Brücke in Dresden stürzt ein: Korrosion als mögliche Ursache

Dresden Brückeneinsturz

Die Stadt Dresden ist in der Nacht zum Mittwoch einer ­Katastrophe knapp entgangen. Die Carolabrücke, eine der wichtigsten Verkehrsadern in der Innenstadt, stürzte in Teilen in die Elbe. Es gab zum Glück keine Toten oder Verletzten. Denn das Unglück hätte viel schlimmer ausgehen können: Auf der Brücke verkehrt die Straßenbahn, zudem verlaufen ein Radweg und ein Gehweg für Fußgänger über sie. Nur 18 Minuten vor dem Einsturz um 3.08 Uhr war noch eine Straßenbahn über die Brücke gefahren. Straßenbahnen fahren an Wochentagen auch nachts über die Brücke.

„Wir können nur dankbar sein, dass niemand bei diesem schrecklichen Ereignis zu Schaden gekommen ist“, sagte Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) am Mittwoch. Die Sicherungsarbeiten am Unglücksort seien nun das Wichtigste. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zeigte sich erleichtert, dass beim Einsturz der Brücke keine Menschen zu Schaden kamen. „Es ist glimpflich abgegangen“, sagte er bei einer Veranstaltung in der Landeshauptstadt. Er bekomme „richtige Gänsehaut“, wenn er an die möglichen Folgen denke, wenn das Unglück am Tag passiert wäre, und Straßenbahn und Autos auf der ­Brücke gewesen wären.

„Komplett einsturzgefährdet“

Die Brücke war auf einer Länge von 100 Metern eingestürzt, wie die Feuerwehr mitteilte. Drohnenbilder zeigten am Mittag, dass ein großes Teilstück der Brücke im Fluss hängt. Ein weiterer Abschnitt der Brücke ist nach Angaben der Feuerwehr einsturzgefährdet. Deshalb bleibt die gesamte Brücke weiterhin gesperrt, sie soll in allen Teilen überprüft werden. Es bestehe Lebensgefahr auf der Brücke, teilte die Feuerwehr mit. Mit einer Drohnenstaffel will sie feststellen, wie groß die Schäden sind.

Brückenbauexperte Steffen Marx, Professor am Institut für Massivbau an der TU Dresden, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das Bauwerk muss man heute unter komplett einsturzgefährdet verbuchen.“ Obwohl dazu aufgerufen worden war, den Unfallort zu meiden, kamen am Mittwoch Hunderte Schaulustige in der Innenstadt an die Elbe, um einen Blick auf die eingestürzte Brücke zu werfen.

Den Einsturz der Brücke hatten zuerst Polizisten gemeldet, die in der Nacht nur wenige Dutzend Meter entfernt die Synagoge bewachten. Nach Angaben eines Po­lizeisprechers hörten die Beamten ein mas­sives Geräusch, der Boden habe zudem gewackelt. Die Polizei geht von einem Unglück aus. Sie sah bis zum Nachmittag keine Anhaltspunkte, dass es einen Anschlag oder eine sonstige Fremdeinwirkung auf die Brücke gegeben habe.

Ein rund ein Meter langer Spalt

Die Ursache für das Unglück ist bisher unklar. Als mögliche Ursache kommt Korrosion infrage, die durch mangelnde Wartung in der Vergangenheit entstanden ist. Diese Vermutung äußerte Holger Kalbe, der für die Sicherheit der Brücken in Dresden zuständig ist. Zu DDR-Zeiten seien in starkem Maße Chloride in das Bauwerk eingedrungen, sagte Kalbe. An der Stelle, an der die Brücke einbrach, habe sich ein Mast der Verkehrsbetriebe befunden. Es könne sein, dass an dieser Stelle massiv Chloride eingedrungen seien und im Inneren der Brücke zu Korrosion an der Bewehrung geführt hätten, sagte der Abteilungsleiter für Brücken- und Ingenieurbauwerke der Stadt. Man habe aber nicht voraussehen können, dass der Zustand so schlimm gewesen sei, dass es zum Einsturz habe kommen können. Nach Angaben der Feuerwehr hatte sich am Brückenkopf ein rund ein Meter langer Spalt gebildet.

Die etwa 400 Meter lange Brücke, die 1971 in Betrieb genommen worden war, besteht aus drei Brückenzügen, die durch Querriegel verbunden sind. Die Züge A und B waren in den vergangenen Jahren schon saniert worden, bis Mitte 2021 der erste, bis November 2023 der zweite Zug. Der nun eingestürzte Teil C hätte im kommenden Jahr saniert werden sollen. Dafür hatte die Stadt Dresden 8,4 Millionen Euro veranschlagt. Insgesamt plante sie für die Sanierung der gesamten Brücke mit 20,7 Millionen Euro.

Schifffahrt stark durch Einsturz betroffen

Beim bisher letzten Brücken-TÜV, der alle sechs Jahre stattfindet, war die Sicherheit des Brückenzugs C als „nicht ausreichend“ (Note 4) bewertet worden, weil dort schon Korrosion festgestellt worden war. Auf der Brücke sollte noch bis Ende dieses Jahres ein Verkehrsversuch laufen, um die Brücke für Fußgänger und Fahrradfahrer sicherer zu machen. Dafür sollte der Radweg verbreitert werden.

Der Ausfall der Carolabrücke führte am Mittwoch zu einem Verkehrschaos in der Dresdner Innenstadt. Der Verkehr für Fahrzeuge, aber auch die Routen von zwei Straßenbahnlinien und Stadtbussen mussten umgeleitet werden, vor allem über die Albertbrücke. Nach einer Verkehrszählung vor einem Jahr waren täglich 27.100 Fahrzeuge über die Brücke gefahren. Über sie verläuft die Bundesstraße B 170.

Auch die Schifffahrt in Dresden ist durch den Einsturz stark betroffen. Die Elbe ist als Bundeswasserstraße in Dresden gesperrt. Das betrifft den Güterverkehr, etwa aus der Tschechischen Republik, aber auch den Bootsverkehr von Wassersportlern und touristische Schiffsfahrten durch die Weiße Flotte. Die Feuerwehr rechnet zudem mit möglichem Hochwasser, das die Aufräumarbeiten erschweren könnte.

Die heutige Carolabrücke, von 1967 bis 1971 errichtet, ersetzte eine im Jahr 1895 eröffnete Brücke. Sie war von der Waffen-SS am Abend des 7. Mai 1945, einen Tag vor Ende des Zweiten Weltkriegs, gesprengt worden. Die Brücke ist benannt nach Carola von Wasa-Holstein-Gottorp, der Ehefrau des sächsischen Königs ­Albert, der von 1828 bis 1902 lebte.

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