Millionen neue User: Zuwachs führt Bluesky in „Moderationshölle“

7 Stunden vor

Millionen neue User

Noch am Montag könnte Bluesky die 20-Millionen-User-Marke überschreiten – damit hat der Kurznachrichtendienst doppelt so viele Nutzerinnen und Nutzer wie noch vor zwei Monaten. Dass allein in den letzten Tagen Millionen Menschen dazugestoßen sind, liegt zum Großteil am „#eXit“, an der Abkehr von X, vormals Twitter. Mit dem rasanten Zuwachs gibt es auch viel mehr Postings – und nicht wenige davon sind problematisch. Das bringt das Moderationsteam unter Druck.

Bluesky - Figure 1
Foto ORF

Online seit heute, 16.31 Uhr

Das Technologieportal The Verge spricht von einer „Moderationshölle“: Die Moderatorinnen und Moderatoren, die Bluesky beschäftigt, kommen offenbar nur schwer mit dem Zustrom an Inhalten zurecht. Allein am Freitag gingen bei dem sozialen Netzwerk 42.000 Meldungen für problematische Inhalte ein, aktuell würden pro Stunde rund 3.000 Postings gemeldet, heißt es.

Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2023 ging man insgesamt nur 360.000 Meldungen nach. Es könnte also gut sein, dass innerhalb der kommenden Woche so viele Postings wie im gesamten Vorjahr gemeldet werden. Das Sicherheitsteam von Bluesky spricht von einer „Triage“, um zumindest die „schädlichsten Inhalte“ löschen zu können, konkret werden etwa Missbrauchsdarstellungen von Kindern genannt.

Wachstum bringt Spam, Betrug und Trolle

Von Bluesky heißt es, dass mit dem Zuwachs auch „mehr Spam, mehr Betrug und mehr Troll-Aktivität“ beobachtet wurden. Userinnen und User wurden um Mithilfe gebeten, derartige Postings und Nutzerkonten zu melden – was aber auch dazu führen dürfte, dass das Moderationsteam, von dem nicht bekannt ist, wie groß es ist, weiter unter Druck gerät. Man erweitere das Team auf „maximale Kapazität“ und wolle auch zusätzliche Moderatorinnen und Moderatoren einstellen, hieß es.

Erst vor wenigen Tagen knackte Bluesky die 15-Millionen-Marke

Gerade wenn es um problematische Inhalte geht, könnte Bluesky allerdings gegen den Elon-Musk-Dienst X punkten. Viele, die X den Rücken kehrten, bezeichneten die Plattform als „toxisch“, so etwa der britische „Guardian“, der „oft verstörende Inhalte (…), darunter Rechtsaußen-Verschwörungserzählungen und Rassismus“, kritisierte.

Bluesky - Figure 2
Foto ORF

Schon bei Musks Übernahme von X warnten Kritiker und Kritikerinnen, dass die Plattform zum Sammelplatz für Hassrede, Falschinformationen und Verschwörungserzählungen werden könnte. Einen Einblick in diese Entwicklung erlauben die von X publizierten Transparenzberichte: Die Musk-Plattform ist aufgrund der strengen EU-Regeln des Digital Services Act (DSA) gezwungen, regelmäßig über die Moderationstätigkeit zu berichten.

X schränkte Moderationsteam stark ein

Insgesamt gehörten dem dortigen Team im Oktober 1.275 Menschen an (69 davon mit Deutschkenntnissen). Im November 2023 waren es noch 2.294 gewesen – Musk hat das Moderatorenteam binnen eines Jahres also praktisch halbiert. Unklar ist, wie viele Menschen X insgesamt verwenden, es dürften aber mehrere hundert Millionen sein. In Brüssel läuft mittlerweile ein Verfahren gegen X wegen der Verbreitung von Falschinformationen und Hassbotschaften, es droht eine Milliardenstrafe.

Nach der Übernahme durch Elon Musk strich X große Teile des Moderationsteams

Zwar ist Bluesky mit seinen Nutzerzahlen weit von der Größe von X entfernt, die Moderation problematischer Inhalte wird in den kommenden Tagen und Wochen aber sicher ein wesentliches Thema für den Kurznachrichtendienst bleiben. Anders als X will man offenbar aktiver moderieren und bietet auch mehr Möglichkeiten für Userinnen und User an, ungewünschte Inhalte und Konten auszublenden und zu blockieren. Auch unterstützt künstliche Intelligenz bei der Moderation – anders als bei X betont man aber, dass diese nicht mit Texten von Usern „angelernt“ wird.

Weitere Schritte wohl nötig

Als ersten Schritt zur Eindämmung von Spam und anderen schädlichen Inhalten entschied sich der Dienst dazu, neue Konten nur nach Bestätigung via E-Mail freizuschalten. Nicht undenkbar ist wohl auch, dass künftig eine Telefonnummer zur Anmeldung benötigt wird – immerhin ist das bei praktisch jedem größeren sozialen Netzwerk so üblich.

Hinzu kommen technische Hürden durch den Userzuwachs: Erst vor wenigen Tagen gab es bei vielen Nutzern Verzögerungen, offenbar nicht selbst verschuldet, sondern ausgelöst durch ein defektes Glasfaserkabel, wie es von dem sozialen Netzwerk hieß. In den vergangenen Monaten kämpfte Bluesky allerdings häufiger mit dem rasanten Wachstum.

Finanzierung als großes Fragezeichen

Das offenbart die vielleicht größte Hürde für den noch jungen Kurznachrichtendienst: die Frage nach dem Geld. Denn all diese Erweiterungen, egal ob bei Moderation oder in der Infrastruktur, verursachen hohe Kosten. Bisher ist Bluesky komplett werbefrei, auch ein Abomodell wie bei X gibt es nicht.

Über mehrere Varianten wird seit jeher spekuliert, konkrete Schritte gibt es bisher nicht. Will Bluesky weiter wachsen, wird diese Frage nur noch akuter werden – und die Beantwortung richtungsweisend für die gesamte Plattform.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche