Großbritannien vs. Mauritius: Späte Einigung in Streit um Chagos ...

4 Stunden vor
Chagos-Archipel

Großbritannien vs. Mauritius

Großbritannien hat am Donnerstag angekündigt, dass es nach mehr als einem halben Jahrhundert die Souveränität über eine abgelegene, aber strategisch wichtige Inselgruppe im Indischen Ozean aufgeben wird. Der immer wieder als Großbritanniens „letzte afrikanische Kolonie“ bezeichnete Chagos-Archipel soll nun an Mauritius übergeben werden. Es wäre das Ende eines seit Jahren ausgefochtenen Streits. Mit dem Diego-Garcia-Atoll umfasst die nun bekanntgegebene Einigung aber eine gewichtige Ausnahme.

Online seit gestern, 14.58 Uhr

Insgesamt zählt der derzeit noch zu den britischen Überseegebieten zählende Archipel um die 60 Inseln und Atolle. Obwohl der Internationale Gerichtshof (IGH) bereits 2019 die Besatzung und Absiedlung der Bevölkerung für rechswidrig erklärte und als ein Relikt des Kolonialismus bezeichnete und 2021 der Internationale Seegerichtshof die Souveränität von Mauritius bestätigte, hielt London bis jetzt am Status quo fest.

Die Wende kam nach der jüngsten Verhandlungsrunde, die 2022 begonnen hatte – und nach zunehmendem internationalem Druck. Als Schlüsselfaktor der nun von der britischen Regierung bekanntgegebenen Übergabe der Souveränität an Mauritius gilt die Sonderlösung für Diego Garcia und den US-britischen Militärstützpunkt dort.

Diese habe es „ermöglicht, das Abkommen in einer Zeit wachsender geopolitischer Rivalitäten in der Region zwischen westlichen Ländern, Indien und China zu verwirklichen“. Konkret soll Diego Garcia noch mindestens 99 Jahre unter britischer Kontrolle bleiben.

IGH: Unrechtmäßig von Mauritius abgetrennt

Die Einigung wurde am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung des britischen und des mauritischen Premierministers bekanntgemacht. Mit der Einigung können nun auch die einst vertriebenen Einwohnerinnen und Einwohner der Inselgruppe bzw. deren Nachfahren auf eine Rückkehr hoffen.

Der „Guardian“ erinnerte an die Vertreibung der auf dem Archipel lebenden Einwohnerinnen und Einwohner in den 1960er und 1970er Jahren. Die Zeitung schrieb von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Schließlich habe Großbritannien die Inselgruppe als British Indian Ocean Territory (Britisches Territorium im Indischen Ozean, BIOT) auch nach der Unabhängigkeit von Mauritius im Jahr 1968 behalten.

Biden begrüßt Einigung

US-Präsident Joe Biden begrüßte die Einigung. Sie sei ein Beweis dafür, dass Diplomatie und Partnerschaft langjährige historische Herausforderungen überwinden könnten, sagte Biden einer Mitteilung des Weißen Hauses zufolge. Die gemeinsam mit Großbritannien betriebene Militärbasis spiele „eine entscheidende Rolle in der nationalen, regionalen und globalen Sicherheit“.

Der Chagos-Archipel liegt rund 9.500 Kilometer von London entfernt. Er wurde 1965 von Mauritius abgespalten, drei Jahre vor der Unabhängigkeit des Inselstaates. Der IGH in Den Haag und auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen unterstützten den jahrzehntealten Anspruch von Mauritius auf die Inseln.

Noch 13 Überseegebiete

Konservative Politiker kritisierten die Vereinbarung als Ausverkauf strategischer britischer Interessen. „Das ist eine gefährliche Kapitulation, die unser Territorium einem Verbündeten Pekings überlassen wird“, schrieb Ex-Regierungsmitglied Robert Jenrick, der sich um die Führung der Konservativen Partei bewirbt. Mauritius gilt als enger Partner Chinas in der Region.

Der historische Schritt beendet die Existenz des „Britischen Territoriums im Indischen Ozean“, des letzten Überbleibsels der britischen Kolonialzeit in Afrika. Weltweit hat Großbritannien nun noch 13 Überseegebiete, vor allem im Atlantik und in der Karibik. Auch um andere Territorien gibt es Streit, etwa mit Spanien um Gibraltar und mit Argentinien um die Falklandinseln.

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