Schlussplädoyers im Pelicot-Prozess beginnen

5 Stunden vor

Stand: 20.11.2024 04:44 Uhr

Der Prozess um die zigfache Vergewaltigung Gisèle Pelicots wühlt Frankreich auf. Heute beginnen die Plädoyers ihrer Anwälte. Viele Vorwürfen weist der Haupttäter zurück - er war der Ehemann Pelicots.

Dominique Pelicot - Figure 1
Foto tagesschau.de

Was sich dieser Tage im Gerichtssaal in Avignon abspielt, ist der aufgewühlte, verzweifelte Schlagabtausch zwischen Mitgliedern einer zerstörten Familie. Auf der einen Seite Gisèle Pelicot mit ihren drei Kindern, Caroline, David und Florian.

David gibt sich, genau wie seine Mutter, kämpferisch. Er sagt: "Wir erwarten Erklärungen von Herrn Pelicot. Wir wissen, was er meiner Mutter angetan hat. Das können wir ihm nicht verzeihen. Als ich am 2. November 2020 von den Taten erfuhr, habe ich meinen Vater verloren. Zu Prozessbeginn habe ich dann ein Monster kennengelernt."

Rechtfertigung eines Vergewaltigers

Dieses "Monster", wie David Pelicot seinen Vater nennt, sitzt hinter Glas im Gerichtssaal. Dominique Pelicot versucht, seine Beweggründe zu erklären. Er selbst sei im Alter von neun Jahren vergewaltigt worden. Dies habe einen "Riss" hinterlassen. Er fügte hinzu: "Es war mein Phantasma, eine starke Frau zu unterwerfen. Aber sie sollte nicht leiden". Deshalb die Betäubungsmittel, erklärt Dominique Pelicot.

Bereits zu Beginn des Prozesses hatte er gestanden, seine Frau zigfach vergewaltigt und dafür auch andere Männer im Netz rekrutiert zu haben. Andere Anschuldigungen streitet er ab.

"Du wirst mit deiner Lüge sterben, ganz allein"

Seine Tochter Caroline etwa vermutet, dass er auch sie missbraucht hat, denn auch von ihr wurden auf seinem Rechner Fotos gefunden, auf denen sie halbnackt ist und schläft: "Ich weiß, dass Dominique Pelicot, was mich betrifft, niemals die Wahrheit sagen wird. Solange es keine Beweise gibt, wird er nichts sagen."

Während der Verhandlung schleuderte Caroline ihrem Vater entgegen: "Selbst jetzt lügst du noch, du wirst mit deiner Lüge sterben, ganz allein."

Es stehen noch viele Fragen im Raum. Hat sich Dominique Pelicot auch an seinem Enkel vergangen? Hat er andere Frauen, Ende in den 1990er-Jahren vergewaltigt und sogar getötet? Pelicot weist all diese Vorwürfe von sich.

Caroline Pelicot vermutet, dass auch sie von ihrem Vater missbraucht wurde. Er weist das zurück.

Angeklagte mit Kapuzen und Masken

Während die hitzigen Anhörungen bis in die Abendstunden dauerten, warteten draußen wieder Dutzende Frauen. Wie etwa Blandine Deverlanges und Valentine Rioufol von der feministischen Gruppe Les Amazones d’Avignon.

Sie sagten: "Es sind die Vergewaltiger, die sich schämen müssen. Die Scham muss das Lager wechseln. Wenn man diese Typen hier sieht mit ihren Hüten, Kapuzen und Schutzmasken, könnte man meinen sie schämten sich tatsächlich." Aber die Männer schämten sich gar nicht, sondern versteckten sich nur. "Mittags albern sie beim Kaffee herum und unterstützen sich gegenseitig."

Gesellschaftliche Fragen

Frauenverachtende Männer? Männer, die eine Kultur der Vergewaltigung pflegen? Gisèle Pelicot nennt sie "Feiglinge". Es sind große Fragen, die der Prozess aufgeworfen hat. Fragen, die sich die Gesellschaft endlich stellen müsse, fordern Französinnen, die zum Teil von weit her angereist sind, um Gisèle Pelicot zu unterstützen.

Eine Unterstützerin machte deutlich: "Männer dürfen sich nicht alles herausnehmen, nur weil der Partner, der Bruder, der Ehemann einer Frau es erlaubt hat. Wir Frauen müssen ständig auf unsere Rechte achtgeben. Das ist doch nicht normal, das muss sich ändern."

Eine andere Frau vermutet: "Das ist ein kulturelles Problem. Alle diese Angeklagten hier haben Gisèle Pelicot als Objekt betrachtet. Das geht durch alle Gesellschaftsschichten und Altersstufen."

Schlussplädoyers erwartet

Gisèle Pelicot will, dass dieser Prozess mehr ist als der gerichtliche Schlagabtausch einer zerstörten Familie. Sie sagt: "Die patriarchale Männergesellschaft muss ihren Blick auf das Thema Vergewaltigung ändern."

Heute tragen die Anwälte von Gisèle Pelicot ihre Schlussplädoyers vor. Das Urteil wird in der Woche vor Weihnachten erwartet.

Mit Informationen von Friederike Hofmann, zurzeit in Avignon

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