Kanzlerkandidatur: Erste SPD-Abgeordnete sprechen sich laut ...
Mehrere Bundestagsabgeordnete sollen Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten bevorzugen. Einer Umfrage zufolge sind fast 60 Prozent der SPD-Wähler derselben Meinung.
Aktualisiert am 16. November 2024, 19:52 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP, edd
Ihr Browser unterstützt die Wiedergabe von Audio Dateien nicht. Download der Datei als mp3: https://zon-speechbert-production.s3.eu-central-1.amazonaws.com/articles/a8b5a988-92ea-426f-9e34-d0b7873be5d9/full_cd1fc2eb59226739dc6d4117a1cdfcb35acae332f43920437ba160845b90ddaab2e83df5440a2b747f3a8f31b94e7651.mp3
In der SPD haben sich nach einem Bericht des Spiegels erstmals auch Bundestagsabgeordnete dafür ausgesprochen, Verteidigungsminister Boris Pistorius zum Kanzlerkandidaten zu machen, anstatt mit Amtsinhaber Olaf Scholz in den Wahlkampf zu ziehen. Die Äußerungen seien am vergangenen Dienstag bei einem Treffen des sogenannten Seeheimer Kreises gefallen, in dem sich die konservativeren SPD-Bundestagsabgeordneten zusammengeschlossen haben, berichtet der Spiegel unter Berufung auf Teilnehmerkreise.
Besonders kritisch äußerte sich nach Angaben von Teilnehmern der Abgeordnete Joe Weingarten aus Rheinland-Pfalz. Scholz sei bei den Menschen im Land "unten durch", habe Weingarten in der Sitzung gesagt. Dies gelte bis tief in die SPD-Ortsvereine hinein und werde sich auch nicht mehr ändern. Der Wechsel zu Pistorius müsse kommen, sonst werde die Partei bei der Bundestagswahl im Februar ein "Desaster" erleben.
Weingarten wollte den Bericht auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa nicht kommentieren. Er sagte aber, "dass ich die inständige Hoffnung habe, dass die SPD-Spitze und alle Verantwortlichen eine gemeinsame und schnelle Antwort finden, um uns aus der schweren Krise und dem Umfragetief herauszuführen, in dem wir uns befinden".
Der Abgeordnete Christian Schreider aus Ludwigshafen wird laut dem Bericht von Teilnehmern des Treffens mit den Worten zitiert, er könne die Parteimitglieder nicht mehr dazu bringen, für Scholz Wahlkampf zu machen. Dazu ließen sie sich nicht mehr motivieren.
Klingbeil warnt vor KanzlerdebatteSPD-Chef Lars Klingbeil warnte dagegen seine Partei vor einer Debatte über die Auswechslung des designierten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. "Olaf Scholz ist der Kanzler. Und alle, die in der SPD Verantwortung tragen, haben in den letzten Tagen auch deutlich gemacht, dass wir hinter ihm stehen", sagte er am Rande einer SPD-Veranstaltung in Essen. Für die SPD sei es nun wichtig, "dass wir uns inhaltlich auseinandersetzen mit dem Bundestagswahlkampf, aber nicht über Personal diskutieren".
Eine Reihe von Basisgruppierungen hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, dass Pistorius als Kanzlerkandidat die SPD in den Wahlkampf führen soll. Klingbeil forderte, der Fokus der Partei müsse ein anderer sein: "Es gibt eine Polarisierung zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz. Das sind fundamentale Gegensätze." Es gehe um die Frage, ob man Politik für Besserverdienende mache oder für Pflegekräfte, Erzieher und Bauarbeiter. "In diese Auseinandersetzung werden wir jetzt reingehen", sagte der SPD-Chef.
Pistorius weist Ambitionen auf Kanzleramt zurückAngesichts von nur noch 15 bis 16 Prozent für die Kanzlerpartei in der Sonntagsfrage waren in den vergangenen Tagen auf Kommunal- und Landesebene Rufe nach einem Wechsel des Kanzlerkandidaten lauter geworden. Pistorius ist seit Monaten laut Umfragen der beliebteste deutsche Politiker, Scholz dagegen liegt bei der Popularität weit hinten.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für die Bild am Sonntag sind 45 Prozent der Befragten dafür, dass Pistorius statt Scholz als SPD-Kanzlerkandidat in den Wahlkampf zieht. 35 Prozent der Befragten sprechen sich dagegen aus, 20 Prozent machten keine Angabe. Unter den SPD-Wählern sprachen sich demnach sogar 59 Prozent der Befragten für Pistorius aus.
Die Partei- und Fraktionsführung stellte sich allerdings klar hinter Scholz. Pistorius wies seinerseits eigene Ambitionen auf das Kanzleramt zurück. Der Seeheimer Kreis ist eine der drei Strömungen in der SPD-Bundestagsfraktion und zahlenmäßig mittlerweile die stärkste.
Viel Zeit hat die SPD nicht mehr für die Nominierung ihres Kanzlerkandidaten, am 23. Februar soll gewählt werden. Eine Entscheidung der Parteiführung wird bis zu einer von der SPD als "Wahlsieg-Konferenz" bezeichneten Veranstaltung am 30. November erwartet. Für den 11. Januar ist ein Parteitag angesetzt, auf dem die Personalie dann noch bestätigt werden soll.