Biden-Go gegen Wladimir Putin: So funktionieren die ATACMS ...
Stand: 18.11.2024, 23:30 Uhr
Von: Patrick Mayer
Kommentare
Die US-Regierung von Joe Biden erlaubt den Ukrainern den Einsatz der ATACMS im tiefsten Inneren Russlands. Was technisch zu den gewaltigen Raketen bekannt ist.
Kiew – Ist es die viel bemühte „rote Linie“ im Ukraine-Krieg, von der das Moskau-Regime aus Russland wiederholt sprach? Die US-Regierung des noch amtierenden Präsidenten Joe Biden (Demokraten) hat der ukrainischen Armee den Einsatz der schlagkräftigen ATACMS-Mittelstreckenraketen auch tief im Inneren der Russischen Föderation erlaubt.
ATACMS-Raketen der Ukraine: Washington gibt Erlaubnis für Einsatz in RusslandNach dem Wahlsieg des Republikaners Donald Trump sehen manche politische Beobachter in diesem Go aus Washington eine Art Abschiedsgeschenk Bidens an die heimtückisch durch die Russen überfallene Ukraine.
Kiew hatte lange darum gebeten, mit dem Hinweis, die wuchtigen ATACMS ausschließlich gegen militärische Ziele einsetzen zu wollen. Als Waffe lässt sich die Mittelstreckenrakete mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern variabel einsetzen. Ihre Treffergenauigkeit ist sehr hoch.
Schwer, schnell, schlagkräftig: Die gewaltigen ATACMS-Raketen aus den USA, die die Ukraine gegen Russland einsetzt. (Symbolfoto) © IMAGO / DepositphotosUS-Erlaubnis zu ATACMS-Raketen: Diskussionen in den USA, Unmut in RusslandWährend Wladimir Putins Spionage-Schiff vor Nato-Küsten aufgetaucht ist und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor der russischen Kriegswirtschaft warnt, reagierten Trumps amerikanische Republikaner regelrecht alarmiert auf die Ankündigung der Biden-Administration zu den ATACMS. „Der militärisch-industrielle Komplex scheint den Dritten Weltkrieg in Gang setzen zu wollen, bevor mein Vater eine Chance hat, Frieden zu schaffen und Leben zu retten“, schrieb Donald Trump junior auf X, der Sohn des geählten US-Präsidenten, der ab dem 20. Januar 2025 im Amt sein wird.
Der Kreml bewertet die Freigabe der amerikanischen Raketen rhetorisch sperrig als „qualitativ neue Lage hinsichtlich der Verwickelung der USA in den Konflikt“. Die „Tagesthemen“ der ARD berichteten in einer Analyse vom Sonntag (17. November), dass es der Biden-Regierung wohl darum gehe, die Ukrainer in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen, sollte die künftige Trump-Regierung Kiew tatsächlich an den Verhandlungstisch mit den Russen zwingen.
Dem Bericht nach soll die Freigabe der ATACMS für ukrainische Gegenschläge in der teils besetzten russischen Grenzregion Kursk gelten. Zu den technischen Details: Die vier Meter langen ATACMS-Raketen mit einem Durchmesser von 60,4 Zentimetern können nach dem Start auf bis zu Mach 3 und damit rund 3700 km/h beschleunigen. Die Raketen werden von einem HTPB-Komposit-Feststofftreibsatz angetrieben, der sie regelrecht explosiv beschleunigt. Die Flugbahn erfolgt in einer sogenannten Wurfparabel.
Das heißt, die Rakete, die aus den HIMARS-Mehrfachraketenwerfern verschossen wird, fliegt ihrem Ziel halbkreisförmig entgegen. Der Scheitelpunkt liegt dabei in rund 48 Kilometern Höhe, je nach vorgesehener Reichweite. Die Rakete übernimmt die Steuerung nach dem Abschuss durch ein sogenanntes Trägheitsnavigationssystem selbst, also durch ein 3-D-Messsystem. Das Profil der Ziellandschaft wird hierfür mittels Daten in die Software der Rakete eingespeist. Durch das Anpassen der Flugbahn wird letztlich die Reichweite gesteuert.
Wuchtig: Die vier Meter langen ATACMS-Raketen mit einem Durchmesser von 60 Zentimeter werden aus HIMARS-Mehrfachraketenwerfern abgefeuert. © IMAGO / DepositphotosATACMS-Raketen aus den USA: Ukrainer griffen damit schon die Krim anDie neueste Version verfügt zudem über einen zusätzlichen GPS-Empfänger sowie über eine modifizierte Steuersoftware, welche die Rakete auf ein militärisch optimales Flugprofil steuert. Auch die Treffergenauigkeit hat es in sich. So liegt der Streukreisradius bei gerade mal zehn bis 20 Metern, also das Maß der Genauigkeit, mit der eine Waffe in ein vorgeplantes Ziel gebracht werden kann. Kann die Flugabwehr die Rakete nicht rechtzeitig abfangen, was wegen deren enormer Geschwindigkeit schwierig genug ist, gibt es quasi kein Entkommen.
Die Gefechtsköpfe enthalten in der Regel Streumunition. Besonders heftig veranschaulichte dies ein ATACMS-Angriff der Ukrainer auf die Schwarzmeer-Halbinsel Krim im Juni. Damals stoppte der ukrainischen Version zufolge die russische Flugabwehr eine ATACMS - die gefährlichen Bomblets der Rakete gingen durch das Abfangmanöver jedoch über einem Urlaubsstrand runter. Technisch werden die Bomblets ansonsten in einer vorher festgelegten Höhe ausgestoßen. Sie gehen dann in einem kreisförmigen Gebiet von sage und schreibe bis zu 33.000 Quadratmetern nieder. Auch bei diesem Radius ist es kaum möglich zum Beispiel auf einem Militärflugplatz Deckung zu finden. (pm)