Bayrische Party, Dortmunder Tränen

27 Mai 2023
Deutsche Bundesliga

Welch ein packendes Saisonfinale!Der FC Bayern hat den Kampf um den deutschen Fußball-Meistertitel auf dramatische Art und Weise für sich entschieden. Die Münchner gewannen am Samstag beim 1. FC Köln durch ein spätes Tor von Jamal Musiala mit 2:1 und profitierten von einem Patzer von Borussia Dortmund. Der BVB erreichte daheim gegen Mainz nur ein 2:2 und muss damit aufgrund der schlechteren Tordifferenz weiter auf die neunte Meisterschaft, die erste seit 2012, warten.

Elfter Bayern-Titel en suite

Für die Bayern war es der 33. Titel, der elfte in Folge. Union Berlin löste durch ein 1:0 gegen Werder Bremen das Champions-League-Ticket, neben Hertha (2:1 in Wolfsburg) steigt auch Schalke nach einem 2:4 bei RB Leipzig ab. Stuttgart muss in die Relegation, das 1:1 gegen Hoffenheim war zu wenig. Gerettet ist Bochum durch ein 3:0 gegen Leverkusen. Gladbach besiegte Augsburg 2:0.

BVB stolpert im eigenen Stadion

Die Dortmunder produzierten vor Heimpublikum einen klassischen Selbstfaller. Nach zuletzt elf Heimsiegen in Folge wirkte die Aussicht auf den Meistertitel ganz offensichtlich lähmend. Die Mainzer hingegen spielten trotz zuvor vier Niederlagen en suite befreit auf. Das 1:0 für die Gäste köpfelte Andreas Hanche-Olsen nach einem Corner (15.), Onisiwo legte ebenfalls per Kopf nach (24.). Kurz davor war Sebastien Haller mit einem Elfmeter an Mainz-Goalie Gregor Kobel gescheitert (19.).

Auch in der zweiten Hälfte fanden die Dortmunder lange Zeit kein Rezept gegen Mainz und hatten in der 57. Minute großes Glück, als Onisiwo nur die Stange traf. Raphael Guerreiro ließ die Dortmunder noch einmal hoffen (69.), doch das 2:2 von Niklas Süle kam zu spät (96.).

Schwarz-Gelb im Tal der Tränen

Danach weinte Trainer Edin Terzic vor der Südtribüne. "Es gab kein Happy End für uns in dieser Saison. Es tut extrem weh." Der Coach, der von den Borussia-Anhängern mit Sprechchören gefeiert wurde, ergänzte: "Sportlich war es das Schwierigste und Bitterste, was man sich vorstellen kann."

In Dortmund wandelte sich Euphorie in tiefe Enttäuschung. Statt zur größten Partymeile wurde das Stadtzentrum zu einem Meer von Trauernden. Für den Pfingstsonntag war bereits eine große Fete mit Autokorso und Eintrag ins Goldene Buch geplant gewesen. Nun aber musste Terzic den Bayern gratulieren. "Es ist der ehrlichste Titel, den man gewinnen kann, wenn man nach 34 Spieltagen oben steht", sagte der Coach und blickte nach vorne. "Wir waren ein Tor davon entfernt, ab morgen sind wir wieder 34 Spieltage davon entfernt. Wir sind die letzten Wochen auf einem richtig guten Weg gewesen. Jetzt geht es darum, die nächsten 34 Spieltage zu nutzen, um es dann endlich zu schaffen."

Erinnerungen an „Vizekusen“

Erstmals seit 22 Jahren kam es in der deutschen Bundesliga in der letzten Runde noch zu einem Führungswechsel. Damals wurden die Bayern Meister, weil Leverkusen in Unterhaching verlor. Diesmal nahmen die Münchner die Schützenhilfe von Mainz dankend an und gewannen in Köln 2:1. Die Führung für die Gäste gelang Kingsley Coman in der achten Minute mit einem sehenswerten Schlenzer, doch danach lieferte der Rekordchampion wie so oft in dieser Spielzeit eine enttäuschende Darbietung ab und wurde dafür in der 81. Minute bestraft.

Serge Gnabry verursachte einen Hand-Elfmeter, ÖFB-Teamspieler Dejan Ljubicic schnappte sich den Ball, verwandelte vom Punkt - und machte Dortmund so für wenige Minuten zum virtuellen Meister. Dann aber warfen die Bayern noch einmal alles nach vorne, und Musiala glückte kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit mit einem Flachschuss ins lange Eck das entscheidende Tor zum Meistertitel.

Schlusspfiff für Kahn und Salihamidzic

Die Feierlichkeiten danach waren etwas überschattet von der Trennung von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic. Trainer Thomas Tuchel meinte dazu: "Die beiden waren maßgeblich verantwortlich, dass wir gemeinsam auf die Reise gegangen sind. Deswegen muss ich es jetzt auch erst verarbeiten. Statt zu feiern, haben wir jetzt das nächste Thema."

