NACHRUF: Objektkünstler Daniel Spoerri gestorben

4 Stunden vor
Daniel Spoerri

NACHRUF

Der Schweizer Objektkünstler Daniel Spoerri ist tot. Er verstarb am Mittwoch im Alter von 94 Jahren in einem Spital in Wien. Bekannt wurde er vor allem auch durch seine „Fallenbilder“. In Hadersdorf am Kamp (Bezirk Krems) eröffnete er 2009 das Ausstellungshaus Spoerri.

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Er war Mitbegründer des Nouveau Realisme, Erfinder der Eat-Art und ein außergewöhnlicher, vielseitiger Künstler. Die Suche nach einem passenden Lager für seine vielen Werke und letztlich der Zufall führten den Schweizer nach Hadersdorf am Kamp. 2009 brachte Spoerri dort zwei Liegenschaften in eine gemeinnützige Stiftung ein.

„Ich finde ihn ganz wunderbar, den Ort, auch optisch. Übrigens, auch hier ist die Donau, sie fließt sieben Kilometer von hier. Das alles ist für mich wichtig zu wissen im Kopf. Insofern ist es mir hier wohl, aber ich bin nicht zu Hause. Zu Hause bin ich nirgends. Meine Heimatlosigkeit ist mein Kapital – das ist es, was mich vorwärts treibt“, sagte der Künstler einst in einem Interview.

Spoerri über Eat-Art: „Da hatte ich ein Glücksgefühl“

Eat-Art wurde durch Spoerri zu einem Begriff in der zeitgenössischen Kunst – die Bedeutung von Nahrung für die menschliche Existenz und sinnlichen Aspekte des Kochens und Essens bestimmten immer wieder seine Werke.

„In meinem Fall ging es darum, der Realität ein Territorium zu finden. Ich hatte ja keines, ich war weder Rumäne noch Jude noch orthodox noch protestantisch – ich war nicht Schweizer, ich war nicht Rumäne. Und wenn das an der Wand ist, dann sehen wir es als Landkarte, und das wurde dann mein Territorium, da hatte ich ein Glücksgefühl.“

Ein anderes Territorium war Spoerris bekannter Skulpturengarten Il Giardino in der Toskana. Dort sind nicht nur seine Werke zu sehen, sondern vor allem auch die seiner Freunde. „Ich hatte mein Leben und meine Freundschaften“, sagte Spoerri einst, „das waren Sammler und Künstler, und die zeige ich jetzt.“

Fotostrecke mit 10 Bildern Geboren in Rumänien, aufgewachsen in der Schweiz

Spoerri wurde am 27. März 1930 im rumänischen Galati geboren, hatte eine traumatische Kindheit als Sohn eines jüdischen Vaters in dem Land und wuchs nach der Flucht 1942 in der Schweiz auf. In Zürich und in Paris ließ sich Spoerri zum Balletttänzer und Pantomimen ausbilden, es folgten einige Jahre als Solist am Stadttheater Bern. Auf den Tanz folgte die Literatur, genauer die visuelle Poesie und verlegerisches Engagement, etwa mit der Gründung der Edition MAT (Multiplication d’art transformable) in den 1950er Jahren in Paris.

Er unterzeichnete das Manifest des Nouveau Realisme und stellte erste Fallenbilder aus. Zudem war er später auch als Lehrer und Museumsgründer tätig. In der Toskana schuf er seinen eigenen Skulpturengarten, „Il Giardino di Daniel Spoerri“. Spoerri gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Objektkunst, Mitbegründer der Künstlergruppierung Nouveau Realisme und als Erfinder der Eat-Art.

Wiener Kunstforum widmete ihm Retrospektive

Im Jahr 2021 widmete noch das Wiener Bank Austria Kunstforum dem Künstler eine große Retrospektive zu seinem reichen Schaffen seit der 20er-Haus-Ausstellung 1990, mit über 100 Schlüsselwerken Spoerris aus 43 öffentlichen und privaten internationalen Sammlungen. Die Vorbesichtigung nahm der Geehrte damals noch höchstpersönlich vor.

Seinen Wechsel in die österreichische Bundeshauptstadt kommentierte er laut sda einmal mit den Worten: „Ich wollte eigentlich nach Triest, es ist wunderschön, aber ich habe festgestellt, dass ich dort verloren wäre.“

„Ich bin kein Spezialist im Sinne von irgendetwas. Ich mache nur, was ich meine, machen zu müssen von Tag zu Tag“, sagte Spoerri 2019 im APA-Interview anlässlich der Präsentation eines Porträtfilms der Wiener Filmemacherin Anja Salomonowitz. „Dieser Film ist ein Geschenk“, heißt er. Nun ist er auch ein Vermächtnis.

„Kunst- und Kulturszene geprägt wie kaum ein anderer“

Mit seinem Ausstellungshaus Spoerri in Hadersdorf habe er einen Kristallisationspunkt im Waldviertel geschaffen, würdigte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) den „großen Ausnahmekünstler“. Er habe als Meister der Bildenden Kunst und Begründer der Eat-Art wahrlich Kunstgeschichte geschrieben. Zudem habe er die niederösterreichische Kunst- und Kulturszene in seinen letzten 16 Lebensjahren geprägt wie kaum ein anderer, so Mikl-Leitner.

Im Jahr 2010 errichtete Spoerri die Stiftung, in der auch dem Land eine bedeutsame Rolle zuteilwurde: Neben der Schenkung von 39 Kunstwerken im damals geschätzten Wert von knapp 3,5 Millionen Euro wurde das Land Niederösterreich einziger Letztbegünstigter, der das Vermögen mit der Auflage, es für begünstigte kulturelle, wissenschaftliche, Forschungs- und/oder Bildungszwecke zu verwenden, erhalten soll.

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