US-Präsident Biden tritt als Präsidentschaftskandidat zurück

21 Jul 2024

US-Präsident Joe Biden hat via X bekannt gegeben, nicht mehr als Präsidentschaftskandidat anzutreten. Er unterstützt eine Kandidatur seiner bisherigen Vizepräsidentin Kamala Harris.

US-Präsident Joe Biden zieht seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im November zurück. „Ich glaube, es ist im besten Interesse meiner Partei und des Landes, wenn ich mich zurückziehe und mich ausschließlich auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident für den Rest meiner Amtszeit konzentriere“, erklärte der 81-Jährige am Sonntag in einem Brief, den er im Onlinedienst X veröffentlichte. Biden schlug seine Stellvertreterin Kamala Harris als Ersatzkandidatin für die Wahl im November vor.

Auf X, Facebook und Instagram teilte der 81-Jährige mit, es sei im Wahljahr 2020 seine beste Entscheidung gewesen, Harris als Vizekandidatin auszuwählen. Er spreche ihr daher seine volle Unterstützung aus, als Kandidatin der Demokratin bei der anstehenden Wahl anzutreten. Die Entscheidung darüber liegt bei Delegierten der Partei aus allen Bundesstaaten. Biden rief seine Anhänger auf, für die Wahlkampagne von Kamala Harris zu spenden.

Aufruf zur Einigkeit der Demokraten

In Hinblick auf den Wahlkampf gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump rief er seine Partei zu Geschlossenheit auf: „Demokraten - es ist an der Zeit, zusammenzukommen und Trump zu schlagen.“

Biden hatte zuvor - ebenfalls per Instagram, Facebook und X - seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen angekündigt. In den vergangenen Wochen war der 81-Jährige wegen seines Alters und seines mentalen Zustandes in der eigenen Partei massiv unter Druck geraten. Bidens Rückzug so kurz vor der Wahl ist eine dramatische Wende und verursacht weiteres Chaos in einem ohnehin historischen US-Wahljahr.

In seinem Brief ließ Biden die politischen Großereignisse seiner Amtszeit Revue passieren und lobte die amerikanische Wirtschaft. Er sprach von „historischen Investitionen“ für niedrige Medikamentenpreise, eine leistbare Gesundheitsvorsorge und das größte Klima-Gesetzespaket aller Zeiten. Besondere Erwähnung fand auch Vizepräsidentin Kamala Harris, der er als „außergewöhnliche Partnerin“ bei all diesen Projekten dankbar sei.

Präsident der USA zu sein, sei die „ größte Ehre seines Lebens“ gewesen, doch es sei das Beste im Interesse seiner Partei und des Landes diese Amtszeit fertig zu regieren und danach als Kandidat bei den Wahlen im November nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Biden kündigte außerdem an, sich im Laufe der Woche an die Nation zu wenden.

Bidens Schreiben im Wortlaut:

„Meine amerikanischen Mitbürger,

in den vergangenen dreieinhalb Jahren haben wir als Nation große Fortschritte gemacht.

Heute verfügt Amerika über die stärkste Wirtschaft der Welt. Wir haben historische Investitionen in den Wiederaufbau unserer Nation getätigt, die Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente für ältere Menschen gesenkt und eine erschwingliche Gesundheitsversorgung auf eine Rekordzahl von Amerikanern ausgeweitet haben. Wir haben dringend benötigte Unterstützung für eine Million Veteranen bereitgestellt, die giftigen Substanzen ausgesetzt waren. Das erste Gesetz zur Waffensicherheit seit 30 Jahren verabschiedet. Die erste afroamerikanische Frau für den Supreme Court ernannt. Und die bedeutendste Klimagesetzgebung in der Weltgeschichte verabschiedet. Amerika war nie besser aufgestellt, um zu führen, als wir es heute sind.

Ich weiß, dass nichts davon ohne Sie, das amerikanische Volk, hätte geschafft werden können. Zusammen haben wir eine Jahrhundert-Pandemie und die schlimmste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression überwunden. Wir haben unsere Demokratie geschützt und erhalten. Und wir haben unsere Bündnisse rund um die Welt neu belebt und gestärkt.

Es war die größte Ehre meines Lebens, als Ihr Präsident zu dienen. Und auch wenn es meine Absicht war, die Wiederwahl anzustreben, glaube ich, dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, beiseite zu treten und mich ausschließlich auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident für den Rest meiner Amtszeit zu konzentrieren.

Ich werde später in dieser Woche über meine Entscheidung ausführlicher zur Nation sprechen.

Lassen Sie mich fürs Erste meine tiefe Dankbarkeit gegenüber all denjenigen aussprechen, die so hart dafür gearbeitet haben, mich wiedergewählt zu sehen. Ich möchte Vizepräsidentin Kamala Harris danken, dass sie bei dieser ganzen Arbeit eine außergewöhnliche Partnerin gewesen ist. Und lassen Sie mich meine aus tiefem Herzen empfundene Wertschätzung für das amerikanische Volk zum Ausdruck bringen für den Glauben und das Vertrauen, die Sie in mich gesetzt haben.

