Dominic Thiem: Eine österreichische Sportgröße tritt ab

7 Tage vor

Der Triumph bei den US Open 2020 war Segen und Fluch für Dominic Thiem, der nach seiner Handgelenksverletzung nie wieder zurück in Top 50 fand und kein Turnier mehr gewann. Die ehemalige Nummer 3 der Welt bilanziert mit 17 Titeln, vier Major- und zwei Masters-Finali. Und beendet mit knapp 31 Jahren seine Karriere.

Die Erfolgsliste des Dominic Thiem ist lang, und doch haben es viele Kritiker nach seiner Handgelenksverletzung und den von wenig Höhepunkten begleiteten Comebackversuchen vergessen: Thiem wurde 2020 bei den US Open als insgesamt erst zweiter Österreicher nach Thomas Muster zum Grand-Slam-Einzelsieger. Er stand in drei weiteren Major-Finali sowie zweimal im Endspiel der ATP Finals und gewann 17 Turniere. Nun stellt Thiem den Schläger im Herbst mit knapp 31 Jahren ins Eck.

Dieser Schritt mag sich für ihn auch wie eine Erlösung anfühlen. Denn ähnlich wie einst Skisprung-Star Gregor Schlierenzauer fand er nach einem Tief nie wieder ganz nach oben zurück - vor allem nach seiner am 22. Juni 2021 auf Mallorca erlittenen Verletzung.

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Uptown New York

Kurioserweise war der US-Open-Triumph 2020 für Thiem Segen und Fluch zugleich. Denn mit dem Fünfsatz-Sieg über Alexander Zverev hatte er sein ganz großes Ziel erreicht. Und das nicht, wie von allen erwartet, in Roland Garros, wo er zuvor zweimal im Finale gestanden und als „Kronprinz“ von Sandplatz-König Rafael Nadal gehandelt worden war, sondern in Flushing Meadows. Auf größtmöglicher Tennisbühne im Arthur Ashe Stadium, und doch mitten in der Covid-19-Pandemie leider vor leeren Rängen.

Thiem hatte sich davon eine Befreiung und mehr „Lockerheit“ erhofft. Später gab er aber zu, dass das Feuer nach der ersten Major-Trophäe zumindest vorerst einmal „erloschen“ war. „Es gibt Spieler, die sofort Feuer und Flamme sind, den nächsten Grand-Slam-Titel zu holen. Bei mir war es nicht so, ich bin ein anderer Typ. Da habe ich auch eine Zeit lang gebraucht, bis ich das akzeptiert habe“, meinte Thiem im März 2023.

Dass der Titel in Flushing Meadows gar sein bis dato letzter sein, und er danach nur noch zwei Endspiele erreichen würde, konnte damals niemand auch nur erahnen. Ende 2020 sorgte Thiem bei den ATP Finals der besten acht Spieler des Jahres mit Siegen über Rafael Nadal und Novak Djokovic noch für Furore, und verlor dann im Finale wie im Jahr davor nur knapp.

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Rückkehr bei Challengern

Doch 2021 lief es schon vor der verhängnisvollen Verletzung gar nicht nach Wunsch, ein Semifinale in Madrid war herausragend. In Melbourne schied er als Finalist 2020 im Achtelfinale aus, bei den French Open unterlag er schon in Runde eins. Auf Mallorca folgte der große körperliche Rückschlag. Erst nach 280 Tagen kehrte Thiem in Marbella im März 2022 bei einem Challenger zurück. Dort startete eine Serie von sieben Niederlagen en suite, es folgte ein Rückfall bis auf Weltranglistenplatz 352 (13.6.2022). Thiem erreichte noch Semifinali in Gstaad, Gijon und Antwerpen. Für eine Woche schaffte er es in diesem Jahr noch auf Platz 100.

Das „Zittern“ um die Teilnahme an den Hauptbewerben war aber dann für Thiem allgegenwärtig. 2023 waren das Erreichen des Kitzbühel-Finales und das halbwegs stabile Halten in den Top 100 das Highlight, höher als bis auf Platz 72 sollte Thiem aber nie mehr klettern. Ende des Jahres war er wieder nur 98.

