Jede Science-Fiction- und Fantasy-Serie hat eine Herausforderung zu bewältigen, die anderen Serien erspart bleibt: Sie muss die Zuschauerschaft in eine Welt führen, die ihr fremd ist. Eine Anstrengung, die von Sehern Geduld erfordert und belohnt werden will. Wie dem Publikum die Türen zu diesen fremden Welten geöffnet werden, ist recht unterschiedlich. George Lucas ließ am Beginn von „Star Wars“ einfach Text über die Leinwand laufen. In anderen Filmen nimmt ein Neuling die Zuschauer bei der Hand und erschließt die Universen mit ihnen. Die neue Serie „Dune: Prophecy“ (auf Sky) versucht, mit einem gut vierminütigen Prolog das Publikum hineinzuführen in ein komplexes Gefüge aus Planeten, Religions- und Machtkämpfen. Nur Denis Villeneuves „Dune“-Blockbuster gesehen zu haben, reicht nicht aus. Denn der Held jener Kinofilme, Paul Atreides, ist in dieser Geschichte noch lange nicht geboren.
Was muss man nun aber wirklich wissen? Es gibt kein Internet, keine künstliche Intelligenz in dieser Welt, denn es kam zum Krieg zwischen Menschheit und „denkenden Maschinen“. Und im Zentrum steht die Frauensekte Bene Gesserit, die sich hier noch nicht so nennt, sondern deren Mitglieder unter „truth sayer“ firmieren. Doppeldeutig, denn sie beschäftigen sich mit Zukunftsdeutung und als Lügendetektorinnen.
Ein Einblick in „Dune: Prophecy“. HBO / Sky
Ein Glaubensstreit ist in der Schwesternschaft entbrannt, zwischen jenen, die sich nur Geistigem widmen wollen, und jenen, die politische Kontrolle anstreben: indem sie genetische Codes verwahren, Ehen stiften und sich ihre idealen Führer regelrecht heranzüchten. Valya Harkonnen, Anhängerin zweiterer Schule, entscheidet den Streit für sich. Da ist sie noch jung, erst ein Zeitsprung führt dann zur richtigen Handlung, in der sie und ihre Schwester die Sekte anführen.
Die Prinzessin soll einen Neunjährigen heiratenIhre ehrgeizigen Ziele wollen sie mithilfe der Tochter und Erbin des Imperators, Ynez (Sarah-Sofie Boussnina), erreichen. Diese soll von der Schwesternschaft ausgebildet werden, aber vorher noch einen Neunjährigen heiraten, der ein ziemlicher Rotzlöffel ist, doch sein Papa verfügt über eine gigantische Raumschiffflotte. Diesem Plan funkt aber der Krieger Desmond Hart (Travis Fimmel) dazwischen. Er behauptet, auf dem Wüstenplaneten, um den es in der von Frank Herbert erdachten Saga eigentlich geht, von einem der gigantischen Sandwürme verschluckt und wieder ausgespien worden zu sein – und nun besondere Fähigkeiten zu haben, etwa Menschen bei lebendigem Leib verbrennen zu lassen. Das sieht man am Schluss der gut einstündigen Pilotfolge, bei einem Kind noch dazu. Grausam, was die Serie einem hier zumutet.
„Dune“ als neue Zeltstange Hollywoods„Dune: Prophecy“ ist selbst Teil eines größeren Plans: dem Aufbau eines Franchises. Die Superhelden von Marvel und DC, die lange die Leinwände und Bildschirme dominierten, schwächeln unübersehbar. Unterhaltungsgigant Disney hatte „Star Wars“ um ein Heidengeld gekauft und ausgebaut – doch wirkt die Sternkrieger-Saga überstreckt und ausgedünnt. Und Amazons „Herr der Ringe“-Serie „Ringe der Macht“ bleibt massiv unter den Erwartungen. Nun will man mit „Dune“ eine weitere Zeltstange aufstellen, um darüber das Dach der Hollywood-Dominanz zu spannen. Villeneuves dritter „Dune“-Film ist längst in Arbeit. Wenn „Dune: Prophecy“ gut läuft, dürfte es weitere Ableger geben. Material gäbe es genug. Frank Herberts Sohn Brian und der Autor Kevin J. Anderson haben die Buchreihe fortgeführt (mit durchwachsenem Ergebnis).
Wo ist nun die Belohnung für die Zuschauerschaft für die ganze Mühe? Die Filme versteht man durch die ersten beiden Folgen (die bislang zur Verfügung gestellt wurden) nicht besser als vorher. Von den Figuren fesseln vor allem die Harkonnen-Schwestern (gespielt von den Grandes Dames Emily Watson und Olivia Williams), die Prinzessin bleibt eher farblos, von den „truth sayer“-Aspirantinnen sticht Faoileann Cunningham als Schwester Jen hervor. Der Rest: viel Ränkeschmiederei und vorwurfsvoll dreinschauende Menschen. Wer „Dune“ mag, dürfte sich von der dessen „kleiner Schwester“ aber gut unterhalten fühlen.