Ich glaube heute, wie ich es schon immer getan habe: dass es nichts gibt, das Amerika nicht tun kann - wenn wir es gemeinsam tun. Wir müssen uns nur daran erinnern, dass wir die Vereinigten Staaten von Amerika sind.“

Trump reagiert mit Häme

Der republikanische Präsidentschaftskandidate Donald Trump sagte dem US-Sender CNN, seiner Ansicht nach sei es leichter, Harris in dem US-Präsidentschaftswahlen im November zu schlagen als Biden. Trump habe sich kurz nach dem Bekanntwerden von Bidens Rückzug als Präsidentschaftskandidat der Demokraten gegenüber dem Sender geäußert, schreibt ein CNN Reporter auf der Plattform X.

„Der korrupte Joe Biden war nicht in der Lage, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, und er ist sicherlich nicht in der Lage, das Amt zu bekleiden - und war es auch nie!“, schrieb Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social. Er warf Biden vor, „nur durch Lügen, Fake News und indem er seinen Keller nicht verließ“ das Amt des Präsidenten erlangt zu haben. Trump beschuldigte außerdem Menschen, die Biden nahestehen sowie dessen Arzt und die Medien, gewusst zu haben, dass Biden „das Präsidentschaftsamt nicht ausüben kann“.

Parteiinterner Druck seit TV-Duell

Biden war nach einem desaströsen Auftritt bei einem Fernsehduell gegen Ex-Präsident Trump Ende Juni extrem in die Kritik geraten. Während des Schlagabtauschs verhaspelte sich der mächtigste Mann der Welt regelmäßig, verlor den Faden, starrte mit offenem Mund ins Leere und konnte häufig seine Sätze nicht richtig beenden. Schon vorher hatte es innerhalb der Demokratischen Partei und in der Bevölkerung wegen Bidens Alter Vorbehalte gegen seine Wiederwahlambitionen gegeben. Doch nach dem Duell entflammte die Debatte über die Eignung des Bidens als Präsidentschaftskandidat der Demokraten in ganz neuem Ausmaß - und in aller Öffentlichkeit.

Nach der Debatte hatten sich Bidens Umfragewerte noch mal deutlich verschlechtert. Und in seiner eigenen Partei wagten sich einer nach dem anderen vor, um öffentlich Bidens Rückzug aus dem Rennen um die Präsidentschaft zu fordern. Der Präsident selbst versuchte zunächst, sich herauszureden. Seinen schwachen Auftritt begründete er mit Müdigkeit in Folge anstrengender Auslandsreisen. Er habe nicht aus seine Berater gehört und sich übernommen. Bei diversen Auftritten gab er sich trotzig und versicherte ein ums andere Mal, er werde sich nicht zurückziehen. Doch es folgten weitere Patzer, etwa beim Nato-Gipfel in Washington, am Ende wurde der Druck aus den eigenen Reihen zu groß.

In den vergangenen Tagen hatte sich Biden nach einer Infektion mit dem Coronavirus in sein Privathaus in Rehoboth Delaware zurückgezogen und keine öffentlichen Termine absolviert. Während seiner Zwangspause fasste er nun den Entschluss, sich dem Druck seiner Parteikollegen zu beugen.

Wie geht es weiter?

Die Demokraten müssen nun in kürzester Zeit umsatteln und die Nachfolge regeln. Als Ersatzkandidatin rückte in den vergangenen Wochen mehr und mehr Bidens Stellvertreterin Harris in den Fokus. Die 59-Jährige war in ihrem Vizepräsidentenamt an der Seite Bidens bisher blass geblieben, bekam angesichts von dessen Schwäche zuletzt allerdings die Unterstützung einer ganzen Reihe wichtiger Parteimitglieder. Die Demokraten nominieren ihren Präsidentschaftskandidaten offiziell bei einem Parteitag in Chicago Mitte Augst.

Wird Kamala Harris im August offiziell demokratische Präsidentschaftskandidatin?

Wird Kamala Harris im August offiziell demokratische Präsidentschaftskandidatin?  APA / AFP / Mandel Ngan

Die Republikaner haben ihren Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bei einem Nominierungsparteitag in Milwaukee bereits offiziell gekürt. Biden hatte bis zuletzt immer wieder behauptet, er sei der einzige der Trump schlagen könne. Noch am Freitag hatte der Präsident den Forderungen nach einem Ausstieg aus dem Rennen um das Weiße Haus eine Absage erteilt und angekündigt, nach seiner Corona-Erkrankung in der kommenden Woche seine Wahlkampftermine wieder aufzunehmen.

Reaktionen aus Österreich

Von österreichischen Politikern wurde Bidens Rückzug um das US-Präsidentschaftsrennen unterschiedlich aufgenommen. „Genießen Sie die Pension, Mr. President“, schrieb FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky auf X. Der SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, Andreas Schieder, zollte ihm hingegen Respekt. „President Biden war eine guter Präsident mit viele wichtigen Gesetzen. Nun zeigt er wahre Größe und Einsicht. Das Präsidentschafts-Rennen ist wieder offen“, schrieb Schieder auf X.

Neos-Delegationsleiter Helmut Brandstätter würdigte Biden als verantwortungsbewussten Staatsmann und warnte vor Trump. „Wir müssen gerade unsere europäische Sicherheit stärker in die eigene Hand nehmen“, schrieb Brandstätter in einer Aussendung. „Trump hat mehrmals angekündigt kein Interesse an Europa zu haben und träumt davon, den Angriffskrieg Putins in 24 Stunden zu beenden. Trump wäre eine Gefahr für die Sicherheit Europas und damit für die Sicherheit Österreichs.“

(APA/red)

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