Rumänien: Rechtspopulist überrascht bei Wahl
Rumänien
Der Rechtspopulist Calin Georgescu hat die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien am Sonntag überraschend gewonnen. Um den Einzug in die Stichwahl herrschte ein Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem sich die konservative Politikerin Elena Lasconi gegen den sozialdemokratischen Premier Marcel Ciolacu durchsetzen dürfte. Der extrem nationalistische und religiöse Georgescu hatte seinen Wahlkampf fast ausschließlich in sozialen Netzwerken geführt.
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Nach Auszählung fast aller Stimmen lag Ciolacu Montagfrüh ganz knapp hinter Oppositionsführerin Lasconi. Exit-Polls hatten Ciolacu am Sonntagabend noch klar vorne gesehen. Während Georgescu mit 22,95 Prozent klar den Sieg davontrug, kam Lasconi auf 19,17 Prozent oder 0,02 Prozentpunkte mehr als Ciolacu. Der Abstand betrug nur 2.000 Stimmen, wie rumänische Medien berichteten.
Eine offizielle Mitteilung der rumänischen Wahlkommission zum Ausgang war noch ausständig. In einer Mitteilung um 9.00 Uhr Ortszeit (8.00 Uhr MEZ) war Ciolacu noch klar auf dem zweiten Platz gelegen. Lasconi konnte in der weiteren Auszählung bei den Auslandsrumäninnen und -rumänen punkten. Ciolacu gestand Montagnachmittag seine Niederlage ein. Er habe bereits den Rücktritt als Parteichef eingereicht. Er werde bis nach der für kommenden Sonntag geplanten Parlamentswahl als Premier im Amt bleiben.
Georgescu bei Rumänen in Österreich vornAuf Platz vier landete George Simion, Vorsitzender der rechtspopulistischen Parlamentspartei AUR. Georgescus Sieg kam unerwartet. Umfragen hatten ihm weniger als zehn Prozent der Stimmen vorhergesagt. Insgesamt 13 Kandidatinnen und Kandidaten bewarben sich um die Nachfolge des deutschstämmigen Präsidenten Klaus Iohannis, der seit 2014 Staatschef ist.
In Rumänien gehen der Rechtspopulist Calin Georgescu und die konservative Oppositionsführerin Elena Lasconi aller Voraussicht nach in die Stichwahl. Der sozialdemokratische Ministerpräsident und Favorit Marcel Ciolacu fiel nach Auszählung von 99,9 Prozent der Stimmen überraschend auf den dritten Platz zurück.
Im Ausland waren 950 Wahllokale eingerichtet worden, darunter 17 in Österreich. Platz eins in dieser Wählergruppe ging an Georgescu. Unter den hier lebenden Wahlberechtigten entfielen über 49 Prozent der Stimmen auf ihn.
Kampagne für Ende der Ukraine-HilfeDer parteilose Georgescu hatte seinen Wahlkampf fast ausschließlich über soziale Netzwerke und Podcasts geführt. In den vergangenen Tagen machte er mit einer TikTok-Kampagne von sich reden, in der er ein Ende der Hilfe für die Ukraine forderte. Außerdem äußerte er sich skeptisch über die NATO-Mitgliedschaft Rumäniens. „Heute Abend hat das rumänische Volk nach Frieden geschrien. Und es hat sehr laut geschrien, sehr laut“, sagte Georgescu am Sonntag in einem Video auf Facebook.
Oppositionsführerin Lasconi dürfte in die Stichwahl um das Präsidentenamt kommenIn einem Interview aus dem Jahr 2021 hatte der 62-Jährige den ballistischen Raketenschutzschild der NATO in der rumänischen Stadt Deveselu als „Schande der Diplomatie“ und konfrontative Maßnahme gegen Russland bezeichnet. Ähnlich äußert sich auch Russlands Präsident Wladimir Putin. Unterstützung aus Russland erhalte er nicht, sagte Georgescu damals. Putin sei aber ein „Mann, der sein Land liebt“. Aus dem Kreml hieß es am Montag, man wisse nicht viel über Georgescu und dessen Sicht auf die Welt.
In Rumänien hat der Präsident eine eingeschränkte Exekutivfunktion, die aber die Kontrolle über die Verteidigungsausgaben einschließt. Das Land hat eine 650 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine, die rumänische Schwarzmeer-Küste reicht bis 150 Kilometer an die ukrainische Großstadt Odessa heran. 5.000 NATO-Soldatinnen und -Soldaten sind in Rumänien stationiert, das Land spielt eine herausragende Rolle für den Export von ukrainischem Getreide.
Hohe Inflation„Die extreme Rechte ist bei Weitem der große Gewinner dieser Wahl“, sagte Politikwissenschaftler Cristian Pirvulescu der Nachrichtenagentur AFP. Als einen der maßgeblichen Gründe sehen Beobachterinnen und Beobachter die angespannte Wirtschaftslage. 2023 betrug die Inflation fast zehn Prozent. Heuer schwächte sich die Teuerung ab, liegt aber immer noch bei 5,5 Prozent. Die Lebenserhaltungskosten sind deutlich gestiegen. Das Land hat den höchsten Anteil armutsgefährdeter Menschen in der Europäischen Union.
Premier Marcel Ciolacu: Der Sozialdemokrat erlitt bei der Wahl eine Niederlage„Die 35 Jahre andauernde wirtschaftliche Unsicherheit, die dem rumänischen Volk auferlegt wurde, ist heute zur Unsicherheit für die politischen Parteien geworden“, sagte Georgescu in seiner Facebook-Ansprache. Im Wahlkampf hatte er sich dafür ausgesprochen, mehr landwirtschaftliche Güter und Energie im Land zu produzieren und die Importe zu verringern.
Verfahren wegen Bewunderung für FaschistenGeorgescu, ein studierter Agrarwissenschaftler und langjähriger Mitarbeiter in einigen UNO-Organisationen, stand 2022 kurz im Rampenlicht, als die rechtspopulistische AUR ihm das Amt eines Ehrenvorsitzenden der Partei anbot. Doch zerstritt sich AUR-Chef Simion wenig später mit dem 62-Jährigen, nachdem sich Georgescus Parolen selbst für AUR-Rechtspopulisten als zu radikal erwiesen.
So hatte Georgescu mit Lobliedern auf die Hauptverantwortlichen des Holocaust in Rumänien, Marschall Ion Antonescu und der Führer der faschistischen Eisernen Garde, Corneliu Zelea-Codreanu, für einen Eklat gesorgt. Die Generalstaatsanwaltschaft leitete anschließend strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn ein.
Georgescu setzt auf eine mystisch-religiöse Rhetorik, wobei er sich selbst nicht als „Kandidaten“, sondern als einen „Berufenen“ bezeichnet. In der Vergangenheit hatte er seine Bewunderung für Ungarns rechtsnationalen Premier Viktor Orban ausgedrückt.
Unterstützung von anderem RechtspopulistenTrotz aller Differenten in der Vergangenheit rief der rechtspopulistische AUR-Chef Simion seine Anhängerinnen und Anhänger bereits zur Unterstützung von Georgescu in der Stichwahl auf. Ob die Sozialdemokraten für 8. Dezember zur Stimmabgabe für die Konservative Lasconi aufrufen werden, steht noch nicht fest.
Bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 hatte es eine ähnliche Situation gegeben: Damals standen einander in der Stichwahl der Sozialdemokrat Ion Iliescu und der extremistische Politiker Corneliu Vadim Tudor gegenüber. Die demokratischen Parteien taten sich zusammen und verhinderten Tudors Wahl.