EU-Parlament: EVP stärkste Kraft, Rechte legen zu

10 Jun 2024
EVP

EU-Parlament

Die Europäische Volkspartei (EVP) hat laut Prognose trotz Gewinnen der rechtspopulistischen Parteien ihren ersten Platz im Europaparlament ausgebaut. EVP-Spitzenkandidatin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte ein „Bollwerk gegen Links- und Rechtsextreme“ an. Für ein Politbeben sorgte die Wahl in Frankreich: Präsident Emmanuel Macron rief angesichts der Gewinne für die Rechtsaußen-Partei Rassemblement National von Marine Le Pen noch eine Neuwahl im Juni aus.

Online seit heute, 0.42 Uhr

„Es kann keine Mehrheit ohne die EVP gebildet werden“, sagte von der Leyen am Sonntag. Sie strebt eine weitere Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission an. Hinter der EVP mit derzeit 191 folgen die Sozialdemokraten mit 135 Abgeordneten, hieß es in einer Trendrechnung des EU-Parlaments am späten Sonntagabend.

Die liberalen Fraktion Renew bleibt trotz größerer Verluste Dritte. Laut der Prognose behalten die drei größten Fraktionen knapp die absolute Mehrheit. Deutliche Verluste mussten die Grünen hinnehmen.

Rechtsaußen-Fraktionen gestärkt

Die beiden Rechtsaußen-Fraktionen erzielten demzufolge Zugewinne: Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), in der unter anderem die Partei der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni sitzt, kann mit leichten Gewinnen rechnen.

Die zweite Rechtsaußen-Fraktion Identität und Demokratie (ID) wächst demzufolge von zuletzt 49 auf 57 Abgeordnete. In der ID sitzen unter anderem Le Pens Rechtspopulisten und die österreichische FPÖ. Die AfD war nach verharmlosenden Aussagen des Spitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS erst kürzlich aus der Fraktion ausgeschlossen worden. Wie sich die Fraktion zusammensetzen wird, soll in den nächsten Wochen entschieden werden.

Schaidreiter: Rechte haben deutlich zugelegt

ORF-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter analysiert die Ergebnisse der EU-Wahl.

Macron rief Neuwahl aus

In Deutschland und Frankreich sorgte die Wahl für eine Schlappe für die Regierungen. In Frankreich holte der Rassemblement National von Le Pen laut Hochrechnungen zwischen 31,5 und 33,3 Prozent der Stimmen. Macrons Verbündete holten gerade 15 Prozent der Stimme. Macron verkündete daraufhin die Auflösung des Pariser Parlaments. Bereits am 30. Juni und 7. Juli soll neu gewählt werden. Doch seine Entscheidung für eine Neuwahl birgt ein hohes Risiko. Le Pens Strategie, die Partei weiter in die Mitte zu rücken und ihr ein seriöses und regierungswilliges Image zu verpassen, trug Früchte.

Frankreich: Le Pen auf Platz eins

Die Rechtsaußen-Partei Rassemblement National von Marine Le Pen ist in Frankreich deutlich stärkste Kraft.

Schlappe für deutsche „Ampelparteien“

In Deutschland gewannen CDU und CSU mit großem Abstand. Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF legt die AfD zu und erreichte Platz zwei. Erst dahinter folgt die SPD. Die Grünen liegen mit deutlichen Verlusten auf dem vierten Platz. Die FDP bleibt stabil, während die Linke stark absackt und von der neuen Partei BSW von Sahra Wagenknecht überholt wird. Es ist ein Dämpfer für die „Ampelkoalition“ – alle drei Regierungsparteien verloren Wählerinnen und Wähler.

Pfeiffer: AfD-Ergebnis sorgt für Erstaunen

ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer zum Ergebnis in Deutschland – und dem starken Abschneiden der AfD.

In Spanien zeichnete sich ein knapper Erfolg der konservativen Volkspartei Partido Popular (PP) vor den regierenden Sozialisten (PSOE) ab. Laut vom öffentlich-rechtlichen Sender RTVE präsentierten Exit-Polls dürfte die im Land oppositionelle PP auf rund 32 Prozent kommen. Die Regierungspartei PSOE verbuchte demzufolge rund 30 Prozent. Die rechtspopulstische Vox-Partei wurde mit rund zehn Prozent drittstärkste Kraft.

Meloni gewinnt in Italien

In Italien wurde die rechtspopulistische Partei von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni stärkste Kraft. Nach Umfragen des TV-Senders RAI gewinnen ihre Fratelli d’Italia 26 bis 30 Prozent, gefolgt von der Mitte-links-Partei PD mit 21 bis 25 Prozent. Die populistische Fünfsternebewegung kommt demzufolge auf zehn bis 14 Prozent, die liberalkonservative Forza Italia auf 8,5 bis 10,5 Prozent, knapp vor der rechtsgerichteten Lega mit acht bis zehn Prozent.

In Ungarn setzte sich die regierende FIDESZ-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban mit rund 44 Prozent durch, wie erste Teilergebnisse am später Sonntagabend zeigten. Die Oppositionspartei TISZA von Peter Magyar lag mit 31 Prozent an zweiter Stelle.

Nordische Länder gegen den Trend

Entgegen des EU-weiten Trends legten in den nordischen Ländern Schweden und Finnland linksgerichtete und grüne Parteien zu, während die Rechtsaußen-Parteien an Zustimmung eingebüßten. In Finnland errang die sozialistische Linke Allianz 17,3 Prozent und verbuchte damit einen Zuwachs von 10,4 Prozentpunkten im Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren.

Stärkste Kraft in Finnland wurde den Angaben zufolge mit 24,7 Prozent der Stimmen die Nationale Sammlungspartei des konservativen Regierungschefs Petteri Orpo. Auf die rechtspopulistische Partei Die Finnen, die mit Orpos Partei auf nationaler Ebene koaliert, entfielen hingegen nur 7,6 Prozent der Stimmen – 6,2 Prozentpunkte weniger als 2019.

In Schweden zeichnete sich in einer Nachwahlbefragung im Auftrag des Senders SVT ab, dass die Grünen mit 15,7 Prozent Stimmenanteil drittstärkste Kraft werden. Das wäre ein Zuwachs um 4,2 Prozentpunkte im Vergleich zu 2019. Auch die Linke Partei legte demzufolge um 3,9 Punkte auf 10,7 Prozent zu. Die einwanderungsfeindlichen Schwedendemokraten verloren der Nachwahlbefragung zufolge hingegen 1,4 Punkte und kamen auf 13,9 Prozent der Stimmen.

In Dänemark wurde laut einer Nachwahlbefragung des Senders DR die Sozialistische Volkspartei mit einem Stimmenanteil von 18,4 Prozent stärkste Kraft – 5,2 Prozentpunkte mehr als 2019. Die regierenden Sozialdemokraten errangen hingegen nur 15,4 Prozent.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche