vor allem auf die Wechselwirkung von Löhnen und Unternehmensgewinnen achten. Die aktuellen Inflationsprognosen basierten auf der Annahme, dass die Unternehmen den Anstieg der Löhne teilweise über geringere Gewinne absorbieren würden. "Wenn es so käme, wäre das ein großer Fortschritt, aber wir haben noch nicht genug Daten, um sicher sein zu können, dass das so ist", sagte sie. Aktuell sei kein Rückgang der Lohnzuwächse festzustellen. Außerdem brauche die EZB noch mehr Informationen über die Stückgewinne.

FRANKFURT (dpa-AFX) / FRANKFURT (Dow Jones)

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