Politik: EU-Wahl: Erste Reaktionen zum ersten Trend

9 Jun 2024

Politik

Seit 17.00 Uhr sind die Wahllokale geschlossen. Eine auf Umfragen basierende Trendprognose verortet die FPÖ erstmals auf Platz eins, ÖVP und SPÖ rittern Kopf an Kopf um Platz zwei. Bei den Landesparteien gibt es für die einen Grund zum Jubel, für andere eine herbe Niederlage.

EU-Wahl Hochrechnung - Figure 1
Foto ORF NÖ

Online seit heute, 17.53 Uhr (Update: 18.44 Uhr)

Laut Trendprognose, die der ORF gemeinsam mit der Nachrichtenagentur APA und dem Privatsender Puls24 in Auftrag gegeben hat, liegt die FPÖ auf Platz eins (27 Prozent). Spannend bleibt das Rennen um Platz zwei, hier liegt die ÖVP (23,5 Prozent) nur sehr knapp vor der SPÖ (23 Prozent). NEOS und Grüne liegen gleichauf bei 10,5 Prozent. Die KPÖ folgt mit drei Prozent und DNA mit 2,5 Prozent. Die Schwankungsbreite liegt bei 2,5 Prozent.

Die Basis für die vorliegende Trendprognose lieferten Befragungen der Institute Foresight, ARGE Wahlen und von Peter Hajek. Insgesamt wurden 1.239 Personen im Zeitraum 3. bis 8. Juni sowohl telefonisch als auch online befragt. Anders als bei Hochrechnungen sind in der Trendprognose keine Sprengelergebnisse enthalten. Nach einer Vorgabe der EU-Kommission dürfen die Wahlbehörden Resultate erst nach dem EU-weiten Wahlschluss weitergeben, das – wie schon 2019 – um 23.00 Uhr der Fall sein wird.

Beim vorangegangenen Wahlgang vom 26. Mai 2019 schaffte es die ÖVP mit 34,55 Prozent auf Platz eins, vor der SPÖ mit 23,89 Prozent und der FPÖ (17,20). Die Freiheitlichen waren kurz vor dem Wahltermin vom Ibiza-Skandal erschüttert worden. Die Grünen kamen damals mit 14,08 Prozent auf Platz vier vor den NEOS mit 8,44 Prozent, die KPÖ erzielte 0,80 Prozent.

Landbauer (FPÖ): Themensetzung wurde „belohnt“

Dass die Freiheitlichen bei einer nationalen Wahl erstmals auf Platz eins liegen, bezeichnete Niederösterreichs FPÖ-Landesparteiobmann Udo Landbauer als „großen Sieg für die Österreicher“. Die Themensetzung von Corona über den Krieg in der Ukraine bis zur Migration seien „belohnt worden“ und würden bei der Nationalratswahl von der FPÖ ähnlich gesetzt werden. Der Erfolg bei der EU-Wahl sei ein „erster Sieg“ gewesen.

Gespannt sei er auf das Ergebnis der anderen europäischen Länder, aus denen sich die jeweiligen Fraktionsgrößen ergeben. Daraus leite sich ab, inwieweit inhaltliche Ziele wie etwa die Redimensionierung der Europäischen Union, Migration oder jene Bereiche, in die „sich die EU einmischt“, erreichbar sein werden.

Zauner (ÖVP): „Kein Erfolg, der Freude macht“

Niederösterreichs ÖVP-Landesgeschäftsführer Matthias Zauner, dessen Partei – wie prognostiziert – ein deutlichen Minus zu verbuchen haben wird, sprach gegenüber noe.ORF.at dennoch von einem „ beachtlichen Ergebnis“ und einer „erfolgreichen Aufholjagd“.

Der voraussichtliche Verlust von ca. zehn Prozentpunkten sei "kein Erfolg, der Freude macht“ so Zauner, „aber angesichts der vor der Wahl veröffentlichten Prognosen, dass die ÖVP abgeschlagen auf Platz drei kommt, und wir uns jetzt in einem Match um Platz zwei befinden, ist dieses Ergebnis doch beachtlich.“ Es sei auch international erkennbar, dass regierende Parteien verlieren würden. In Hinblick auf die Nationalratswahl im Herbst sei die Gefahr durch die Freiheitlichen große und es gelte, dass „wir als Volkspartei in den kommenden Wochen und Monaten alles unternehmen, das Ziel zu erreichen, das wir uns gesteckt haben, nämlich Nummer eins zu werden“.

Sidl (SPÖ): Rennen um den zweiten Platz „noch offen“

Wolfgang Zwander, der Landesgeschäftsführer der SPÖ Niederösterreich, sah in einer ersten Reaktion durchaus Grund für Optimismus und Hoffnung: „Es schaut so aus, als ob wir unsere fünf Mandate behalten werden. Das Ergebnis ist stabil, Platz zwei ist absolut in Reichweite.“ Als „klaren Wahlverlierer“ bezeichnet Zwander die ÖVP, die mit der SPÖ noch im Rennen um Platz ist.

