EZB tastet Leitzins vorerst nicht an

18 Jul 2024
EZB

Die Europäische Zentralbank greift den Leitzinssatz auf ihrer Juli-Sitzung nicht an. Und die Inflation bleibt vorerst wohl da, wo sie ist.

Die Inflation in der Eurozone ging im Juni leicht zurück. Dennoch hielt die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag die Füße still. Sie ließ auf ihrer jüngsten Sitzung den Leitzinssatz unverändert bei 4,25 Prozent, auch den Einlagensatz für Banken tastete sie nicht an. Im Vorfeld war allerdings auch nichts Anderes erwartet worden. Am Finanzmarkt ist man sich jedoch ziemlich sicher, dass die Zentralbank schon im September, also auf der nächsten Sitzung, erneut an der Zinsschraube drehen wird. Ein dritter Zinsschritt könnte dann möglicherweise am Jahresende erfolgen. Ob das tatsächlich passieren wird, bleibt jedoch abzuwarten.

„Wir sind seit der letzten Zinsentscheidung auf dem Pfad der Inflationsbekämpfung nur ein wenig vorangekommen. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass die EZB heute die Zinsen konstant gehalten hat und die weitere wirtschaftliche Entwicklung für mögliche Zinsschritte abwartet“, kommentierte Jörg Asmussen vom Versicherungsverband GDV. Zuletzt hatten mehrere Ratsmitglieder darauf hingewiesen, dass sich die Notenbank nicht übereilt in Zinssenkungen stürzen solle. Auch die deutsche Bundesbank plädierte erst dieser Tage für einen umsichtigen Zinskurs in der Geldpolitik. Unter Zentralbankern besteht die Sorge, dass die Inflation aus dem Ruder laufen könnte, wenn die Zügel zu schnell angezogen werden, obwohl die Inflation noch nicht als besiegt gilt. „Was die künftige Inflation betrifft, sind wir weiterhin mit mehreren Ungewissheiten konfrontiert“, sagte Notenbank-Chefin Christine Lagarde noch Anfang Juli.

Dienstleistungspreise bleiben hoch

Denn obwohl die Juni-Teuerung in der Eurozone auf 2,5 Prozent zurückging (Mai: 2,6 Prozent), halten sich die Dienstleistungspreise mit einem Anstieg von 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum nachhaltig hoch. Auf Jahresbasis sind sie heuer überhaupt nur in einem einzigen Monat unter die Schwelle von vier Prozent gefallen. Der Prozess des Inflationsrückgangs verlaufe in dem Sektor langsamer, als in der Vergangenheit üblich gewesen sei, urteilte die deutsche Bundesbank kürzlich.

In diesem Zusammenhang spielt auch das Lohnwachstum eine gewichtige Rolle. Laut EZB sind die Löhne im ersten Quartal um 4,72 Prozent gestiegen und damit stärker als im Schnitt des Jahres 2023 (4,49 Prozent). Und das wirkt sich vor allem auf die Dienstleitungspreise aus. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane erwartet im weiteren Jahresverlauf jedoch deren Abschwächung, wie er Anfang des Monats erklärte. Die Unternehmen würden der Zentralbank sagen, dass sie mit einem Lohnwachstum von drei bis vier Prozent rechnen. Lane glaubt, dass 2024 das letzte Jahr mit hohen Lohnzuwächsen sein und sich dieses dann 2025 und 2026 wieder normalisieren werde, wie auch die EZB am Donnerstag bestätigte.

Doch räumte die EZB am Donnerstag nun zweierlei ein: Einerseits, dass die Inflation für den Rest des Jahres um das derzeitige Niveau herum schwanken wird und dass „die Gesamtinflation bis weit ins nächste Jahr über dem Zielwert bleiben“ wird – dieser liegt bei zwei Prozent.

Die EZB hielt sich am Donnerstag jedenfalls damit zurück, die weitere Vorgehensweise der Notenbank zu erläutern. „Es gibt keinen vorgelegten Pfad“, sagte Lagarde gleich mehrfach in der anschließenden Pressekonferenz. Was im September passiert, sei „weit offen“ und werde von den Daten abhängig sein.

Noch im Vorfeld der Juni-Sitzung hatte sich Lagarde recht deutlich exponiert und damit die Kritik zahlreicher Ökonomen auf sich gezogen. Denn die Inflationsraten gingen just zu einem Zeitpunkt nach oben, als die Währungshüter ihre erste Zinssenkung seit der Inflationswelle vollzogen. Ausgerechnet bei der Sitzung im Juni schraubte die Notenbank dann auch noch ihre Jahresinflationsprognose nach oben. Doch konnte man sich dem Druck der Finanzmärkte offensichtlich nicht mehr beugen. Denn diese reagieren oft negativ auf unangekündigte Überraschungen. Österreichs Notenbank Gouverneur Robert Holzmann stimmte bei der vorangegangenen Sitzung dann auch als Einziger gegen die Zinswende. Die Entscheidung am gestrigen Donnerstag fiel laut Lagarde nun einstimmig aus.

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