Dramatisch ging es auch im Kampf gegen den Abstieg zu. Schalke verkaufte sich in Leipzig teuer und holte einen 0:2-Rückstand auf - Konrad Laimer hatte die Sachen in der zehnten Minute in Führung gebracht -, am Ende aber stand ein 2:4 und dadurch der Gang in die 2. Liga. Stuttgart fiel durch das 1:1 gegen Hoffenheim auf den Relegationsplatz zurück, weil Bochum auch dank eines Treffers von Kevin Stöger (86.) gegen Leverkusen mit 3:0 gewann.

Die „Eisernen“ in der Königsklasse

Union Berlin durfte dank Rani Khediras Tor gegen Werder Bremen (81.) über Endrang vier und damit die erstmalige Champions-League-Teilnahme jubeln. Oliver Glasner holte in seinem letzten Heimspiel mit Eintracht Frankfurt nach 0:1-Rückstand noch einen 2:1-Erfolg gegen den SC Freiburg, der als Fünfter in der Europa League antritt.

Was sich jetzt beim Meister ändert

Der FC Bayern München zieht trotz des erneuten Gewinns des Meistertitels personelle Konsequenzen nach einer extrem unruhigen und sportlich nicht befriedigenden Saison. Vorstandschef Oliver Kahn (53) und Sportvorstand Hasan Salihamidzic (46) werden beim deutschen Fußball-Rekordmeister von ihren Aufgaben entbunden. Clubpräsident Herbert Hainer bestätigte am Samstagabend nach dem 2:1 der Münchner in Köln entsprechende Berichte von "Kicker" und "Bild".

"Es war uns unheimlich wichtig, das erst nach dem Spiel bekanntzugeben, weil wir immer gesagt haben, wir wollen uns zu 100 Prozent auf den Sport konzentrieren", sagte Hainer nach dem Sieg, der den Bayern die elfte Meisterschaft in Serie gesichert hatte. "Wie man sieht, hat das auch geklappt. Wir haben es jetzt der Mannschaft gesagt."

Machtwort des Aufsichtsrats

Getroffen hatte die Entscheidung bereits am Freitag der Aufsichtsrat um Ehrenpräsident Uli Hoeneß. Am Sonntag soll in einer Pressekonferenz (11.30 Uhr) über die Hintergründe informiert werden. Nachfolger von Kahn wird Jan-Christian Dreesen (55). Der Finanzvorstand sollte den Verein eigentlich im Herbst verlassen. Am Samstag überreichte er dem Team in seiner Funktion als DFL-Präsidiumsmitglied die Meisterschale.

Kahn fehlte im Kölner Stadion, eine Grippe wurde aus Vereinskreisen als Grund genannt. Am Abend twitterte er: "Ich bin unheimlich stolz auf euch und diese Leistung! Ich würde gerne mit euch mitfeiern, aber leider kann ich heute nicht bei euch sein, weil es mir vom Club untersagt wurde. Ich freue mich auf die nächste Saison. Da werden wir nicht nur zum 12. mal deutscher Meister werden! Lasst euch feiern!" Wenig später sagte Kahn der "Bild"-Zeitung, dass er auch auf der Meisterfeier nicht erwünscht sei.

In einer Pressemitteilung äußerte Aufsichtsratschef Hainer zu Kahn: "Die Entscheidung, sich von Oliver Kahn zu trennen, hat sich der Aufsichtsrat alles andere als leicht gemacht. Dennoch sind wir aufgrund der Gesamtentwicklung zu dem Entschluss gekommen, eine Neubesetzung an der Spitze des Vorstands vorzunehmen." Kahn werde "immer eine große Persönlichkeit des FC Bayern bleiben".

Im Gegensatz zum Ex-Goalie war Salihamidzic in Köln dabei und feierte danach mit den Spielern auf dem Rasen. "Ich akzeptiere das natürlich. Ich hätte gerne weitergemacht, weil ich mit dieser Mannschaft unbedingt nochmal die Champions League gewinnen wollte", sagte der frühere Verteidiger.

Für ihn sei es "emotional keine einfache Situation." Er wolle aber "der Freund des FC Bayern bleiben. Ich möchte einen schönen Abschied haben, weil das so gehört. Ich werde den FC Bayern im Herzen haben. Und ich hoffe, dass die Fans mich in guter Erinnerung behalten."

Der FC Bayern hat eine sehr unruhige Saison hinter sich, in der mit dem teuersten Kader sportliche Erfolge ausblieben. Zeitpunkt, Abwicklung und Kommunikation des vor zwei Monaten vollzogenen Trainerwechsels von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel sorgten intern und extern für Debatten. Kahn und Salihamidzic gaben kein gutes Bild ab. Tuchel hatte erst am Freitag angemahnt, dass das Vereinsgelände an der Säbener Straße in München wieder zu einem "Ruhepol" für die Mannschaft werden müsse.

Der ehemalige DFB-Nationaltorhüter und Bayern-Kapitän Kahn war Anfang 2020 zum FC Bayern zurückgekehrt. Er wurde Vorstandsmitglied mit einem Fünfjahresvertrag. Vor zwei Jahren löste er den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge ab. Salihamidzic war auch ein erfolgreicher Bayern-Profi. 2017 wurde er überraschend Sportdirektor, drei Jahre später wurde er zum Sportvorstand befördert.

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