Auch Zweifel von Obama: Biden gerät erneut unter Druck
Auch Zweifel von Obama
Der versuchte Mordanschlag auf Donald Trump vergangenen Samstag hat die Debatte über das hohe Alter des 81-jährigen US-Präsidenten Joe Biden und seine Eignung für eine weitere Amtszeit kurz unterbrochen. Mit Bekanntwerden seiner CoV-Infektion und der damit verbundenen Unterbrechung des Wahlkampfes ist der Druck auf Biden erneut gestiegen. Inzwischen stehen Berichten zufolge auch enge Verbündete wie Ex-US-Präsident Barack Obama nicht mehr vorbehaltlos hinter seiner erneuten Präsidentschaftskandidatur.
Online seit gestern, 19.54 Uhr (Update: gestern, 23.23 Uhr)
Obama habe in den vergangenen Tagen gegenüber Verbündeten geäußert, dass Bidens Chancen auf einen Wahlsieg stark gesunken seien und er der Meinung sei, dass Biden sich ernsthaft fragen sollte, ob die Kandidatur noch aufrechterhalten werden sollte, berichtete die „Washington Post“ am Donnerstag unter Berufung auf mehrere Personen, die mit Obamas Überlegungen vertraut seien. Direkt äußerte sich Obama, der nach wie vor über großen Einfluss in der demokratischen Partei besitzt, bisher nicht. Biden war unter Obamas Präsidentschaft von 2009 bis 2017 dessen Vizepräsident.
Zuvor gab es mehrere Medienberichte, darunter von CNN, dass auch die enge Vertraute Bidens und frühere demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, dem US-Präsidenten privat Umfragen gezeigt und ihm mitgeteilt habe, dass er Trump nicht schlagen könne. Die Berichte berufen sich auf Insider, die nicht genannt werden wollten. Öffentlich stellte sich Pelosi bisher nicht gegen Biden. Sie sagte kürzlich nur, dass es „Sache des Präsidenten“ sei, zu entscheiden, was zu tun sei.
Auch Ex-US-Präsident Obama (re.) hat Zweifel, ob Biden erneut antreten soll Kritik an MedienberichtenPelosis Team kritisierte am Donnerstag die Medienberichte über ihre private Unterhaltung mit Biden. Es wurde aber nicht bestritten, dass das Treffen stattgefunden habe, berichtete die BBC.
Auch die Vorsitzende des Demokratischen Wahlkampfausschusses, Suzan DelBene, legte Biden vor wenigen Tagen neue Daten vor und erwähnte dabei die Bedenken der demokratischen Spitzenkandidaten für die Wahlen zum Repräsentantenhaus. Einige nationale Umfragen zeigen ein enges Rennen, andere wiederum sehen Trump in Führung.
„In keiner Weise unentschlossen“Bisher beharrte Biden darauf, im Rennen um das Präsidentschaftsamt zu bleiben. Er zeigte sich überzeugt, Trump erneut besiegen zu können. „Er ist in keiner Weise unentschlossen“, sagte auch am Donnerstag sein stellvertretender Wahlkampfleiter Quentin Fulks.
In einem Donnerstagfrüh (Ortszeit) veröffentlichten Radiointerview mit Biden, das kurz vor seinem positiven CoV-Test aufgezeichnet worden war, wies dieser schlechte Umfragewerte für ihn zurück: „Das ganze Gerede darüber, wer führt und wo und wie, ist eine Art, Sie wissen schon – alles, was bisher zwischen Trump und mir war, war im Grunde gleich.“
ORF-Korrespondent Thomas Langpaul aus Washington spricht über den schwindenden Beistand für Präsident Joe Biden.
Dennoch hoffen viele Demokraten, dass Biden im Zuge seiner CoV-bedingten Isolation die Lage neu bewertet. Die kommenden Tage müssten eine Entscheidung bringen, ob Biden mit Vizepräsidentin Kamala Harris ersetzt wird. Denn Anfang August findet vor dem Nationalkongress der Demokraten in Chicago eine virtuelle Nominierungsversammlung statt.
Donnerstagabend berichtete Reuters und auch die „New York Times“ unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertrauten Quellen, dass Biden die Rücktrittsaufforderungen ernst nehme und zu akzeptieren beginne, dass er die Wahl im November nicht gewinnen könne: „Ich weiß mit Sicherheit, dass er tatsächlich in sich geht“, so einer der Insider gegenüber Reuters. Biden denke „sehr ernsthaft darüber nach“. Dem Bericht zufolge gehen mehrere demokratische Funktionäre davon aus, dass ein Rücktritt nur eine Frage der Zeit sei.
Hochrangige Abgeordnete warnen vor einem AntretenSchon in der vergangenen Woche äußerten sich einige demokratische Abgeordnete mit direkten Rückzugsforderungen. Ihnen folgte am Mittwoch Adam Schiff, ein prominenter demokratischer Abgeordneter aus dem Repräsentantenhaus. Er bewirbt sich um einen Posten im Senat. Schiff gilt als Vertrauter von Pelosi.
Auch die beiden hochrangigen Demokraten im US-Kongress, Minderheitsführer im Repräsentantenhaus Hakeem Jeffries und Mehrheitsführer im Senat Chuck Schumer, warnten Biden laut mehreren Medienberichten davor, an seiner Präsidentschaftskandidatur festzuhalten. Beide führten „Politico“ zufolge bereits in der vergangenen Woche separat Gespräche mit Biden und teilten ihre Sorge mit, dass die Demokraten die Kontrolle über beide Kongresskammern verlieren könnten.
Ein Sprecher Schumers reagierte auf die Medienberichte als „müßige Spekulation“. Der Sprecher des Weißen Hauses, Andrew Bates, sagte, dass Biden sowohl Schumer als auch Jeffries gesagt habe, dass er der Kandidat der Partei sei, dass er vorhabe zu gewinnen und dass er sich darauf freue, mit beiden zusammenzuarbeiten, um seine 100-Tage-Agenda zu verabschieden und den arbeitenden Familien zu helfen.