VfL Bochum mit Dieter Hecking 1:1 gegen Bayer Leverkusen in ...
Dieter Hecking genoss eher im Stillen, während um ihn herum die Emotionen tobten. Gut eine Stunde nach dem Abpfiff räumte er zwar schon ein, „nervös“ gewesen zu sein, der neue Trainer des berichtete von „ein bisschen Achselschweiß“ und der Notwendigkeit einer Dusche.
Die meisten anderen Bochumer jedoch waren außer sich, nachdem Koji Miyoschi im ersten Spiel unter Hecking in der 89. Minute zum 1:1-Endstand gegen Bayer Leverkusen getroffen hatte. „Das war eine Explosion für die Mannschaft“, sagte Hecking.
Die Bochumer Fans sangen: „Der VfL ist wieder da!“ und „Nie mehr zweite Liga!“, sie feierten ein Fest, das eigentlich nicht von einer Siegesfeier zu unterscheiden war. Das eine Pünktchen für die Tabelle wirkt sich vorerst zwar nur marginal aus, aber der emotionale Gewinn dieses Duells mit dem Meister aus dem Rheinland ist gewaltig: endlich wieder allerfeinste Castroper-Straßen-Stimmung. Endlich wieder leidenschaftlicher VfL-Fußball.
Und endlich ein Trainer, der den Eindruck macht, die Probleme dieser in sich zusammen gefallenen Mannschaft unter Kontrolle zu bringen. „Er hat uns positive Sicherheit gegeben“, sagte Gerrit Holtmann über Hecking.
Neun Punkte hinter den Bayern
Vor der Vorstellung des 60 Jahre alten Fußballlehrers am vergangenen Montag hatten die Bochumer ja ernsthaft überlegt, den Trainerwechsel um eine Woche zu verschieben, damit die Arbeit des neuen Trainers nicht direkt mit einer harten Niederlage belastet wird. Hecking hatte dieses Angebot abgelehnt, er wollte sofort loslegen. Und vielleicht hat er auch gewusst, dass sogar der Tabellenletzte diesen Leverkusenern derzeit richtig weh tun kann.
Das Team des Trainers Xabi Alonso hat nun von den jüngsten sechs Partien nur eine gewonnen, im DFB-Pokal gegen den Zweitligaklub Elversberg. Die Leistungen waren zwar oft okay, aber so langsam entwickelt sich die Serie schwacher Ergebnisse schon zu einer Art Krise.
„Wenn wir so einen Vorsprung in der letzten Minute halten wollen, müssen wir erwachsener spielen“, sagte Alonso. „Das gleiche Problem hatten wir schon vor zwei Wochen in Bremen.“ Der Rückstand auf den FC Bayern beträgt nun schon neun Punkte. Beim VfL hingegen deutet sich eine Trendumkehr an.
Die Bochumer spielten engagiert und auch strategisch klug. Holtmann, dem in der Woche zuvor der schnellste jemals in der Bundesliga gemessene Sprint gelungen war, gegen Jeremie Frimpong verteidigen zu lassen, war eine gute Idee Heckings. „Wir sind sehr gut auf den Gegner eingestellt worden“, sagte Torhüter Patrick Drewes. Der Eindruck, der sich bereits in den Tagen vor diesem Spiel abgezeichnet hatte, bestätigte sich schnell: Der erfahrene Hecking tut diesem aufgewühlten Klub und seiner verunsicherten Mannschaft einfach gut.
Er wirkte konzentriert und beruhigte seine Mannschaft, statt sie anzutreiben. Genug Energie war ohnehin im Spiel. Bochum war in den meisten Phasen ebenbürtig und ließ sich eigentlich nie dauerhaft in der eigenen Hälfte einschnüren. Bereits in der ersten Halbzeit hatte der VfL etliche gute Chancen, vor allen Dingen Moritz Broschinski kam drei Mal zum Abschluss (18., 26. und 43. Minute). Hecking hatte offenbar gute Impulse ins Team gesendet.
Ein Problem bleibt jedoch: Individuelle Schwächen lassen auch mit einem Trainerwechsel nicht aus der Welt schaffen, was die Führung der Leverkusener Meistermannschaft ermöglichte. In der 18. Minute versuchte der Innenverteidiger Jakov Medic zu spät, seinen Gegenspieler Patrik Schick ins Abseits laufen zu lassen, was Florian Wirtz mit einem klugen Pass als schlimmen Fehler entlarvte. Schick konnte frei in den Bochumer Strafraum laufen und traf zum 0:1.
Leverkusen hat seit dem Gastspiel beim VfL am letzten Spieltag der Saison 2022/2023 auswärts keine Bundesligapartie mehr verloren, an diesem Novembernachmittag lag nun ein Ende dieser Serie nun zumindest im Bereich des Möglichen. Immer wieder zischten scharfe Querpässe durch den Strafraum der Werkself, in etlichen Momenten fehlte einfach Glück. In anderen Situationen standen sie sich mit kleinen Ungenauigkeiten oder Fehlentscheidungen rund um den Leverkusener Strafraum selbst im Weg. Spätestens Mitte der zweiten Halbzeit war klar, dass nicht nur Bochum seinem Publikum das bestes Saisonspiel bot, sondern auch, dass Bayer Leverkusen immer noch ein sehr anfälliges Gebilde ist.
In der Schlussphase wurde die Partie dann immer offener, der VfL drückte, Leverkusen hatte ebenfalls Gegenangriffe, allerdings verteidigte die Mannschaft des Trainers Xabi Alonso nie wirklich souverän. Diese Schwäche ist längst ein Dauerproblem, das sich immer dann besonders gravierend zeigt, wenn der Gegner als Außenseiter gehandelt wird. Und so lieferte Jonathan Tah ungewollt die Vorlage zu Miyoshis 1:1, der aus spitzem Winkel traf. „Das kann ein Wendepunkt werden in dieser Saison“, sagte Hecking.