Keine Angst vor den Lukes
Mo 16.12.24 | 14:47 Uhr | Von Antonia Hennigs
Die Darts-WM in London hat begonnen - erstmals mit sechs Deutschen unter den 96 Teilnehmenden. Mit Martin Schindler und Ricardo Pietreczko sind auch Berlin und Brandenburg vertreten. Aber wie steht es um ihre Chancen? Von Antonia Hennigs
London im Dezember: Britische Weihnachtsästhetik, Beleuchtung so weit das Auge reicht, trifft auf verkleidete Fans im Alexandra Palace - genannt Ally Pally -, deren Fokus auf pfeilewerfenden Personen auf einer großen, grünen Bühne liegt.
Seit Sonntagabend läuft die 32. Darts-WM. Den Auftakt machte unter anderem Titelverteidiger Luke Humphries, für den der Franzose Thibaut Tricole keine große Hürde darstellte. Ein Blick auf die zwei Top-Favoriten dieser Weltmeisterschaft lässt die Vermutung aufkommen, eine der besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Darts-Karriere ist der Vorname Luke.
Neben Humphries gilt der 17 Jahre alte Luke Littler als einer der größten Anwärter auf den WM-Sieg, um den es im Finale am 3. Januar gehen wird. Beide haben in diesem Jahr vier Major-Titel geholt. Zum Finalduell aus dem Vorjahr zwischen Humphries und Littler kann es dieses Mal allerdings nicht kommen. Sollten die beiden Engländer ohne Ausrutscher bleiben, treffen sie bereits im Halbfinale aufeinander. Die gleiche Turnierhälfte macht es möglich.
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Schindler zufrieden mit der AuslosungUnter den 96 Teilnehmern sind erstmals sechs Deutsche. Ein neuer Rekord. Martin Schindler und Gabriel Clemens werden die größten Chancen eingeräumt. Zu einem Duell der beiden befreundeten Darts-Spieler könnte es im Achtelfinale kommen. Florian Hempel und Ricardo Pietreczko sind immer für Überraschungen gut, mit Kai Gotthardt und Niko Springer sind außerdem zwei deutsche Debütanten dabei.
Als aktuell bester deutscher Darts-Spieler gilt Schindler. Der gebürtige Strausberger (Märkisch-Oderland) ist an Position 22 gesetzt und startet erst in der zweiten Runde ins Turnier. Sein erstes Match bei seiner fünften WM-Teilnahme bestreitet Schindler am 22. Dezember gegen den Engländer Callan Rydz oder den Kroaten Romeo Grbavac. Gegen beide potenziellen Gegner kann der 28-Jährige auf eine positive Bilanz blicken. Schindler sagt: "Die Auslosung hätte definitiv schlimmer ausfallen können." Das liege einerseits an der Qualität der möglichen Gegner, andererseits auch daran, dass er nicht früh auf einen seiner Mitstreiter aus Deutschland treffen kann. Schindler, der mittlerweile im hessischen Rodgau lebt, möchte erstmals "in die Runde der letzten 16 einziehen".
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Weihnachten mit der Familie in LondonSchindler kennt die besonderen Abläufe der Weltmeisterschaft zum Jahresende. Die Stadt und die Aufregung, die rund um das Turnier herrscht, bringen ihn nicht mehr aus der Ruhe. Er reist als zweifacher "European Tour"-Champion an. Mit Selbstvertrauen. Und das, obwohl das Jahr 2024 ein zweischneidiges Schwert war. "Es war spielerisch nicht das beste Jahr, aber ergebnistechnisch war es hervorragend", resümiert der Spieler mit dem Spitznamen "The Wall". Auch Misserfolge bei den Majors gehörten dazu, aber die haben ihn nur "hungriger" gemacht, wie Schindler sagt. Er habe das Gefühl, dass er weit kommen kann: "Ich habe das spielerische Know-how, um sie alle zu schlagen." Ein Ausscheiden in Runde 2 oder 3 wäre enttäuschend.
Und was unterscheidet die diesjährige WM von den vergangenen? Schindlers Frau und Tochter werden über Weihnachten nach London kommen, damit die Familie gemeinsam feiern kann. "Ich möchte nicht, dass sich mein Kind daran gewöhnt, dass der Papa an Weihnachten nicht da ist", betont er. Wenn seine Tochter ihn auch in Zukunft im Fernsehen sieht, solle sie sagen können: "Papa ist der Größte."
Auch dabei ist Ricardo Pietreczko. Ein rasanter Aufstieg in den letzten zwei Jahren verschaffte ihm Aufmerksamkeit. Der 30-Jährige, der in Berlin geboren wurde, aber mittlerweile in Hannover lebt, erspielte sich 2022 eine Spielberechtigung für die Profi-Tour. Von da an dauerte es keine 24 Monate, bis er unter den Top-32 der Welt zu finden war. Im vergangenen Jahr debütierte er bei der Weltmeisterschaft. Unvergessen bleibt sein Match gegen den späteren Weltmeister Luke Humphries in Runde drei, in dem Pietreczko Humphries am Rande einer Niederlage hatte – letztendlich aber doch verlor. Einen Karrieresprung hat ihm das Duell trotzdem verschafft.
Ricardo Pietreczko beim German Dart Grand Prix in München Pietreczko strahlt Coolness ausSein Fazit der bisherigen Saison: "Bühne hui, Floor pfui", lacht Pietreczko. Er spielt gerne und gut vor Publikum. Nun wartet die größte Dart-Bühne auf ihn. Dass er die im letzten Jahr bereits kennengelernt hat, gebe ihm mehr Ruhe. Sein erster Gegner am Dienstag ist Xiaochen Zhong aus China. Pietreczko bleibt cool: "Unterschätzen sollte man niemanden bei der WM. Aber normalerweise sollte das weniger ein Problem sein." In Runde zwei wird das schon ganz anders aussehen. Sollte Pietreczko die erreichen, wartet dort Gian van Veen. Der 22 Jahre alte Niederländer muss als Nummer 28 der Welt erst in Runde zwei antreten und würde als Favorit in das Duell gehen.
Die individuelle Vorbereitung auf seine Gegner hält sich bei Pietreczko in Grenzen, erzählt er. Überhaupt scheint der 30-Jährige die Ruhe selbst zu sein. Auf die Frage, wie ein Tag während seiner Vorbereitung auf die WM aussehen würde, lautet seine Antwort: "Wenn ich Lust habe, werde ich mich nochmal ans Board stellen. Wenn nicht, spiele ich weiter Playstation und Adventskalender müssen auch noch geöffnet werden."
In Berlin sei Pietreczko nur noch selten, aber demnächst wolle er mal wieder den "Dart Palast" in Reinickendorf besuchen. Dort habe er sein erstes größeres Turnier gespielt, erzählt er. Ob er damals hätte ahnen können, dass er im Dezember 2024 bei der Darts-WM im Viertel- und Halbfinale potentiell auf Wunderkind Luke Littler und Dominator Luke Humphries treffen könnte? Träumen soll ja bekanntlich erlaubt sein und "Pikachu", wie Pietreczkos Spitzname lautet, fahre immer zu einem Turnier, "um es zu gewinnen".
Nötig dafür wären maximal sieben Siege, für Martin Schindler und weitere gesetzte Spieler "nur" sechs. Dem Weltmeister wird die Sid Waddell Trophy übergeben und im Alexandra Palace kehrt schließlich nach 16 Spieltagen wieder Ruhe ein. Mit einem Luke oder einem anderem Pfeilewerfer auf dem Darts-Thron.
Sendung: Der Tag, 16.12.2024, 18:00 Uhr