Er wäre bei Nationalratswahl schon mit „klarem Plus“ der SPÖ zufrieden, sagt Burgenlands Landeschef. Über Entwicklungen in Wien ist er „alarmiert“.
Die parteiinternen Gräben hat er damit nicht zugeschüttet: Burgenlands Landeshauptmann, Hans Peter Doskozil (SPÖ), teilte am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ nicht nur gegen die Bundesregierung und die FPÖ, sondern auch gegen seine Parteifreunde aus. Er ließ erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass die SPÖ-Bundespartei bei der Nationalratswahl am 29. September Platz eins holen könnte.
Wenn alles seinen normalen Gang nehme und keine besonderen Themen aufkämen, werde es „sehr, sehr schwierig“, sagte Doskozil. „Ich schraube die Erwartungshaltung gar nicht so weit nach oben, wenn wir ein klares Plus bei den nächsten Wahlen verzeichnen könnten, wäre ich schon glücklich.“ Doskozil legte Bundesparteichef Andreas Babler indirekt den Rückzug nahe, sollte die SPÖ ein Minus einfahren.
Auseinander liegen die Einschätzung des Landeshauptmanns und anderer Teile der Sozialdemokratie auch in Integrations- und Migrationsfragen. Ihre Positionen dazu hat die Bundespartei am Samstag präsentiert, in einer aktualisierten Zusammenfassung des bisherigen Migrationspapiers. Dieses ist im Jahr 2018 von Doskozil und dem Kärntner Landeshauptmann, Peter Kaiser (SPÖ), ausgearbeitet worden. In dem neuen Papier werden schnellere Verfahren an den EU-Außengrenzen und eine faire Verteilung der Flüchtlinge in der EU samt Sanktionen gegenüber Staaten, die das verweigern, gefordert. Wenn Rückführungen in das Herkunftsland nicht möglich sind, soll es auch Abschiebungen in sichere Drittstaaten geben, fordert die SPÖ.
„Ruhig in Wahlkampf gehen“Doskozil hatte an der neuen Version des Papiers nicht mitgewirkt. Er habe sich im Vorfeld der Nationalratswahl zurückhalten wollen, sagte er im Interview am Sonntag: „Weil es sicher den einen oder anderen Punkt gegeben hätte, den ich anders gesehen hätte.“ Man solle „ruhig in den Wahlkampf gehen können“. Ein wenig kommentierte er das Papier jedoch schon. Er hielt fest, die Außengrenzverfahren seien ein richtiger Schritt, „was aber nicht drinnen steht: Was passiert dann in weiterer Folge?“ Die Schuldige für die Migrationsprobleme sei aber die ÖVP, die abgesehen von der Amtszeit von Herbert Kickl seit mehr als 20 Jahren das Innenministerium leite.
Im Juni ist bekannt geworden, dass rund ein Drittel der Wiener Volksschüler des laufenden Schuljahrs Muslime sind und diese damit die größte religiöse Gruppe stellen. Im Interview mit der „Kronen Zeitung“ zeigte sich Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) darüber zuletzt nicht alarmiert. Das sei ihm „wurscht“: „Jeder möge seine Religion ausüben, wie er will.“
„Diese Zahlen haben mich alarmiert“, meinte hingegen Doskozil. Ihn interessiere das schon. Denn diese Entwicklung führe zu einer langfristigen Veränderung in der Gesellschaft. Es gebe gesetzliche Regeln für das Zusammenleben, „aber es gibt auch etwas darüber hinaus, das hat mit Werten, Traditionen zu tun, aber auch mit der Kirche und der Religion“: „Das kann man nicht wegdiskutieren, das ist unsere Tradition und unsere Geschichte.“ Da könne man nicht sagen, „Das interessiert mich nicht“, sagte Doskozil.
»Aus meiner Sicht hätte man nicht zustimmen dürfen«
Hans Peter Doskozilzum Renaturierungsgesetz
Nicht auf einer Linie mit den roten Landesparteien ist der Burgenländer auch bei der EU-Renaturierungsverordnung. Wien und Kärnten haben die Zustimmung Gewesslers begrüßt. „Aus meiner Sicht hätte man nicht zustimmen dürfen“, meinte Doskozil. Denn „niemand weiß derzeit genau, was das bedeutet. Etwas zuzustimmen, das ich nicht kenne, da tu ich mir schwer.“
Doskozils „Wunschkoalition“ nach der Nationalratswahl besteht aus der SPÖ, den Grünen und den Neos. Er glaube jedoch nicht, dass diese eine Mehrheit haben werde. Für wahrscheinlich hält der Landeshauptmann eine blau-schwarze Regierung – trotz der Beteuerung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Kickl nicht zum Kanzler machen zu wollen. „Wenn Karl Nehammer ein zweistelliges Minus einfährt, dann wird er nicht weitermachen können, dann wird jemand anders übernehmen.“
Koalition mit FPÖ möglichEine „Große Koalition“ aus ÖVP und SPÖ wird laut Doskozils Einschätzung auch noch einen dritten Partner benötigen – vermutlich würden die Neos das Rennen machen, schätzt der Landeshauptmann. Auf die Frage, was auf Bundesebene passieren müsse, wenn die SPÖ bei der Wahl schlecht abschneide, meinte Doskozil in Richtung Parteichef Babler: „Wenn ich nicht in der Lage wäre, Wahlen zu gewinnen, wüsste ich, was ich zu tun hätte“, nämlich abzutreten. „Das Credo gilt auf allen Ebenen“, sagte Doskozil. Während die Bundespartei eine Koalition mit der FPÖ ausschließt, hält Doskozil eine solche im Burgenland nach der Landtagswahl 2025 für möglich.