Vorwurf der »Wokeness«: Wikipedia-Spender trotzen Boykottaufruf ...
Elon Musk: Wenig weihnachtliche Botschaften
Foto: Allison Robbert / Bloomberg / Getty ImagesMultimilliardär Elon Musk hat die Weihnachtsfeiertage genutzt, um eine alte Feindschaft aufleben zu lassen. In mehreren Beiträgen auf X, vormals Twitter, beschwerte er sich über die Online-Enzyklopädie Wikipedia und rief dazu auf, deren alljährliche Spendenkampagne zu boykottieren – offensichtlich erfolglos.
An Heiligabend etwa schrieb er: »Hören Sie auf, an Wokepedia zu spenden, bis die Unvoreingenommenheit ihrer redaktionellen Kompetenz wiederhergestellt ist.« Mit dem Begriff »Wokepedia« unterstellt er, dass die Online-Enzyklopädie »woke« sei. In der Diktion des Milliardärs ist das die ultimative Beleidigung. Anfang des Jahres sprach er gar von einem »woken Seelenvirus«, der »die Welt zerstöre«. Zudem verbreitet er einen Beitrag des Troll-Accounts »Libs Of TikTok«, der den Wikipedia-Betreibern, also der gemeinnützigen Wikimedia Foundation, den Missbrauch der Spendengelder unterstellt.
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Wikimedia Deutschland weist den Vorwurf der politischen Einflussnahme zurück. »Die Ehrenamtlichen-Community hat einige Grundprinzipien der Zusammenarbeit und weitere Regeln entwickelt, die für alle Mitwirkenden gleichermaßen gelten und die Qualität der Inhalte und das Fortbestehen des Gemeinschaftsprojekts als gemeinnützig, unabhängig und frei sichern sollen«, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage des SPIEGEL. Zu diesen Grundprinzipien gehöre Neutralität.
Allerdings gehört auch Faktentreue zu den Grundprinzipien der Online-Enzyklopädie. Quellen wie die britische Boulevardzeitung »The Daily Mail«, die immer wieder mit Falschinformationen auffielen, sollen daher nicht mehr als einzige Quelle für Fakten in der Wikipedia dienen. Da Elon Musk immer wieder auf rechte Alternativmedien setzt, um seine politische Agenda durchzusetzen, ist der Konflikt zwischen den ehrenamtlichen Wikipedia-Autoren und dem Multimilliardär kaum verwunderlich.
Doch offensichtlich hatte Musks Boykottaufruf das Gegenteil der erwünschten Wirkung. In sozialen Medien häufen sich Beiträge von Menschen, die ihre Spende für die Wikipedia genau mit der Ablehnung von Elon Musk verknüpfen. Dies macht sich auch bei den Spendensummen bemerkbar. Laut den täglich veröffentlichten Spendenzahlen der Wikimedia Foundation wurden in den drei Tagen vor Weihnachten zwischen 800.000 und 900.000 Dollar gespendet. Dieser Wert kletterte am ersten Weihnachtstag auf mehr als eine Million, am zweiten Weihnachtstag gar auf mehr als 1,6 Millionen Dollar. Starke Schwankungen sind bei dem Spendenaufkommen nicht unüblich, in dieser Höhe sind sie jedoch auffällig.
Dass Elon Musks Ablehnung Wikipedia-Fans tatsächlich zum Spenden bringt, legt auch der Spendenticker des Vereins Wikimedia Deutschland nahe, der parallel zur US-Stiftung Spenden sammelt. Zwar ist das Spendenaufkommen hier nur leicht gestiegen, aber die Kommentare zeigen, dass die Nachrichten über Elon Musk Einfluss hatten.
»Ich nutze die Wikipedia regelmäßig und möchte, dass sie unabhängig bleibt. Südafrikanische US-Milliardäre sollten ihre Finger von ihr lassen«, schreibt etwa ein Spender, der 50 Euro überwiesen hat. Ein anderer kommentiert zu einer Spende von 100 Euro: »Wäre Hr. Musk dieses Jahr nicht gewesen, hätte ich es verpasst zu spenden. Also Danke an Elon.«