Magische Nächte statt tristem Alltag für München und Dortmund
Es kribbelt bei Edin Terzic. Die Lust auf die nächste magische Nacht in der Champions League ist beim Coach von Borussia Dortmund riesig. Doch für Terzic ist das Halbfinal-Hinspiel gegen den französischen Meister Paris St. Germain am Mittwoch (21 Uhr) nicht nur eines der wichtigsten Spiele seiner bisherigen Trainerkarriere, es bietet auch wieder einmal eine willkommene Abwechslung vom tristen Ligaalltag. Denn ohne die mitreißenden Auftritte in der Königsklasse müsste der 41-Jährige am Saisonende kräftig um seinen Job kämpfen.
Die Kritik im Fanlager wurde nach dem ernüchternden Auftritt beim „Endspiel um Platz vier“ bei RB Leipzig (1:4) wieder deutlich lauter. In acht Spielen gegen die Top Vier der Tabelle gelang der Borussia in dieser Saison bei fünf Niederlagen lediglich ein Sieg. Für die Ansprüche des BVB ist das viel zu wenig.
Trainer Edin Terzic hat keinen Freifahrtschein bei den Dortmundern. Foto: AFP
Die Entwicklung nach der so dramatisch verpassten Meisterschaft in der vergangenen Saison stockt, fußballerisch lassen die Schwarz-Gelben viele Wünsche offen. Dass Platz fünf aller Voraussicht in dieser Spielzeit zur Teilnahme an der Königsklasse berechtigt, ist ein Glücksfall für die Dortmunder.
Wir sind mit der Entwicklung in diesem Jahr nicht zufrieden.
Sebastian Kehl
Sportdirektor des BVB
Ansonsten würden auch die Verantwortlichen deutlich unruhiger reagieren. Doch BVB-Boss Hans-Joachim Watzke stärkte Terzic, dem in der Winterpause Nuri Sahin und Sven Bender als Assistenten an die Seite gestellt wurden, immer wieder den Rücken. „Ich erkenne einen Top-Trainer, wenn ich einen sehe“, betonte Watzke und sah sich nach dem Halbfinaleinzug in der Champions League bestätigt: „Manchmal ist es schon richtig, sich als Verantwortlicher nicht mitreißen zu lassen, sondern kühl und analytisch zu bleiben. Wir sind sehr froh, dass wir unseren Weg gegangen sind.“
Für Dortmunds Marius Wolf läuft es in der Liga nicht immer rund. Foto: dpa
Doch wohin führt dieser Weg kurz- und mittelfristig? Mannschaften wie Meister Bayer Leverkusen und der VfB Stuttgart sind dem BVB einen Schritt voraus. „Wir sind mit der Entwicklung in diesem Jahr nicht zufrieden“, sagte bereits im März Sportdirektor Sebastian Kehl, dem nicht das beste Verhältnis zu Terzic nachgesagt wird.
Doch Kehl hoffte vergebens auf eine Beförderung als Watzke-Nachfolger zum Geschäftsführer Sport. Diesen Aufstieg vollzieht am Mittwoch Lars Ricken, der das Nachwuchsleistungszentrum der Dortmunder bisher erfolgreich leitete. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit“, sagte Terzic. Ricken verschaffte Terzic einst mit der Assistentenstelle unter Hannes Wolf seinen ersten Trainerjob.
Einen Freifahrtschein bekommt Terzic (Vertrag bis 2025) aber natürlich auch von Ricken nicht. Der neue starke Mann wird ganz genau hinschauen. Mit dem ersten Einzug ins Champions-League-Finale seit elf Jahren würde Terzic aber seine Kritiker weiter verstummen lassen. „Wenn man schon mal da ist, macht es auch Sinn, ums Finale zu kämpfen“, sagte Terzic vor dem Spiel gegen Paris. Man spürt das Kribbeln.
Harry Kane soll es richtenAuch beim FC Bayern herrscht nicht nur Sonnenschein. Im „Krieg von München“ zwischen Uli Hoeneß und Thomas Tuchel müssen die Waffen ruhen, die „Mutter“ aller Europapokal-Duelle mit dem furchteinflößenden Champions-League-Monster Real Madrid duldet keine Ablenkung. „Alle brennen“, sagte Max Eberl vor dem 27. Hit gegen die Königlichen, und auch der Sportvorstand des FC Bayern ist elektrisiert. „Es steht etwas ganz Besonderes vor der Tür, das fühlt sich an wie Weihnachten.“ Die Bescherung soll in Wembley folgen.
Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern München, stärkt seinem Trainer nicht gerade den Rücken. Foto: dpa
„Es wird auf jeden Fall ein schwerer Weg“ zum Finale am 1. Juni in London, weiß Vorstandschef Jan-Christian Dreesen. Schließlich sind die Bayern für Real längst keine „schwarze Bestie“ mehr, bei den jüngsten drei Treffen scheiterten die Münchner und verloren in der Allianz Arena immer. Trotzdem: „Zu Hause, Flutlicht, 75.000 Zuschauer, Halbfinale, Real - was willst du mehr?!“, schwärmte Eberl. Joshua Kimmich ergänzte mit leuchtenden Augen: „Da wird ein Traum wahr!“
Damit daraus im Hinspiel am Dienstag (21 Uhr) kein Albtraum wird und die Bayern elf Jahre nach dem Triumph über Dortmund in die Kathedrale des englischen Fußballs zurückkehren können, will Trainer Tuchel alle nervigen Nebengeräusche ausblenden: Den zehrenden Zwist mit Patron Hoeneß, den das Real-Hausblatt Marca zum „Krieg“ stilisierte, die langwierige Debatte um seinen möglichen Nachfolger Ralf Rangnick und die quälenden Personalsorgen.
Jude Bellingham ist mit 20 Jahren bereits ein Führungsspieler bei den Königlichen. Foto: AFP
Tuchel ist dennoch gewarnt. Real - das sei „höchste individuelle Qualität gepaart mit Umschaltwucht“ und in der Champions League das Maß aller Dinge. Dort, weiß der Trainer, seien Toni Kroos, Antonio Rüdiger oder Jude Bellingham „extrem gefährlich, weil sie die Situation genießen und schwierige Momente aushalten“.
Was dagegen hilft? Die Superform von Superstar Harry Kane, der versprach, er werde „ein paar reinmachen“. Das frische bajuwarische Selbstvertrauen aus dem Viertelfinal-Coup gegen den FC Arsenal. Danach, sagte Leon Goretzka, habe er in der Kabine gespürt: „Das könnte der Anfang von etwas Großem sein.“ Er versicherte: „Ich glaube an uns.“ Und Kimmich betonte: „Wir wollen diese Chance nicht verschwenden.“
ProgrammChampions League - Halbfinal-Hinspiele
Am Dienstag:
21.00: Bayern - Real Madrid
Am Mittwoch:
21.00: Dortmund - Paris
Rückspiele am 7. und 8. Mai
Quelle: SID