Schauspielerin und Ikone: Brigitte Bardot wird neunzig
Vor sechzig Jahren wusste jeder, worum es ging, wenn von BB die Rede war. Heute muss man es erklären. Aber die Frau, deren Name sich hinter dem Kürzel verbarg, ist immer noch da. Brigitte Bardot hat ihren Ruhm überlebt, anders als Marilyn Monroe, das zweite große Sexsymbol des Nachkriegskinos, und sich noch einmal neu erfunden: als Gründerin einer einflussreichen Tierschutzstiftung, als Aktivistin gegen Pelzhandel und Tierversuche und als Propagandistin antimuslimischer und nationalistischer Parteipolitik. Sie ist ein Ärgernis und eine Legende.
Sie war es schon damals, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, als ihr Bild auf den Kinoplakaten und den Titelseiten der Hochglanzmagazine prangte. In jener Zeit schrieb Simone de Beauvoir einen Essay, der auf Deutsch in der F.A.Z. erschien: „Brigitte Bardot – ein Symptom“. Darin erklärte sie die Schauspielerin zum Inbegriff eines neuen, mit der klassischen Rollenverteilung der Geschlechter brechenden Frauentyps: „B. B. behext nicht, sie handelt. Ihre Kleidungsstücke sind keine Fetische, und wenn sie sich auszieht, so enthüllt sie kein Geheimnis, sondern sie zeigt ganz einfach ihren Körper. Ihre Erotik ist nicht magisch, sondern aggressiv, im Liebesspiel ist sie gleichzeitig Jäger und Beute, und der Mann ist für sie ebenso Objekt wie sie für ihn. Und eben das verletzt den männlichen Stolz.“
Die Femme fatale wurde durch sie zum Auslaufmodell
Das war im September 1959, und Brigitte Bardot hatte ihre besten Filme noch vor sich: Louis Malles „Privatleben“, die Geschichte eines Filmstars, der von den Fotografen zu Tode gehetzt wird; Jean-Luc Godards „Die Verachtung“, das Epos der Machtverhältnisse im Kinobetrieb; und Malles „Viva Maria!“, die Nummernrevue einer mittelamerikanischen Revolution, die ebenso im Bett und auf der Bühne wie auf den Straßen stattfindet. Aber das Entscheidende war in Beauvoirs Text gesagt: Der Typus der Femme fatale, des verruchten, verletzten, zu Sünde und Selbstzerstörung verlockenden Vamps, wurde mit Bardots Erscheinen zum Auslaufmodell.
An seine Stelle trat eine Naivität, die alles andere als harmlos war. „Die anständigen wie die verschmähten Frauen“, schrieb de Beauvoir, gerieten in Wut, „wenn das Böse die Farben der Unschuld anlegt“. Eben das war in Roger Vadims „... und immer lockt das Weib“ passiert, wo Bardot als unbezähmbarer Teenager – bei den Dreharbeiten 1956 war sie einundzwanzig – mit Curd Jürgens und Jean-Louis Trintignant ihr erotisches Spiel treibt. Der Film, von den Kritikern verhöhnt und vom Publikum gemieden, wurde erst in Amerika, England und Deutschland zum Welterfolg. Zugleich setzte Bardots Affäre mit Trintignant, für den sie ihren Entdecker und Ehemann Vadim verließ, den Ton für die Berichterstattung der Klatschpresse in den folgenden Jahrzehnten. Von jetzt an ließen die Paparazzi nicht mehr von ihr ab, bis es nach Gilbert Bécaud, Gunter Sachs, Warren Beatty, Serge Gainsbourg und anderen keine boulevardmäßigen Liebschaften mehr zu berichten gab.
Von ihren Freiheiten haben spätere Generationen profitiert
Wenn man von heute aus auf ihre Karriere zurückblickt, wird klar, wie wenig das Schönheitsideal, das Bardot verkörperte, von seiner Wirkung verloren hat. Die freche Kindfrau, die sportliche Verführerin, die Venus in Jeans prägen noch immer das Bild des Weiblichen im Kino, und von den Freiheiten, die sich BB genommen hat, haben Generationen von Models, Schauspielerinnen und Popstars gleichermaßen profitiert.
Insofern ist die Nacktszene, die Godard auf Wunsch seiner Produzenten für „Die Verachtung“ nachgedreht hat, nicht nur ein Beleg für die Cleverness des Regisseurs, sondern auch ein Zeugnis von Bardots Souveränität. Nachdem sie ihren Partner Michel Piccoli jedes ihrer Körperteile abgefragt und er immer wieder geantwortet hat, ja, er liebe ihre Brüste, ihre Schenkel, ihre Nase, ihren Mund, fasst sie spöttisch zusammen: „Also liebst du mich totalement?“ Als er bejaht, wendet sie sich ab. Wenig später verlässt sie ihn, weil sie auf diese objekthafte und zusammengepuzzelte Weise nicht geliebt werden will.
Das Mädchen aus gutem Hause aber, das mit achtzehn auf das Cover der „Elle“ und zu seiner ersten Filmrolle kam, wird heute neunzig Jahre alt. Es gibt im Filmgeschäft wohl kaum etwas Schlimmeres, als ein großer Star, ein Idol, eine Ikone gewesen zu sein. Nur wenige haben diese Prüfung in Würde bestanden. Brigitte Bardot hat es geschafft.