Thomas Ostermeier macht es den Berlinern, insbesondere den Berliner Theaterkritikern immer schwerer, sich unbeeindruckt von den Erfolgen des Theaterintendanten zu zeigen und weiterhin Sparsamkeit walten zu lassen in Sachen Wertschätzung.
Ostermeier, der Jungspund von der DT-Baracke, der mit seiner Clique vor einem Vierteljahrhundert die Schaubühne übernommen hat. Der so wenig produziert wie kein anderer Theaterleiter in der Stadt, weil das Repertoire verlässlich Publikum zieht. Der international arbeitet, zwischenzeitlich das Theaterfestival Avignon im Nebenjob leitete, die Hierarchie des französischen Kulturordens bis zum Chevalier Sauveur de l’Occident et du théâtre oder wie das heißt hinaufstolperte. Der sich zu Hause Traumbedingungen geschaffen hat, sich lange Probenzeiten und die Arbeit mit Schauspielgrößen wie Nina Hoss, Ursina Lardi oder Joachim Meyerhoff ermöglicht hat. Und der bei alldem den gegenwarts- und sozialkritischen Anspruch des Aufbruchs zur Jahrtausendwende zumindest in Interviews immer wieder beglaubigt. Toll, die Welt beneidet uns um Thomas Ostermeier.
Und was sagt Berlin? Es gähnt. Wo sind die Skandale, die Misserfolge, die Ausrutscher, die Irrtümer? Es gibt keine Krisen, keine Flauten, nicht einmal einen kleinen Wasserschaden wie an Oliver Reeses Musterhaus am Schiffbauerdamm!
Dass Ostermeier nun einmal mehr in London inszeniert, lässt Berlin erst einmal kalt. Er werde sich, wie die BBC meldet, in die Tiefenschichten der „Möwe“ begeben und Feinheiten herausarbeiten, von denen Anton Tschechow keine Ahnung hatte. Ja und? Seine Berliner Fassung läuft seit anderthalb Jahren, das juckt hier niemanden. Und dann lesen wir weiter: Die routinierte, extrovertierte, nicht mehr ganz junge Schauspielerin Irina Arkadina, die sich, zermahlen von Selbstliebe und Selbsthass, über die Theaterneuerfindungsversuche ihres Sohnes in der Provinz lustig macht, bis dieser sich eine Kugel in den Kopf jagt, von wem wird diese herrlichste aller Tschechow-Rollen gespielt? Von Cate Blanchett.
Okay. Da kann man nicht meckern.
