Es ist kein so schöner Samstagnachmittag gewesen für Frederik Mittelstädt. Nach dem Schlusspfiff schnappte sich der Torhüter von Delay Sports seine Trinkflasche und stapfte Richtung Mittelkreis. Dort empfing ihn Trainer Kevin Pannewitz und haute ihm zur Aufmunterung auf die Brust. Zwölf Tore in einem Spiel hatte Mittelstädt lange nicht bekommen. In den vergangenen drei Jahren verlor Delay Sports überhaupt kaum. „Mit zwölf waren wir ja heute eigentlich gut bedient, es hätten ja auch 20 werden können“, sagte Pannewitz, während sich die Spieler des BFC Dynamo aufmachten, um mit ihren Fans auf der rappelvollen Gegentribüne des Sportforums den 12:0 (5:0)-Sieg sowie den Einzug ins Viertelfinale des Berliner Pokals zu feiern.
Beim BFC Dynamo hatten sie damit gerechnet, dass der Andrang groß werden würde. Aber so groß? Noch 15 Minuten vor dem eigentlichen Beginn der Partie gegen den Neuntligisten Delay Sports schoben sich Autos und Fußballfans durch die Straßen in Hohenschönhausen. Es dauerte, bis sich alle in dem Stadion einsortiert hatten, das der BFC gern drittligatauglich saniert haben möchte. Die Ertüchtigung des Sportforums steht im Berliner Koalitionsvertrag. Weil sich aber schon eine Weile nichts mehr tut, hielten die BFC-Fans ein Banner in die Höhe auf dem stand: „Koalitionsvertrag für'n Arsch.“ In der Kurve hinter dem Tor hing ein weiteres Banner mit der Aufschrift: „Stadionausbau jetzt.“
Auch ohne Fernsehübertragung und ohne Livestream, den Delay Sports, der erst vor drei Jahren gegründete Klub der Livestreamer Elias Nerlich und Sidney Friede gerne angeboten hätte, wurde die Botschaft gesehen – zumindest von den 4500 Zuschauern im ausverkauften Sportforum.
Erst mal begann die Partie mit 20 Minuten Verspätung. Kurz darauf schoss Karim El Abed nach einem Eckball per Kopf das 1:0. Delay-Keeper Frederik Mittelstädt holte den Ball zum ersten Mal aus dem eigenen Netz. Sein Bruder, Nationalspieler Maximilian Mittelstädt, hatte unlängst die Geschichte erzählt, dass er nach seinem Wechsel von Hertha BSC zum VfB Stuttgart von seinem Wohnungsmakler zu hören bekommen habe, ah, es sei ja toll, dass er beim VfB in der Bundesliga spiele. Aber als Maxi Mittelstädt dann erwähnte, dass sein Bruder Freddy bei Delay Sports im Tor steht, habe der Makler, ein jüngerer Kerl, überaus euphorisch reagiert: „Wow, echt jetzt. Bei Delay Sports? Mega cool.“
Mega cool fanden sie beim BFC Dynamo die Zahl der Social-Media-Zugriffe, die ihnen das Pokal-Los beschert hatte. Und dass sich die Offensivspieler, die zuletzt in der Liga nicht unbedingt mit Durchschlagskraft überzeugten, im Torschießen überbieten konnten. Nach El Abed trafen Kevin Lankford mal nach Pass von McMoordy Hüther und mal per Foulelfmeter, Hüther insgesamt dreimal, der nach der Pause eingewechselte Rufat Dadashov zweimal, Henry Crosthwaite, Ivan Knezevic, John Liebelt und Benedikt Wüstenhagen je einmal.
Video vom Spiel des BFC Dynamo als Anschauungsunterricht„Es war heute ein großartiger Fußballnachmittag, auch vom Ergebnis großartig. Die Jungs haben das erwachsen zu Ende gespielt“, lobte BFC-Trainer Dennis Kutrieb. Andreas Schild, der zusammen mit Pannewitz die Männer von Delay Sports zweimal die Woche trainiert, sagte in Richtung Kutrieb: „Für uns als kleiner Kreisliga-A-Verein ist es schon toll, vor 4500 Zuschauern zu spielen. Die erste Halbzeit fand ich gut, man konnte den Unterschied zwischen Regionalliga und Kreisliga sehen. Leider ist es nicht so gewesen, wie wir es erhofft hatten: dass bei euch der Schlendrian einzieht.“ Ziel von Delay Sport, das von der Kreisliga C in Kreisliga A durchmarschiert war, sei nun ein weiterer Aufstieg.
Pannewitz ergänzte: „Heute haben wir mal gesehen, wie man richtig Fußball spielt. Es hat mir sehr gut gefallen, wie sauber Dynamo gespielt hat.“ Das Video des Pokalspiels werde er seinem Team zu Anschauungszwecken sicherlich noch mal vorführen. Einzig Freddy Mittelstädt wird sich darauf nicht viel von BFC-Keeper Leon Bätge abschauen können. Der wurde am Samstag kaum geprüft.
