Kritik aus Österreich: Deutschland weitet Grenzkontrollen aus
Kritik aus Österreich
Die deutsche Regierung verschärft weiter ihre Asylpolitik. Um die Zahl der unerlaubten Einreisen stärker einzugrenzen, hat die deutsche Innenministerin Nancy Faeser bei einer Pressekonferenz am Montag Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet. Diese sollen am 16. September beginnen und zunächst sechs Monate andauern. Österreich werde keine zurückgewiesenen Flüchtlinge übernehmen, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).
Online seit gestern, 21.28 Uhr
Stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es bereits seit dem Vorjahr, an der Grenze zu Österreich schon seit 2015. In der Praxis geht es daher um die Einführung von Kontrollen auch an den deutschen West- und Nordgrenzen zu Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich.
Als Gründe für die nun angeordneten Kontrollen genannt wurde neben der Begrenzung der irregulären Migration auch der Schutz der inneren Sicherheit vor aktuellen Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus und vor grenzüberschreitender Kriminalität. Seit Oktober wurden laut deutschem Innenministerium mehr als 30.000 Menschen zurückgewiesen.
Vertrauliche Gespräche mit UnionNach dem Migrationstreffen mit Unionsfraktion und Ländervertretern in der vergangenen Woche habe die Regierung nun zudem ein „Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt“, hatte es zuvor aus Regierungskreisen geheißen. Dieses Modell gehe über die derzeit erfolgenden Zurückweisungen hinaus. Faeser habe das der Unionsfraktion mitgeteilt und vertrauliche Gespräche dazu angeboten.
Ein solches Gespräch mit der CDU/CSU-Fraktion und dem Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz könnte an diesem Dienstag stattfinden, hieß es. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder drängte unterdessen auf eine deutliche Reduzierung der Zuwanderung und forderte, quasi als Bedingung für eine parteiübergreifende Lösung, Zurückweisungen von Migranten auch an den deutschen Grenzen. „Wir müssen die Zuwanderung massiv reduzieren“, sagte der CSU-Vorsitzende am Montag bei der Jahrestagung des Deutschen Landkreistages.
Merz will schriftliche ZusageDer Vorsitzende CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, will erst nach schriftlichen Zusagen der Bundesregierung zu umfassenden Zurückweisungen von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen eine Entscheidung über weitere Gespräche treffen. „Wir wollen von der Bundesregierung eine verbindliche Erklärung haben, dass sie im umfassenden Sinne an den deutschen Grenzen zurückweist.“
„Das kann man per E-Mail machen, das kann man per Brief machen“, sagte der CDU-Chef am Montag vor der Sitzung der Fraktion. „Wir wollen eine verbindliche, belastbare Erklärung und wir wollen auch wissen, wie sie das macht.“ Bevor diese Erklärung nicht vorliege, werde man keine Entscheidung treffen, wie man weiter vorgehe werde.
„Wir hatten das Gefühl, dass es Teile (der ‚Ampel‘, Anm.) gibt, wie beispielsweise die FDP, die eine Bereitschaft dazu hat, und Teile der SPD“, sagte Merz zu den geforderten Grenzzurückweisungen. „Aber es ist beim letzten Mal offensichtlich an den Grünen gescheitert.“ Ob es der Innenministerin gelungen sei, die Grünen jetzt von den Zurückweisungen zu überzeugen, sei bisher offen.
Details zu Vorschlag offenZurückweisungen an deutschen Landgrenzen gibt es derzeit nur in bestimmten Fällen: wenn jemand mit einer Einreisesperre belegt ist oder kein Asyl beantragt. Zurückweisungen an den deutschen EU-Binnengrenzen sind grundsätzlich nur da möglich, wo es Kontrollen direkt an der Grenze gibt. Wie der neue Vorschlag der deutschen Regierung zu den Zurückweisungen genau aussieht, blieb zunächst offen.
Innenministerin Faeser bot der Union vertrauliche Gespräche im Hinblick auf die geplanten Grenzkontrollen anIn der Vergangenheit hatte es aus dem politischen Raum unterschiedliche Ideen gegeben, etwa dass diese auf alle Ausländerinnen und Ausländer ohne Ausweispapiere ausgedehnt werden sollten oder auf Asylwerberinnen und Asylwerber, die bereits in einem Land als Schutzsuchende registriert wurden.
Karner: Werden keine Personen übernehmenÖsterreich will keine von Deutschland zurückgewiesenen Migrantinnen und Migranten aufnehmen. „Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden“, sagte Karner am Montag der deutschen „Bild“-Zeitung. Da gebe es „keinen Spielraum“, das sei „geltendes Recht“. Er habe den Bundespolizeidirektor daher angewiesen, keine Übernahmen durchzuführen, so Karner.
Karner argumentiert, dass Deutschland zwar das Recht habe, Menschen zurückzuschicken, wenn ein anderes EU-Land für ihren Asylantrag zuständig ist. Dafür sei aber ein formelles Verfahren und die Zustimmung des betroffenen Mitgliedsstaates nötig. Zurückweisungen im Rahmen von Kontrollen an den EU-Binnengrenzen seien nicht erlaubt, sagte Karner drei Wochen vor der Nationalratswahl.
Wagenknecht fordert „radikale Maßnahme“Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht will die Asylzahlen nach eigenen Worten mit einer „sehr radikalen Maßnahme“ senken. Sie fordert eine Regel, „dass nur diejenigen in Deutschland noch ein Asylverfahren und auch Anspruch auf Leistungen haben, die nicht aus einem sicheren Drittstaat einreisen – und die Beweispflicht liegt beim Antragsteller“. Damit würde sich die Chance auf ein Verfahren auf eine „verschwindende Minderheit“ reduzieren, sagte Wagenknecht in Berlin.
Deutschland ist von Staaten der Europäischen Union umgeben, die automatisch als sichere Drittstaaten gelten. Nach jetziger Praxis dürfen Ankommende in Deutschland um Asyl bitten. Damit beginnt ein Prüfverfahren, das Monate oder Jahre dauern kann. Währenddessen werden die Menschen untergebracht und versorgt. Nach Wagenknechts Vorschlag dürfte wohl fast keiner der Einreisenden auf dem Landweg mehr Asyl beantragen.
Kursänderung in Asyl- und SicherheitspolitikDer Kursänderung in der deutschen Asylpolitik ging der Anschlag in Solingen vor rund zwei Wochen voran. Auf einem Stadtfest waren drei Menschen getötet und acht weitere teils schwer verletzt worden. Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, wurde dabei festgenommen. Die deutsche Bundesanwaltschaft geht von einer Tat mit islamistischem Hintergrund aus.
Kurz danach präsentierte die „Ampel“ neue Maßnahmen zum Schutz vor islamistischem Terror, gegen irreguläre Migration und zur Verschärfung des Waffenrechts. Es umfasst eine Ausweitung von Messerverboten, Leistungskürzungen für ausreisepflichtige Flüchtlinge, zusätzliche Ermittlungsbefugnisse für Behörden und mehr Präventionsprojekte gegen Islamismus.