Ähnlich äußerte sich Niederösterreichs SPÖ-Spitzenkandidat Günther Sidl. Die vielen Krisen und globalen Herausforderungen hätten zu Ängsten in der Bevölkerung geführt und „diese Verunsicherungen hat die FPÖ noch verstärkt. Es war zu erwarten, dass der Austausch zwischen ÖVP und FPÖ stattfindet. Das Rennen um den zweiten Platz ist noch offen“.

Im Hinblick auf die Nationalratswahl im Herbst nannte Landesgeschäftsführer Zwander das klare Ziel der SPÖ, als stimmenstärkste Partei durchs Ziel zu gehen. „Wir müssen noch deutlicher klar machen, was in dieser aktuell schwierigen Zeit auf dem Spiel steht, dass der soziale Faktor in unserer Gesellschaft nicht zu kurz kommen darf.“

Fotostrecke mit 4 Bildern Krismer (Grüne): „Nie geglaubt, dass wir stark verlieren“

Die Grüne Landessprecherin Helga Krismer freute sich in einer ersten Reaktion über die prognostizierten 10,5 Prozent der Stimmen – trotz eines erwarteten Verlustes im Vergleich zur letzten EU-Wahl: „Ich habe nie daran geglaubt, dass es heißt: Die Grünen werden ganz stark verlieren. Gerade auch in Niederösterreich wollen die Menschen, dass die Grünen eine starke Stimme in Europa sind.“

Zugeständnisse machte Krismer dahingehend, dass rund um die Causa Schilling „Fehler passiert sind“, dennoch habe die bundesweite grüne Spitzenkandidatin Lena Schilling bewiesen, dass sie für Europa brennen würde und dass sie „Themen in den Mittelpunkt gestellt hat, während andere über ihre Person diskutiert haben“.

Collini (NEOS): „Bestes Ergebnis ever“

NEOS, die laut Trendprognose gleichauf mit den Grünen liegen, verbuchen laut der niederösterreichischen Landessprecherin Indra Collini „so wie es aussieht, einen schönen Tag“. Alles deute darauf hin, "dass wir das beste Ergebnis bei einer EU-Wahl ever haben. Vor allem haben wir unser Ziel, zwei Abgeordnete nach Brüssel zu schicken, erreicht“.

Das erwartete Ergebnis spreche dafür, dass viele Menschen „ein starkes Europa haben wollen“, so Collini. Man habe sich klar pro Europa positioniert und das sei der Landessprecherin zufolge belohnt worden. In Hinblick auf die Nationalratswahl im Herbst sagte sie gegenüber noe.ORF.at: „Unser Ziel ist sicher, den Rückenwind, den wir bekommen haben, gut zu nutzen, denn es gibt viel zu tun für das Land.“

Karas: „Das habe ich befürchtet“

Der scheidende erste Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), der von der Volkspartei bei dieser EU-Wahl nicht aufgestellt worden ist, hat ernüchtert auf die erste Trendprognose reagiert, die die FPÖ auf Platz eins und große Verluste für die ÖVP sieht. „Das habe ich befürchtet“, sagte Karas vor Journalisten im Haus der Europäischen Union in Wien.

Für ihn sei wichtig, dass es auf europäischer Ebene eine „Mehrheit in der Mitte“ gebe, meinte Karas. „Und ich appelliere an alle politischen Parteien, die Lehren aus diesem Wahlkampf zu ziehen und die Zusammenarbeit in der Mitte und die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union in den Mittelpunkt der nächsten Tage zu stellen.“

Vorläufiges Ergebnis kommt gegen 23.00 Uhr

Insgesamt waren in Österreich fast 6,37 Millionen Menschen ab 16 Jahren dazu aufgerufen, wählen zu gehen. Fast 1,3 Millionen von ihnen waren in Niederösterreich wahlberechtigt. Damit ist Niederösterreich bundesweit das Land mit den meisten potentiellen Wählerinnen und Wählern – mehr dazu in EU: Niederösterreich ist „wahlentscheidend“ (noe.ORF.at; 20.5.2024).

Sieben Parteien kämpften um 20 Sitze im Europäischen Parlament, einer mehr als 2019. Neben den fünf Parlamentsparteien ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS standen auch die KPÖ und die CoV-Maßnahmen-kritische DNA (Demokratisch – Neutral – Authentisch) auf den Stimmzetteln.

Für den Einzug ins Europäische Parlament sind mindestens vier Prozent der Stimmen notwendig. Europaweit werden 720 Abgeordnete gewählt. Das sind um 15 mehr als bei der EU-Wahl vor fünf Jahren. Die Wahlbeteiligung im Jahr 2019 lag in Österreich bei knapp 60 Prozent. Diesmal deuteten Umfragen im Vorfeld der Wahl auf eine ähnlich hohe Wahlbereitschaft hin.

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