„Bonn – Alte Freunde, neue Feinde“: Seilschaften in der frühen ...

17 Jan 2023

Trotz „Ku’damm 56“ und „Ein Hauch von Amerika“ – die 1950er Jahre sind noch nicht so oft im deutschen Fernsehen dargestellt worden. Mit „Bonn – Alte Freunde, neue Feinde“ geht die ARD in die Vollen: eine aufwändig ausgestattete Event-Serie und ein Thriller über die Frühzeit der deutschen Geheimdienste.

Widerstandskämpfer und Altnazis kämpfen um die Hoheit in der deutschen Sicherheitspolitik

Im Jahr 1950 steht die junge Bundesrepublik noch auf ziemlich wackligen Beinen, gerade in der Sicherheitspolitik. Das neu gegründete Bundesamt für Verfassungsschutz hat mit Otto John einen neuen Chef. Er ist ein ehemaliger Widerstandskämpfer aus dem Stauffenbergkreis, dem vor allem die Verfolgung früherer Nazigrößen am Herzen liegt.

Gedeckt werden diese Nazigrößen teilweise von Johns erbittertem Konkurrenten Reinhard Gehlen, dem Leiter des nach ihm benannten Auslandsgeheimdienstes. Der ehemalige Wehrmachtsgeneral hat die Amerikaner von der Nützlichkeit seines Wissens für den Aufbau überzeugen können.

Sebastian Bloomberg und Martin Wuttke überzeugen auch als moralische Antipoden, der eine nervlich angefasst, der andere abgezockt und berechnend – und versiert darin, alte Vertraute mit guten Posten zu versorgen.

Eine junge Fremdsprachensekretärin im Zentrum der Intrigen

Alte Freunde: dazu gehört Gerd Schmidt, der seine Tochter Toni als Fremdsprachensekretärin bei Gehlen unterbringt. Ihre Familie gehört zwar zum größtenteils erfundenen Personal der Serie, sie wird aber zu ihrem emotionalen Zentrum.

Denn in der Familie spiegeln sich, so wie man das von einer historischen Eventserie erwarten kann, die Themen der Zeit: Der Bruder, der immer noch nicht von der Front zurück ist. Der Verlobte, der als Fernseherverkäufer vom Wirtschaftswunder profitieren und eine Familie gründen will. Und Toni selbst, die sich stattdessen bilden und in der männerdominierten Berufswelt ihren eigenen Weg gehen will. Und die nicht ahnt, dass schon bald ein Agent auf sie angesetzt wird, um an Gehlen und seine Naziverbindungen heranzukommen.

„Bonn – alte Freunde, neue Feinde“ (Foto: Pressestelle, © ARD/Odeon Fiction/Zuzana Panská)

Mercedes Müller spielt die 20-jährige Toni Schmidt, die eine Stelle als Fremdsprachensekretärin bei der Organisation Gehlen bekommt. Pressestelle © ARD/Odeon Fiction/Zuzana Panská Ein frischer und aktueller Blick in die 1950er-Jahre

Erstmal ist „Bonn – Alte Freunde, neue Feinde“ eine toll ausgestattete Serie, die einen frischen Eindruck der Zeit vermittelt, die zwischen Trümmerjahren und 60er-Jahre-Lockerheit liegt. Die Wunden der Nazizeit sind noch nicht ansatzweise verarbeitet, aber die verschiedensten Kräfte blasen schon zur antikommunistischen Aufrüstung, dem neuen Feind.

Zwischen der Ausrichtung der beiden Geheimorganisationen scheint sich der künftige Weg der jungen Westrepublik zu entscheiden. Das macht die kaum bekannte Story aus heutiger Sicht spannend und sogar verblüffend aktuell, denn die Untergrundaktivitäten, die es in den 50ern tatsächlich gab und die ganz bewusst an alten Seilschaften andockten, wirken im Licht von Reichsbürgerputschgelüsten nochmal deutlich heftiger.

Trailer zu „Bonn – Alte Freunde, neue Feinde”: Gute Unterhaltung ohne gängige Agentenserien-Klischees

Mit ihrem aufgekratzt symphonischen Soundtrack wirft die Serie ein paar ambitionierte Blicke Richtung „Babylon Berlin“, aber auch wenn sie „Bonn“ im Titel führt, und der Name Adenauer ab und zu hindurchweht, spielt hier der Geist des Ortes eine eher untergeordnete Rolle. Als Agentenserie, die nicht die gängigen Schlapphut-Actionklischees bedient, ist sie gute Unterhaltung. Und birgt genug Stoff für eine weitere Staffel.

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