Österreich erhält davon 500 Millionen, wie gestern auf dem Hochwasser-Gipfel in Breslau bekannt wurde. Die Lage in Polen bleibt angespannt.
Donald Tusk hat Polens Hauptstadt symbolisch mitten ins Flutgebiet verlegt. In Breslau empfing der Regierungschef am Donnerstagabend die Amtskollegen der stark betroffenen mitteleuropäischen Staaten Österreich, Slowakei und Tschechien zu einem Hochwasser-Gipfel mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Den umstrittenen ungarischen Premierminister Viktor Orbán hatte Tusk nicht eingeladen.
Am Abend dann erklärte von der Leyen, dass die Europäische Union den von den Unwetterkatastrophen betroffenen Ländern zehn Milliarden Euro aus dem Kohäsionsfonds zur Verfügung stellen werde. Österreich kann aus diesem Fonds 500 Millionen Euro abrufen, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Breslau. Es sei auch keine Gegenfinanzierung notwendig, hieß es weiter.
Mit der einen Milliarde im österreichischen Katastrophenfonds stünden nun 1,5 Milliarden Euro für Hilfe zur Verfügung, sagte Nehammer. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) begrüßte die bekannt gegebene Unterstützungsleistung für Österreich: „Jetzt geht es aber auch darum, dass die EU-Hilfszahlungen rasch dort ankommen, wo sie gebraucht werden, nämlich direkt bei unseren Landsleuten, die vor den Trümmern ihrer Existenz stehen.“
Von der Leyen erklärte, die EU habe zwei Möglichkeiten, Hilfen „zur Finanzierung der Reparaturen und des Wiederaufbaus“ zu mobilisieren: den Kohäsionsfonds und den Solidaritätsfonds. Es sei „herzzerreißend“, die „Verwüstung und Zerstörung“ zu sehen, sagte die Kommissionspräsidentin. Gleichzeitig sei aber die „enorme Solidarität“ zwischen den Menschen der betroffenen Länder „tröstlich“, betonte sie. Das EU-Parlament hatte am Donnerstag die EU-Kommission aufgefordert, den EU-Solidaritätsfonds weiter aufzustocken.
Die Infrastrukturschäden belaufen sich laut ersten vorsichtigen Schätzungen allein in Polen auf mindestens drei Mrd. Euro. Insgesamt sind mindestens zwei Millionen EU-Bürger direkt vom Hochwasser betroffen.
Situation in Breslau angespanntBundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte bei dem Gipfel in Breslau die Brüsseler Zusage über „erhebliche finanzielle Unterstützung“ gefordert. Die EU-Kommission hatte den betroffenen Staaten bereits am Mittwoch Hilfsanträge an den EU-Solidaritätsfonds für Naturkatastrophen und Katastrophenschutz empfohlen.
In Breslau selbst war die Hochwasserlage am Donnerstag zwar sehr angespannt, aber insgesamt unter Kontrolle. Die Spitze der Oder-Flutwelle hatte in den frühen Morgenstunde das Zentrum der 700.000-Einwohner-Stadt erreicht, die Oder trat aber nicht über die Ufer. 1997 hatte sie ein Drittel des Stadtgebiets überschwemmt. Wälle aus Sandsäcken schützten die besonders bedrohten Außenbezirke Marszowice 1 und 2, nachdem zwei Lecks in den Oderwällen entdeckt worden waren. Die Stadtverwaltung musste sich derweil gegen Falschmeldungen über einen angeblich geplanten Trinkwasserstopp zur Wehr setzten. Andernorts in Polen verbreitete sich die Falschmeldung, Hochwasserwälle müssten gesprengt werden. Die Bevölkerung wurde über soziale Medien aufgerufen, bei der Abfüllung von Sandsäcken in der Nähe des Stadions mitzuhelfen. Am Nachmittag wurde der Entlastungspolder Olawka etwas oberhalb von Breslau mit Wasser aufgefüllt. Ein Oder-Entlastungskanal soll noch für später bereitgehalten werden, falls sich die Hochwasserlage am Wochenende wieder zuspitzen sollte. Laut Meteorologen dürfte die Scheitelwelle der Oder das Stadtgebiet erst am Montag ganz durchflossen haben.
Insgesamt waren am Donnerstag noch rund ein halbes Dutzend Kleinstädte in Polen von der Außenwelt abgeschlossen. In Zagan am Unterlauf der Oder nahe der deutschen Grenze schlossen sich auch die dort stationierten US-Soldaten der Flutbekämpfung an. Das Verteidigungsministerium hat am Donnerstag eine Wiederaufbauaktion namens „Phoenix“ aufgegleist. Im Hügelland zu Tschechien hin sind ein halbes Dutzend Städte von den Wassermassen weitgehend zerstört worden.
Schwere Schäden in ItalienGiorgia Meloni war zum Hochwassergipfel in Breslau nicht geladen – wenngleich schwere Regenfälle Donnerstagnacht auch in der norditalienischen Region Emilia Romagna Überschwemmungen und Erdrutsche verursachten. Besonders betroffen sind die Provinzen Bologna, Forlì, Cesena und Ravenna sowie Rimini, wo die Schulen geschlossen blieben. In der gesamten Region wurden mehr als tausend Menschen evakuiert und in Notunterkünften versorgt. Kritisch ist die Lage entlang der Flüsse Lamone und Montone in der Gegend um Ravenna. Zwei Personen werden vermisst.