Deutschland gegen Dänemark: Das Schleswig-Holstein-Derby

2 Tage vor
Deutschland Dänemark
EM-Kolumne 2024 Deutschland gegen Dänemark: Das reinste Schleswig-Holstein-Derby

Deutsch oder Dänisch? Die Schleswig-Holstein-Frage ist seit mehr als 100 Jahren gelöst. Aber beim Fußball taucht sie jetzt wieder auf. Kann man während des Spiels die Trikotfarbe wechseln?

Unsere EM-Kolumne „Ich liebe Fußball, aber...“ ist nur bierernst und messerscharf analytisch, wenn es sein muss. Wir freuen uns auf die Heim-EM und die Geschichten, die sie in den kommenden Wochen zu bieten hat.

Am Samstag spielt Deutschland gegen Dänemark. Und noch weiß noch nicht mal ich, für wen ich bin. Vor dem Achtelfinale der EM sprechen natürlich alle vom großen Triumph des kleinen Nachbarn bei der EM 1992. Überall wehten damals Danebrogs im nördlichen Schleswig-Holstein, auf Häusern, vor Schulen, Brunnen und auf Masten. Das war zu einer Zeit, als es noch eine feste Grenze gab, die das alte Schleswig durchzog.

Die dänische Minderheit machte sich damals sichtbar wie selten zuvor. Einen Südschleswiger über 40 Jahren zu finden, der sich nicht mit großen Anekdoten an diese wundersame Nacht des 26. Juni 1992 erinnert, dürfte nicht zu leicht sein. Hier jubelte wohl jeder, als der amtierende Weltmeister gegen eine vermeintliche „Urlauber-Truppe“ aus Dänemark historisch auf die Nase fiel. Damals wie heute stand ein Schmeichel im Dänen-Tor.

Andere Zeiten, neue Probleme mit der Trikotfarbe

Wenn man heute in der dänischen Minderheit gemeinsam Fußball schaut, wird man auch im pinken Deutschland-Trikot nicht argwöhnisch angeguckt. Man darf sich seine Gesinnung auswählen. Das musste man auch beim Grenz-Referendum von 1920. Da gab es ganz anders als bei der komplizierten Europawahl stumpfe Stimmzettel, auf denen entweder „Deutschland“ oder „Dänemark“ stand. Ein Kompromiss zwischen den Fahnen wurde einem nicht angeboten. Und auch beim Fußball will und kann man kaum indifferent sein, so ist das nun mal. Und es ist trotzdem kompliziert!

In der Gruppenphase hätte man sich als Schleswig-Holsteiner bei dieser Paarung noch ein Unentschieden wünschen können. Nun geht das nicht mehr. Wirklich leicht ist die Entscheidung hier nicht. Ich als Ur-Schleswig-Holsteiner mit angetrautem Dänemark-Einschlag bin noch völlig ahnungslos, wem mein Herz gehört und wessen Trikot ich trage.

Während des Spiels das Trikot wechseln?

Wer bedeutet mir mehr, wen mag ich mehr? Wem gönne ich es mehr? Ganz schwere Kiste, manchmal noch über den Anpfiff hinaus. Das gilt auch für meine Kinder, die zwar in der dänischen Kultur aufwachsen, was nie und nimmer heißt, dass sie pro Dänemark sind, wenn es gegen Deutschland geht.

Nach 15 Minuten weiß ich bei diesen „Schleswig-Holstein-Derbys“ meistens, für wen ich wirklich mitfiebere. Es könnte jedoch auch soweit kommen, dass ich bis zum Elfmeterschießen für Deutschland bin, dann aber im deutschen Trikot auf den dänischen Underdog umschwenke.

Es kann ein gewonnener Zweikampf sein, bei dem ich plötzlich ohne nachzudenken die Faust für den Sieger balle. Es kann auch schon bei der Hymne passieren, wenn bei den Deutschen mal wieder keiner den Takt hält und die Dänen so vor Liebe und Leidenschaft glühen. Es könnte aber auch so sein, dass ich mich einfach der allgemeinen Begeisterung beuge und nicht so viel nachdenke.

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