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Ende Jänner dieses Jahres kam dann am Attersee die verständliche, aber doch überraschende Ankündigung, dass er bei weiterer Stagnation daran denkt, den Schläger an den Nagel zu hängen. Das Ziel für 2024 lautete Top 50, doch dieses erschien bald kaum möglich. Denn der Leistungsexploit ist ihm bis Mai immer noch nicht gelungen, im Ranking fiel er zuletzt auf Platz 117 zurück. Selbst auf Challenger-Niveau reichte es zu keinen zwei Siegen in Folge.

Thiem machte Ende März öffentlich, dass ihm sein rechtes Handgelenk wieder Schmerzen bereite. Jenes Handgelenk, in dem er sich im Juni 2021 auf Mallorca einen Einriss in der Sehnenscheide und der dazugehörigen Gelenkskapsel zugezogen hatte. „Dieses komische Gefühl im Handgelenk ist wieder zurückgekommen, gepaart mit leichten Schmerzen“, erzählte er.

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Die Qual, nein: Wahl der Trainer

Thiem hatte sich schon davor gleich nach den Australian Open von Coach Benjamin Ebrahimzadeh getrennt und kehrte unter die Fittiche seines Vaters Wolfgang zurück. Sein Manager war seit Februar 2023 sein jüngerer Bruder Moritz. Diese intensive Familieneinbindung ebenso auch wie der Umgang mit seiner Entourage, wie einige unglücklich verlaufene Trennungen wie u.a. von Langzeitcoach Günter Bresnik, sorgten immer wieder für Kritik. Auch die Übernahme des Managerpostens durch den vergleichsweise unerfahrenen Bruder sorgte im Tenniszirkus für Kopfschütteln.

Was bleibt, ist neben den vielen schönen Momenten für Tennis-Fans auch ein bitterer Beigeschmack, denn das Potenzial des Dominic Thiem war ein noch weit größeres. Seine herausragende Ästhetik, die einhändige Rückhand als sein Markenzeichen, und die eigentlich stärkere Vorhand mit enormen Drallgeschwindigkeiten trieben auch ganz große Gegner wie Roger Federer (Bilanz: 5:2-Siege), Rafael Nadal (6:10) und Novak Djokovic (5:7) zur Verzweiflung. Thiem ist einer von nur zwei Spielern mit zumindest je fünf Siegen gegen die „big three“.

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Neben Thomas Muster (44 Titel inklusive French-Open-Sieg sowie Nummer 1 der Welt) hat sich Thiem als ganz Großer des heimischen Sports in die Geschichtsbücher eingetragen - und das in einer Weltsportart. 2020 wurde Thiem zu „Österreichs Sportler des Jahres“ gekürt. Er behauptete sich fast fünfeinhalb Jahre in den Top Ten und lag fast ein Jahr auf Platz drei.

Das unschöne Ende seiner Karriere hat sich der lange Zeit so akribische Arbeiter, der 2019 in Indian Wells auch ein Masters-1000-Turnier gewonnen hat, ebenso wenig verdient wie Hasskommentare in den Sozialen Netzwerken. 2019 holte er auch das bis dahin von einem Österreicher unerreichte Titel-Double Kitzbühel/Wien. Und Anfang 2020 hätte er fast schon in Melbourne den ersten Major-Sieg gefeiert, verlor aber noch nach 2:1-Satzführung gegen einen gewissen Novak Djokovic.

Mentor: Günter Bresnik

Thiem wurde all den Vorschuss-Lorbeeren im Teenager-Alter gerecht. Den Grundstein dazu hatte Trainer, Mentor und Manager Günter Bresnik ab dem achten Lebensjahr gelegt. Bresnik formte aus dem Rohdiamanten Thiem, der schon in frühen Tagen die Jugend-Szene dominiert hatte, einen sportlichen Edelstein. Auch weil er ihm die beidhändige Rückhand abgewöhnt hat.

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„Der Bursche hat mich kein einziges Mal gefragt, wann das Training vorbei ist“, erzählte Bresnik einmal. Diese Einstellung, aber auch der große finanzielle und zeitliche Einsatz der gesamten Familie Thiem waren wichtige Erfolgsbausteine.

Thiem war und ist auf der ATP-Tour wegen seiner Bescheidenheit, guten Manieren und Freundlichkeit sehr beliebt. Selbst Roger Federer hatte ihn bei den French Open 2019 als „Superstar“ bezeichnet. Als dieser wird er in Österreichs Sport-Annalen auch in Erinnerung bleiben.

(APA)

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