Dua Lipa setzt mit ihrem neuen Album auf „Radical Optimism“
Sie ist einer der größten Popstars unserer Zeit. Warum Dua Lipa immer wieder tiefstapelt, um groß rauszukommen, und warum „Radical Optimism“ aka toxische Positivität vielleicht nicht immer nur schlecht ist.
Von Alica Ouschan
Happy Dua Day, an alle die feiern! Nachdem das Wichtigste gesagt ist, folgen einige Worte, die dem Grundtenor des Albums auf den ersten Blick widersprechen. „Radical Optimism“ ist ein Triumph, ein Lachen ins Gesicht aller Energiesauger und Miesmacherinnen, Missgünstigen und Neiderinnen, das einem selbst dann nicht vergeht, wenn man im offenen Wasser schwimmend plötzlich neben sich eine Haiflosse entdeckt (siehe Albumcover).
Braucht es in der heutigen Zeit wirklich sorglos daherkommenden, belanglos scheinenden Radio-Pop ohne jeden Hauch von kritischer Selbstreflexion oder politischem Inhalt? Ist „Radical Optimism“ nicht einfach nur ein Euphemismus für toxic positivity? Will Dua Lipa uns sagen, dass wir unserem Spiegelbild frühmorgens einfach mal ein Lächeln schenken sollten, um gut gelaunt in den Tag zu starten?
Ein Album für den Hot Girl Summer„Radical Optimism“ ist ein Konzept, eine musikalische Stimmung, eine Lebenseinstellung. Es steckt mehr dahinter, als es zunächst den Anschein hat. Es ist eine Ode an das Aufgeben aussichtsloser Kämpfe. Ein Plädoyer, sich den eigenen Wünschen und Bedürfnissen hinzugeben und sich selbst an erster Stelle zu sehen. Sich selbst zu erlauben, die schönen Seiten des Lebens auszukosten, zu genießen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ein Album und Motto, perfekt für den anstehenden Hot Girl Summer quasi.
Entstanden aus über 100 Songskizzen, die Dua Lipa während ihrer mehrere Jahre andauernden Welttournee akribisch notiert und mit ins Studio genommen hat. Die ersten Erkenntnisse daraus waren maßgeblich für den Outcome: Es wird ein Trennungsalbum, mit allem, was dazu gehört. Und: Die perfekt ausproduzierte Disco-Pop-Kulisse von „Future Nostalgia“ ist abgeschlossen.
So scheint es wie eine beinahe perfekte Fügung des Schicksals, dass ausgerechnet Indie-Mastermind Kevin Parker aka Tame Impala ein großer Fan von Dua Lipa ist - umgekehrt ist es natürlich ebenso. Eine Kollaboration, die keiner erwartet hätte und die überraschenderweise fantastisch funktioniert, was die beiden mit der ersten Single „Houdini“ schon vorab bewiesen haben. Die signature sounds beider Artists entwickeln auf „Radical Optimism“ einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann.
Keine großen Pop-HitsWer auf ein weiteres Album mit Pop-Hits gehofft hat, wird enttäuscht - aber Dua Lipa hat ja schon zwei davon. Nicht nur deshalb klingt „Radical Optimism“ introspektiver und weniger dringlich, dafür facettenreicher und bodenständig. Erstmals verlässt Dua Lipa die ihr so gut stehenden Pop- und Dance-Produktionen, wagt sich an von Trip Hop inspirierte Beats und analoge Synthesizer (natürlich mitgebracht von Tame Impala) sowie die immer häufiger dominant auftretenden Gitarren und Bässe. Songs wie „Maria“ oder „French Exit“ lassen ein gewisses musikalisches Liebäugeln mit Dua Lipas zweiter Heimat Albanien anmuten.
Inspiriert von den musikalischen Stimmungen von Primal Scream, Portishead und Massive Attack fühlt sich diese Platte nicht mehr oberflächlich und glatt an. „Radical Optimism“ lässt sich trotzdem, und wie es sich für ein Pop-Album gehört, easy durchhören, zumindest wenn man nicht absichtlich über die scheinbare Banalität des Songwritings stolpert. Die Dramaturgie der Platte ist vorhersehbar und kitschig.
Dua Lipa
Es ist eine sehr klassische, fast schon abgedroschene Heldinnenreise der verlassenen Geliebten, die durch die Trennung den Weg zu sich selbst findet und schließlich lernt, sich selbst zu lieben. Von „End of an Era“ zu den Wänden, die ihr zur Trennung raten würden, wenn sie sprechen könnten („These Walls“), geht es weiter mit Situationships und Ablenkung, schließlich die Erkenntnis, dass man doch immer ein „hopeful Romantic“ bleiben wird.
Eifersucht und Missgunst weichen also einem selbstlosen Loslassen: „I must’ve loved you more than I ever knew. Cause I’m happy for you. I’m not mad, I’m not hurt. You got everything you deserve. I must’ve loved you more than I ever knеw. I’m happy for you.“ Bei dieser „Kill ’em with Kindness“-Mentalität, die Dua Lipa derart kompromisslos an den Tag legt, fällt es schwer, ihren „Radical Optimism“ als toxic positivity abzutun, zumal wir uns doch alle insgeheim wünschen, in uns selbst das zu finden, was wir oft so krampfhaft in anderen suchen.
Miley Cyrus hat uns vor einem Jahr erklärt, dass die schönsten Blumen die sind, die wir uns selbst kaufen. Dua Lipa schreibt ein neues Kapitel des Selflove-Epos der Popmusik. Von ihr dürfen wir lernen, dass radikaler Optimismus manchmal der beste Weg ist, um schwere Zeiten zu meistern, und dass wir uns in diesen Zeiten getrost alles nehmen können, was wir brauchen, um hoffnungsvoll zu bleiben.
Publiziert am 03.05.2024
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